Künstliches Sonnenlicht im Winter 22/23

Wenn die Tage kürzer werden und gleichzeitig die Preise steigen, dann ist die Winterdepression nicht weit. Um dem drohenden Vitamin K Mangel vorzubeugen und eine Alternative zur Einsamkeit anzubieten, haben wir für die restlichen zwei Monate des Jahres einige Programmpunkte im Angebot zu denen wir euch herzlich einladen möchten.

Am 3.11. starten wir mit der dritten Runde unserer Kneipe Abgrund ab 19:00 Uhr. Wir möchten uns zusammen hinsetzen, einige Kaltgetränke trinken und gemeinsam über die Auswirkungen der vergangenen Pandemiejahre auf die radikale Linke und mögliche Lösungsmöglichkeiten diskutieren. Aber alles kann und nichts muss, weswegen auch alle, die einfach nur Trinken möchten, herzlich eingeladen sind. Den Ort gibt es auf Anfrage.

Am 17.11. ist die erste Sitzung unseres Lesekreises:
„Wir werden uns wieder mit den ganz unintressanten Fragen auseinander- zusetzen haben, etwa: Wie kommt die Scheiße in die Köpfe?“ – Ronald M. Schernikau
Während die Pandemie langsam in Vergessenheit gerät und die radikale Linke sich angesichts der aktuellen Inflationskrise wieder mehr Relevanz erhofft, tritt weiter offen zutage, wie das Gros an gesellschaftlich produzierter Wut über die Verhältnisse sich am Ende nur gegen als Außenseiter Markierte richtet. Woher kommen diese eingeschliffenen Formen der psychodynamischen Verarbeitung der Realität? Wie kommt diese Scheiße in die Köpfe? Wie ist es möglich, aus diesen Strukturen auszubrechen?
Angesichts des großen Versagens der Linken im 20. Jahrhundert, welches uns statt Weltrevolution nur den Hitler-Stalin-Pakt und den völkischen Maoismus bescherte, ist ein Blick auf die erste Generation der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule mindestens von einem gesteigerten historischen Interesse. Um zu verhindern, dass die erlebte Tragödie sich in diesem Jahrtausend als Farce wiederholt, ist die therapeutische Auseinandersetzung mit dem eingeschliffenen Konformismus beinahe unverzichtbar.
Wir wollen gemeinsam das Buch „Feindaufklärung und Reeducation – Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus“ aus dem ça ira Verlag lesen und es zum Ausgangspunkt nehmen, um die gegenwärtigen Perspektiven von Kommunismus und Antifaschismus gemeinsam zu diskutieren.
Beginnend am 17.11 jeden dritten Donnerstag im Monat, Anmeldung bitte unter solariumkgb@riseup.net . Eine gemeinsame Bestellung der Bücher ist in Planung.

Am 24.11. veranstalten wir ab 18 Uhr den Workshop „Von raffenden Kobolden, schaffenden Zwergen und Weltenfressern – Über antisemitische Strukturen in phantastischen Geschichten“ im BDP Haus im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus (https://aktionswochen.online/2022/): In phantastische Universen wie dem von Harry Potter, der Herr der Ringe oder den Geschichten um Cuthulu lassen sich antisemitische Elemente finden. Diese reichen von der Nutzung von optischen Stereotypen hin zu dem Bild einer abstrakten Macht unterworfen zu sein, wie es im antisemitischen Denken gängig ist. Durch das Erkennen verschiedener Strukturen von antisemitischen Symbolen in den Universen, soll die Komplexität des Antisemitismus erschlossen werden.

Am 30.11. veranstalten wir ebenfalls im Rahmen der Aktionswochen die Podiumsdiskussion „König Fußball: eine Bestandsaufnahme – Über Antimodernismus und Antizionismus im Fußball“ mit Alex Feuerherdt und Jasper Küster. Ab 19:00 Uhr möchten wir im Ostkurvensaal des Weserstadions in Angesicht der Weltmeisterschaft in Katar den gegenwärtigen Entwicklungen im sogenannte modernen Fußball nachgehen. Wir setzen dabei in den beiden Inputreferaten der Podiumsgäste an zwei für das Kapitalverhältnis typischen herrschaftskonformen Abspaltungen an: der Feindschaft gegen die Moderne und der Feindschaft gegen den jüdischen Staat und versuchen von dort ausgehend dem gegenwärtigen Treiben im Fußball auf den Grund zu gehen. Nach den Inputreferaten wird die Diskussion für alle Anwesenden geöffnet.

