Antitresen #3 – Befreiung oder Besatzung?

Vor 75 Jahren kapitulierte die deutsche Wehrmacht gegenüber den alliierten Streitmächten der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, dem Vereinigten Königreich und den französischen Truppen der Befreiungsarmee. Der Zweite Weltkrieg war damit zumindest in Europa beendet. Die Siegermächte begannen, die Rahmenbedingungen des kommenden Friedens auszuhandeln. Das stark verkleinerte deutsche Staatsgebiet wurde in vier Besatzungszonen eingeteilt. Vier Jahre später entwickelten sich aus ihnen zwei deutsche Staaten, die sich auf je spezifische Weise vornahmen, mit dem Nationalsozialismus zu brechen: Beide nahmen formal den Antifaschismus als Staatsdoktrin auf. Gleichzeitig waren sie bemüht, eine Kontinuität der deutschen Herrschaft aufrecht zu erhalten – de facto tasteten sie die nationalsozialistische Volksgemeinschaft gerade nicht an.

Als im November 1989 die Berliner Mauer fiel und im Schnellverfahren die ehemalige SBZ, spätere DDR auf dem Gebiet des heutigen Dunkeldeutschlands an die westdeutsche Bundesrepublik angeschlossen wurde, offenbarten sich die unter Westbindung und Sowjettreue fortwesenden Kontinuitäten in Städten wie Solingen, Mölln, Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda. Doch die postnazistische Volksgemeinschaft tat so, als hätten die neonazistischen Mordbanden mit dem eigentlichen Deutschland nichts zu tun, und begann, sich als antifaschistische Zivilgesellschaft zu inszenieren. Das Morden überließ man lieber den Handelspartnern im Nahen und Mittleren Osten. Damit begann eine Verschiebung der Debatte. Wurde die im Sommer 1945 kollektiv erlebte narzisstische Kränkung durch die Teilung wachgehalten, wurde schon alsbald davon gesprochen, dass man ja eigentlich befreit worden wäre. Die eigene barbarische Geschichte wurde zur Erfolgsstory umgedeutet. Fast so, als hätten die Alliierten das friedliebende deutsche Wesen vom fremdartigen Nationalsozialismus befreit. Das deutsche Volk fühlt sich freigesprochen. Man brüstet sich als Aufarbeitungsweltmeister damit, dass andere Länder einen um das Mahnmal der ermordeten Juden in Europa beneiden würden. Die Erinnerung verdrängt das eigentliche Verbrechen.

Was 1985 mit der Rede Richard von Weizsäckers begonnen hatte, mündet heute in die Forderung nach einem Nationalfeiertag am 8. Mai. Die Berliner Republik und die längst total-verstaatlichte Zivilgesellschaft spinnen fleißig den Mythos vom anderen Deutschland und verdrängen die Bedingungen der eigenen massenmörderischen Konstitution. Weder die Profite des Zweiten Weltkriegs noch die bis heute unangetastete, aus strategischen Gründen im Kalten Krieg nur notdürftig entnazifizierte, mörderische Volksgemeinschaft sind noch Thema. Die Nazis werden zum Anderen, zum Nichtdeutschen. An einer Entschädigung der Opfer besteht – das haben der Berliner Zoo oder der Umgang mit Griechenland in der letzten Finanzkrise ausdrücklich bewiesen – überhaupt kein Interesse. Stattdessen geht es darum, sich selbst als moralische Supermacht zu inszenieren. Besonders gerne belehrt man den Staat der Opfer der Shoah, während man mit einem Regime, das kein Hehl aus seinen antisemitischen Vernichtungswünschen macht, innige Handelsbeziehungen eingeht. Wenn es heißt, dass die Sieger die Geschichte schreiben, dann hat Deutschland 75 Jahre später wohl doch noch den Krieg gewonnen.

Wir wollen mit der Redaktion antideutsch.org über ihre Kritik des German Gedenkens und die vor fünf Jahren ins Leben gerufene 70-Years-Kampagne sprechen, die sich kritisch mit dem deutschen Geschichtsbild auseinandersetzte. Wir wollen der Frage nachgehen, wie sich Antifaschist*innen in Deutschland gegenüber des Staatsantifaschismus verhalten können, ohne sich zu ehrenamtlichen Helfer*innen des deutschen Staates zu machen. Wenn der kollektiv vom deutschen Volk begangene Massenmord und der unter alliierter Besatzung munter weiter geäußerte Antisemitismus eines beweisen, dann: ANTIFA GEHT NUR GEGEN DEUTSCHLAND.

09/05/2020 – 19 Uhr, Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=0OkvYCcWyis