Am 01.12. gibt es die vierte Runde des Kneipenabends, weitere Infos dazu folgen noch.

Am 08.12. findet dann wieder der Lesekreis statt.

Warum Israel?

Als kommunistische Gruppe, die mit dem Begriff „antideutsch“ nie Berührungsängste hatte, haben wir schon diverse Male ausgeführt, warum die Kritik an Kapital und Staat für uns notwendigerweise eine Kritik an den negativen Verlaufsformen dieser Kritik miteinschließt. (1) Die Liste an Texten, die erklärt, warum Antizionismus die politische Form des Antisemitismus ist und warum eine unbedingte Solidarität mit Israel fundamentaler Bestandteil einer kommunistischen Kritik am Staat und seinen konkreten Erscheinungen ist, ist lang und soll an dieser Stelle nicht fortgeführt werden.

Trotzdem können wir feststellen, dass die Erkenntnis dieser Texte irgendwo in der sich radikale Linke nennenden Echokammer nach kurzem Widerhall wieder verschwunden zu sein scheint. Während einerseits die Überreste der Antideutschen die Israelfahne als inhaltsloses Symbol der Distinktion gegenüber anderen Linken zur Schau tragen, verfallen andere ehemalige Antideutsche und Antinationale in eine relativierende Haltung und erklären die bedingungslose Solidarität zu einer „Position zu Israel“, deren Gegenseite beispielsweise beim neuen Präsidenten Chiles angesichts anderweitiger politischer Forderungen nicht mehr als weiter relevant erachtet wird. Beide Seiten können – sofern sie sich überhaupt noch die Mühe machen wollen – mit diesen Verfallsformen der Antisemitismus- und Antizionismuskritik wenig zu der gegenwärtig im Fahrwasser des intersektionalen Antirassismus formulierten Gleichsetzung Israels mit kolonialer Gewalt sagen. Sei es, weil sie das ganze Thema als bereits durchdiskutiert erachten, oder aber, weil sie sowieso kein Interesse mehr an der radikalen Linken haben.

Von außen scheint es dabei so, als wäre die Solidarität mit Israel damit innerhalb der radikalen Linken auf dem Rückzug. (2) Vergessen wird dabei, dass es eine Tradition der Israelsolidarität innerhalb der Linken gab, die viel weiter zurückreicht als das, was gemeinhin als antideutsche Szene gilt. Zwei Akteure dieser Solidarität waren Jean Amery und Claude Lanzmann, Freunde Jean-Paul Sartres und Simone de Beauvoirs. Beide waren bemüht, auf unterschiedliche Art und Weise die Entstehung Israels nach dem Ende des zweiten Weltkrieges innerhalb der zur selben Zeit stattfindenden antikolonialen Befreiungskämpfe zu verorten. Sie sahen Israel nicht als Projekt von weißen Europäer:innen, sondern als Versuch der europäischen Judenheit nach Jahrhunderten voller – von Europäer:innen gegen Jüdinnen:Juden ausgeübter – kolonialer Gewalt in Osteuropa, die schließlich in der Shoah mündete, eine Heimstätte aller Jüdinnen:Juden zu finden, die nicht zuletzt auch eine Heimstätte der jüdischen Opfer der postkolonialen arabisch-islamischen Staatwerdungen wurde.

Wir haben bereits in mehreren Texten und Redebeiträgen Bezug auf diese Tradition genommen (3) und wollen nun – anlässlich des 74-jährigen Bestehens des israelischen Staates – uns gemeinsam mit euch intensiver mit einem der wichtigsten künstlerischen Dokumente dieser Tradition beschäftigen. Aus diesem Grund wollen wir am Sonntag den 22.05. den Film Warum Israel?  von Claude Lanzmann schauen, um anschließend über die Eindrücke zu sprechen. Auf Grund der immer noch existenten Pandemie ist die Teilnehmer:innenzahl begrenzt, bitte meldet euch deshalb verbindlich über unsere Mailadresse solariumkgb@riseup.com an.

Mit sonnigen Grüßen,
Solarium – kommunistische Gruppe Bremen



(1) Zum Beispiel in unserem grundlegenden Text hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/01/07/kapital-staat-ihre-fetische-und-dieses-deutsche-scheiszland/ sowie in einem Redebeitrag hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/01/30/im-eingedenken-an-die-opfer-des-nationalsozialismus-2/
(2)  Inwieweit Israelsolidarität immer noch als Dorn im Auge der Bremer Linken ist, kann an den Entwicklungen nach einem Angriff auf uns nachvollzogen werden. Zum Vorfall: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/02/22/die-provokation-der-juedischen-existenz/ , zur Relativierung des Vorfalls danach: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/03/28/die-provokation-der-juedischen-existenz-reloaded/ und zum nicht abnehmenden Gerücht über die Antideutschen: https://antideutschorg.wordpress.com/2021/05/13/statement-zu-hutbuergerinnenwatch-bremen/
(3)  Zum Beispiel in unserem Text zu den Vorkommnissen im Mai 2021: https://antideutschorg.wordpress.com/2021/08/10/der-linke-kompromiss-mit-der-herrschaft/ oder aber in einem Redebeitrag hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2022/02/04/redebeitrag-vom-27-01-2022/

Redebeitrag vom 27.01.2022

Heute vor 77 Jahren befreiten Rotarmisten der ersten ukrainischen Front unter dem jüdischen Kommandanten Anatoli Schapiro das Konzentrationslager Auschwitz in der heute polnischen Stadt Ośwęicim (Oschwejsim). Heute steht der Name Auschwitz synonym für den industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden. Das Eingedenken an die Opfer verpflichtet zu dem kategorischen Imperativ, „dass Auschwitz nicht noch einmal sei, dass nichts Ähnliches geschehe.“ Dieser Imperativ setzt voraus, die historischen Umstände als die Bedingung der Möglichkeit des Geschehenen zu verstehen und ihre Überwindung anzustreben. Es geht hier und heute nicht um den Versuch, das Leid der Opfer nachzuvollziehen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren. Es geht darum, die Verhältnisse, die dieses Leid ermöglichten, im Eingedenken der Opfer zu denunzieren. Namentlich sind und waren diese Verhältnisse: Kapital, Staat und explizit der deutsche Staat.

Wer behauptet, das Grauen der Shoah habe sich gegen den Zeitgeist und gegen den Lauf des aufgeklärten Weltgeschehens gerichtet, liegt falsch. Es war die bis zur totalen Verwaltung aufgeklärte Welt, die die Shoah erst möglich machte. Die aufklärerische Rationalisierung realisierte nicht nur den industriellen Fortschritt, ohne den die Mordfabriken des Nationalsozialismus nicht denkbar wären. Sie schuf auch die Grundlage einer Kategorisierung der Welt und der sie bevölkernden Menschen, die ihren barbarischen Höhepunkt in den zu Nummern degradierten Insass:innen der deutschen Lager fand. Dem sich als Revolte gegen die Moderne äußernden Nationalsozialismus lag dabei insbesondere das Ressentiment gegen die kapitalistische Moderne in Gestalt des Antisemitismus zugrunde. Die antisemitische Weltanschauung entspringt aus dem Kapitalverhältnis und bestimmt die Jüdinnen und Juden zum absoluten Objekt. Gegenüber der offen zu Tage tretenden Unvernunft, der Unterteilung in Herrschende und Beherrschte wird der Antisemitismus zum Kitt, weil er scheinbar die Einheit der Gesellschaft von Staat und Kapital garantiert. Jüdinnen und Juden wird die Verantwortung für das Elend in der Gesellschaft angelastet. Antisemitismus zeigt sich als Weltanschauung.

Zwar ist Antisemitismus Teil der allgegenwärtigen Totalität des Kapitals, doch es war die historisch besondere deutsche Konstellation, in der es zum industriellen Massenmord kam. Warum ist der Tod also ein Meister aus Deutschland? Was unterscheidet die Nation der Täter:innen von den Alliierten, was die völkischen von den westlichen Staaten? Während sich die westlichen Staaten auf das Aufbegehren der Bevölkerung gegen die Feudalherrschaft berufen, beruft sich der deutsche Nationalmythos auf das Aufbegehren für die Feudalherrschaft und gegen die napoleonische Fremdherrschaft. Dieses Aufbegehren wurde als Grund für die sogenannten „Befreiungskriege“ im 19. Jahrhundert betrachtet. Als Befreiung wird nicht etwa die Befreiung des Individuums vom Zwang wahrgenommen, sondern die Befreiung des Volkes von der Fremdherrschaft. In diesem Mythos wird das Individuum dem Volkskörper geopfert, anstatt dass sich die Staatsbevölkerung durch das individuelle Aufbegehren konstituiert. Dadurch werden die Mittel zum Zweck: Die Nation ist nicht länger Mittel zur politischen Herrschaft und Antisemitismus nicht länger Mittel zur nationalen Stabilisierung. Stattdessen werden beide zum eigentlichen Ziel ihrer selbst.

Die Last des historisch singulären Verbrechens der Deutschen – sprich: die Shoah – ist heute vom Rechtsnachfolger des NS-Regimes längst umgedeutet worden und wird mit Verweis auf die besondere historische Verantwortung und die weltweit unerreichte Aufarbeitung und Erinnerungskultur allen Ernstes zur Demonstration einer moralischen Überlegenheit instrumentalisiert. Das post-nazistische Deutschland beansprucht nicht trotz, sondern wegen Auschwitz erneut eine Rolle in der Weltpolitik und jede Israelsolidarität, die sich nicht als radikale Ablehnung des Staates von Auschwitz artikuliert, trägt ihren Teil zu dieser Rolle bei. Das deutsche Gedenken ist ein Selbstzweck, dem niemals Taten folgten. Auch wenn das Ticket und der Jargon andere Absichten vermuten lassen, bleibt das Streben nach einer Welt ohne Antisemitismus Selbstbetrug oder Manipulation, wenn es einen Kompromiss mit dem Staat eingeht oder ihn als Mittel zur Durchsetzung vorsieht.

Das geläuterte und wiedergutgewordene Deutschland und seine außenpolitische Selbstwahrnehmung als Export- und Erinnerungsweltmeister wird dabei idealtypisch verkörpert von seinem ehemaligen Außenminister, der nach eigenem Bekunden wegen Auschwitz in die Politik ging, um dann als Außenminister genau jenes iranische Regime zu hofieren und tatkräftig zu unterstützen, das keinen Hehl aus seinem Bedürfnis der atomaren Zerstörung Israels macht und offen die Vernichtung der 9 Millionen Einwohner:innen des jüdischen Staates propagiert. Doch über derlei Ambivalenzen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Jerusalem sollte man doch zumindest auf Augenhöhe und ergebnisoffen diskutieren können. Unter Freund:innen kann man sich auch darauf aufmerksam machen, dass man – auf Grund der gemeinsamen Geschichte – eine gemeinsame Verantwortung bezüglich der Erinnerung hat und keiner diese Erinnerung für „nationalen Egoismus“ missbrauchen sollte, wie die Tagesschau absurderweise festhielt. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass in der gemeinsamen Geschichte der eine Staat genau diejenigen industriell vernichten wollte – und es beinahe geschafft hat – die der andere Staat heute beschützen will. Genauso wird ausgeblendet, dass Israel nur eine einzige Handlungsmöglichkeit gegenüber dem Iran hat, will es dieses Schutzversprechen gegenüber seiner Bevölkerung einhalten. Die Selbstverteidigung mit allen notwendigen Mitteln ist für Israel und seine jüdische Bevölkerung die einzige Möglichkeit zu existieren.

Der Versuch zwischen ehrbarem Antizionismus und bösem Antisemitismus zu unterscheiden blamiert sich dadurch, dass in ihm – meist unbewusst – der Staat gegen das Kapital ausgespielt werden soll. Wie Staat und Kapital sich gegenseitig bedingen, bedingen sich auch die aus ihnen erwachsenden negativen Kritiken einander. Wie Antisemitismus die personifizierte negative Kritik des Kapitals ist, ist der gegen den Juden unter den Staaten gerichtete Antizionismus die negative Staatskritik. Erst in einer befreiten Gesellschaft lässt sich dieser notwendige jüdische Partikularismus mit der geeinten Menschheit versöhnen. In der Welt von Staat und Kapital gibt es nur die Wahl zwischen antisemitischem Massenmord und dem kapitalistisch organisierten jüdischen Staat. Jede antizionistische Israelkritik macht sich also mit dem antisemitischen Mord gemein.

In der Welt von Staat und Kapital scheiterten die jüdischen Hoffnungen auf Emanzipation historisch in doppelter Hinsicht, denn weder gelang ihnen die bürgerliche Emanzipation zu Staatsbürger:innen noch die proletarische zu Sowjetgenoss:innen. Es half ihnen keine soldatische Staatstreue – weder gegenüber dem bürgerlichen noch dem proletarischen Staat – gegen die in Krisenzeiten immer wiederkehrende und neu mobilisierte antisemitische Vereinfachung der Welt. Weder der bürgerlichen Brüderlichkeit noch der proletarischen Solidarität konnten sich Jüdinnen und Juden je sicher sein. Dies bedeutet auch für die materialistische Staatskritik, dass die Solidarität mit Israel als Schutzraum aller Jüdinnen und Juden nicht zur Diskussion steht. Dabei ist es schlicht und ergreifend egal, wie wir als Privatmenschen die aktuelle Regierung oder die dortige außerparlamentarische Opposition bewerten. Es geht nicht darum, dass Israel im Gegensatz zu anderen Staaten irgendwie humaner wäre, sondern darum, dass Israel durch die Inhumanität der anderen Staaten zur einzig möglichen Verteidigung der Jüdinnen und Juden geworden ist.

„Für den Kommunismus“ bedeutet also nicht nur zwangsläufig Krieg den deutschen Zuständen, sondern immer auch Solidarität mit Israel.

Nachruf auf einen Kritiker

„Wenn ich akademisch veranlagt wäre, würde ich in einem meiner nächsten Vorworte schreiben: Bezüglich des Nationalismus verweise ich auf das großartige Buch von Joachim Bruhn, Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation.“ – Johannes Agnioli1

„Adornos Messer bestimmt den Wahrheitsgehalt des Materialismus, indem jede Marxismusdefinition abgeschnitten und verworfen wird, die nicht systematisch den Drei Quellen des Marxismus (so Lenin) verpflichtet ist. Verwerfe also, so der Imperativ, jede akademische „Rekonstruktion“ und jedes Bemühen um einen „authentischen“ Marxismus, die einzig auf die Philosophie des deutschen Idealismus und auf die englische Nationalökonomie rekurriert, den frühen Kommunismus, den Kommunismus des proletarischen Naturrechts dagegen ausschließt und als utopisch, d.h. vorwissenschaftlich verbannt. Denn weder die „freie Assoziation“ noch der „kategorische Imperativ“, weder Begriff noch Sache der Kritik lassen sich aus Hegel oder Smith herleiten, sondern vielmehr aus Babeuf, Buonarotti, Weitling, Dézamy, Bakunin, Fourier, aus eben dem Sozialismus, den der „wissenschaftliche“ des ML als „utopisch“ abtat.“ – Joachim Bruhn2

Wir trauern um den am 28. Februar 2019 verstorbenen Joachim Bruhn.

Auch wenn er ein auf den ersten Blick ein durchaus beschauliches Werk hinterlässt – ein Buch als Autor, drei als Herausgeber – prägte er doch über Jahrzehnte vieles von dem, was wir mit dem Begriff einer „antideutschen Kritik“ in irgendeiner Form assoziieren. Dies lässt sich ohne einen einzigen Vorbehalt bekennen. Das ganze Vorhaben dieser Seite steht in der Tradition seines Denkens.

Egal ob in seiner Kritik des Kapitals – die sich immer dem Theoretisieren verweigerte –; in seiner Staatskritik – die gerade aus der Ablehnung jeder Staatlichkeit die Parteinahme für die zionistische Sache begründen konnte –; seine Kritik des Antisemitismus – ohne diese wäre jede Kritik an Staat und Kapital halbherzig zu nennen ist; seiner Kritik an der Nation – als fetischisiertes Bewusstsein des vom Staates –; oder seiner Kritik an sämtlichen linken Fetischen – die bis zu letzt vehement an der Notwendigkeit einer Revolution festhielt – Joachim Bruhn verweigerte sich jedem Kompromissen mit der Herrschaft und ihren Denkformen.

Stets beharrte er darauf, dass der Materialismus sich erst mit der Abschaffung aller Verhältnisse „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“3 bewahrheiten könnte.

Es bleibt die Aufgabe seiner Freunde und Genossen, sein Denken in Ehren zu halten und fortzuführen. Wir verweisen an dieser Stelle auf die bald erscheinende Neuauflage seines Buches,4 auf seine vom ISF dokumentierten Beiträge,5 und auf zahlreiche Audiomitschnitte seiner Vorträge.6

In stiller Trauer blättern wir ein letztes Mal in der Apotheken Umschau und fordern lautstark die Abschaffung des Todes,

Redaktion antideutsch.org

1Aus Die Zerstörung des Staates mit den Mitteln des Marxismus-Agnolismus. Johannes Agnoli im Gespräch mit Joachim Bruhn in: Sans Phrase, Heft 13, Herbst 2018.

2Aus Joachim Bruhn: Adornos Messer: http://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/Adornos_Messer.pdf

3Aus Karl Marx: Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung: http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_378.htm

4Siehe: https://www.ca-ira.net/verlag/buecher/was-deutsch-ist/

5Siehe: https://www.ca-ira.net/verein/positionen-und-texte/

6Siehe: http://audioarchiv.blogsport.de/tag/joachim-bruhn/

Aufruf: Feministische & antifaschistische Koordination [Gö&U]

Antifa in die Offensive – Für die soziale Revolution!

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Actionday | Samstag, 10. September | Göttingen | All Areas

Naziaufmarsch verhindern!

Kurz vor der Kommunalwahl will die NPD die erste Demonstration seit ihrem Desaster im Goldenen Oktober 2005 durchführen. Diese gilt es mit allen Mitteln zu verhindern. Wir rufen euch dazu auf am Wochenende des 9. und 10. September nach Göttingen zu kommen und gemeinsam mit uns den Naziaufmarsch zu verhindern.

Seit dem Winter 2015 gibt es auch im Göttinger Umland einen völkischen Ableger, der unter dem Namen „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“, getragen von der rassistischen Konjunktur und völkischen Massendemonstrationen, versucht lokale Anknüpfungspunkte zu finden. Anfangs noch bemüht um ein „bürgerliches“ Image, haben die Neonazis um Jens Wilke, Mario Messerschmidt und Thorsten Heise diesen Anspruch mittlerweile aufgegeben: Sie agieren offen neonazistisch und treten auf der NPD-Liste zur Kommunalwahl an.

Beim „Freundeskreis“ handelt es sich zwar um ein regionales Problem. Aber er spiegelt eine bundesweite und europaweite Entwicklung wider, die auch in anderen Regionen akut bedrohlich ist: Die völkische Ideologie, die fast nahtlos an den mehrheitsfähigen deutschen Nationalismus anknüpfen kann, erfreut sich insbesondere im verängstigten Kleinbürgertum einer massiven Beliebtheit. Ihre Elemente sind Antisemitismus, Chauvinismus, Rassismus, Homo- und Transfeindschaft und Sexismus.

Gemeinsam gegen Antisemitismus!

Im Antisemitismus des „Freundeskreises“ und der NPD, kommen ihre verschwörungsideologischen Gewaltphantasien unverhohlen zum Ausdruck. So schwafeln sie vom „Kalergi-Plan“ und der „Zinsknechtschaft“ unter denen das „deutsche Volk“ zu leiden habe. Solche offen antisemitische und autoritäre Welterklärungen erleben seit der „Finanzkrise” ein fulminantes Comeback auf der Bühne der Politik. Für die Krise wurden „gierige Banker“ und gelegentlich, wie im Fall des völkischen Querfrontdenkers Jürgen Elsässer, „die Rothschilds“ verantwortlich gemacht.

Doch weder „verschworene Gemeinschaften“ noch „die Banker“ oder „die Juden“ sind für die Krise verantwortlich. Der Kapitalismus scheitert von sich aus an seinen eigenen logischen Widersprüchen – es kommt zwangsläufig zu Krisen. Die Folgen für die Menschen sind immer wieder verheerend. Darum gilt es den Kapitalismus als gesellschaftliches Verhältnis abzuschaffen und sich dessen antisemitischer Verklärung zu einer Form personalisierter Herrschaft entgegen zu stellen!

Tutti insieme – Kampf dem Rassismus!

Nicht nur Antisemitismus, auch Sozialchauvinismus und Rassismus erfreuen sich seit Jahren einer wachsenden Popularität. Flankiert von dem von CDU/CSU und SPD befeuertem Sozialchauvinismus gegen die griechische Bevölkerung und der rassistischen Debatte um „nützliche und nutzlose Flüchtlinge“ im Zuge der vermeintlichen Flüchtlingskrise, sowie die Verschärfung der Asylgesetzgebung, fühlen sich die regionalen Neonazis von „Freundeskreis“ und NPD in ihrem Denken und Handeln gestärkt.

Doch klar ist: Die Geflüchteten tragen keine Verantwortung für die Migrationsbewegungen. Vielmehr hat in den letzten Jahren eine internationale Neuformierung der Außenpolitik stattgefunden, die eine nachhaltige Destabilisierung ganzer Weltregionen zur Folge hatte – nicht selten schaffen es IslamistInnen die so entstanden Machtvakuen mit ihrer regressiven Politik zu füllen. Die Nationalökonomien reißen sich verstärkt auch offen militärisch um eine Hegemoniestellung am Weltmarkt. Das Hauen und Stechen der hochgerüsteten kapitalistischen Nationalstaaten hat Kriege und Hunger zur Folge. Diese zwingen Menschen ihre sozialen Bindungen aufzugeben und sich auf eine, oftmals existenzbedrohende, Flucht zu begeben. Ihnen gilt es zu helfen und ihr Recht auf ein menschenwürdiges Dasein zu stärken und dem Kapitalismus eine klare Absage zu erteilen.

Mit Klasse – Gegen Armut, Ausgrenzung und „Volksgemeinschaft“!

Der „Freundeskreis“ hetzt in nationalistischer Manier gegen Geflüchtete, die ihnen „die Arbeitsplätze wegnehmen“ würden. So verschmelzen die RassistInnen den kapitalistischen Klassengegensatz zu einem „ethnischen Konflikt“ und damit sind sie nicht alleine. Denn in Deutschland ist die rassistische Ausgrenzung Alltag: Angefangen beim Passzwang, dicht gefolgt von „Arbeitsmarktregulierung“ bis hin zu offener Gewalt durch den völkischen Mob.

Gegen die menschenverachtende Hetze der Neonazis und „Standortpatrioten“, setzen wir eine kosmoproletarische Perspektive! Denn Klassensolidarität, macht keinen Halt vor der vermeintlichen Herkunft, sondern ist notwendigerweise auf die gesamte Menschheit ausgerichtet! Nur so kann sie dem Sparzwang der kapitalistischen Verwertungslogik, der „Flexibilisierung“ unserer Arbeitsverhältnisse und den Angriffen auf unsere Sozialleistungen und Lebensqualität entschlossen die Stirn bieten. Nur so können wir die Idee, dass universelle Gleichheit und Freiheit nicht nur auf dem Papier existieren mögen, sondern irgendwann für alle Menschen weltweit gelten, Wirklichkeit werden lassen!

Für einen radikalen Feminismus kämpfen!

Die Neonazis vom „Freundeskreis“ leben in ihrer Politik ein soldatisches Männlichkeitsideal aus. Sich selbst inszenieren die Männer vom „Freundeskreis“ gerne als ehrenhaft und wehrhaft. Ihre Rhetorik und ihre politische Strategie strotzen dabei vor Frauenverachtung, Sexismus, Homo- und Transfeindschaft. Aber es braucht nicht erst Neonazis, um der patriarchalen Diskriminierung von Frauen, Lesben, Schwulen und Transpersonen Wirkmächtigkeit zu verleihen. Denn sie sind der brutalste Ausdruck alltäglicher Gewaltverhältnisse. Wer sich der Zweigeschlechtlichkeit oder der heterosexuellen Norm nicht unterordnet, wird pathologisiert und diskriminiert – sei es in der Schule oder auf der Arbeit durch Mobbing, auf offener Straße durch (oftmals) Männergangs oder beim Gang auf die Toilette.

Als „zweite Reservearmee” werden Frauen zudem als Lohnarbeiterinnen in den Arbeitsmarkt integriert, wenn das Kapital sich überhitzt und ausgespuckt, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Frauen werden strukturell am Arbeitsmarkt benachteiligt, haben mit schlechteren Arbeitsbedingungen zu kämpfen und übernehmen immer noch einen Großteil der Reproduktionsarbeit. Häusliche Gewalt gegen und Altersarmut von Frauen sind nach wie vor bittere Realität. Durch die Krise hat sich die Situation, vor allem für migrantische Frauen und Frauen im Niedriglohnsektor weiter zugespitzt. Gegen den patriarchalen Kapitalismus setzen wir auf die Aufhebung des rigiden Geschlechtermodells und fordern ein Leben in Freiheit und Würde für alle Menschen! Gegen Sexismus, Homo- und Transfeindschaft setzen wir unseren Kampf für eine offene Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können.

Wir wollen ein ganz anderes Anderes. Wir wollen eine Gesellschaft ohne Arbeitszwang und Privateigentum an Produktionsmitteln, ohne Nationalstaaten und Gemeinschaftsideologien. Wir wollen eine Weltgesellschaft, in der Dinge wie Geschlecht und Herkunft keine Rolle spielen. Wir wollen ein schönes Leben für alle und da stehen uns die Neonazis im Weg – also bekämpfen wir sie. Genoss_innen, kommt darum am 9. und 10. September nach Göttingen und sorgt mit uns für einen roten September!

 

 

Anstehende Termine im roten September

Donnerstag, 8. September | 19 Uhr | ver.di

Infoabend: Naziaufmarsch in Göttingen unmöglich machen

 

Freitag, 9. September | 20 Uhr | Gänseliesel

Vorabenddemonstration: Antifa in die Offensive! Für die soziale Revolution!

 

Samstag, 10. September | Göttingen | All Areas

Actionday: Naziaufmarsch verhindern

 

Donnerstag, 15. September | 20:00 Uhr | T-Keller

Vortrag & Diskussion: Kritik des Nationalismus

 

Donnerstag, 22. September | 20:00 Uhr | T-Keller

Vortrag und Diskussion: Rechtsruck, Antisemitismus und völkische Querfront

 

Donnerstag, 29. September | 20:00 Uhr | T-Keller

Lesung und Diskussion: Retrofieber – Wenn Neonazis die ostdeutschen Straßen zurück erobern

Infostruktur für #hig3103 und #gth0204

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Alle Infos rund um die NPD-Aufmärsche am 31. März in Heiligenstadt und am 02. April in Gotha sind hier einsehbar.

Eine kleine Kurzübersicht: In Heiligenstadt startet die antifaschistische Demonstration um 16.30 Uhr am Bahnhof. 19:00 Uhr wollen sich an der selben Stelle die Nazis treffen, dann in richtung Innenstadt marschieren und auf dem Marktplatz eine Kundgebung abhalten. Endpunkt der Nazi-Route soll dann wieder der Bahnhof sein.

In Gotha startet die antifaschistische Demonstration um 11:30 Uhr am Hauptbahnhof. Die Nazis treffen sich um 14:00 Uhr auf dem Coburger Platz, werden aber wohl ab 11:00 Uhr im Stadtbild present sein. Gegen 15:00 Uhr wollen sie vom Coburger Platz in richtung Stadtbad marschieren und werden dann am Coburger Platz ihre Abschlusskundgebung halten. Zu den Protesten dagegen hat auch das Bürgerbündnis aufgerufen. Es sind am Coburger Platz, in der Jüdenstraße, am oberen Hauptmarkt und am Neumarkt stationäre Kundgebungen angemeldet.

Wir sagen: You can get it if you really want! Naziaufmärsche verhindern!

Neue Sticker to go

Ab sofort könnt Ihr folgende Motive bei uns bestellen.


Für Individualität, Genuss & Nonchalance. Gegen Ökodeutsche und autoritäre Sozialdemokraten.


Occupy Your Brain. Kritische Theorie anstatt antikapitalistischer Massenmobilisierung.


Extreme Kackscheiße. Critical Whiteness ist postmoderner Rassismus.

Wendet Euch einfach an uns per Mail: ada-berlin[at]gmx.net