Heldendichtung

Zum Basiswissen einer marxistischen Charaktermaskenkunde gehört, dass politische und ökonomische Krisen jeweils mit den für ihre Zeit spezifischen Akteuren daher kommen. Es verwundert deshalb nicht, wenn Verfechter dieser Charaktermaskenkunde sich nicht einfach aus der Ruhe bringen lassen und daher glauben, mit klarem Kopf das vor ihnen liegende Phänomen sezieren zu können. Wer Beispiele sucht, wird auf den – oft ästhetisch weniger ansehnlichen – Covern einer beliebigen Ausgabe einer beliebigen linksradikalen Theoriezeitschrift fündig werden.

Gegen dieses Ruhigbleiben ist trotz aller Liebe für aufständische Unruhen und spontan-ausbrechende Revolte auch erst einmal nichts einzuwenden. Sicherlich wirken die Texte oft distanziert und vom eigentlich behandelten Ereignis entfremdet, wenn die Wut bis zur Unkenntlichkeit sublimiert wurde. Garantiert macht es die meisten Zeitschriften weniger lesenswert, weswegen nur glühende Anhänger mehr als ein paar Ausgaben ernsthaft verfolgen. Jedoch ermöglicht diese Ruhe ein Krisenphänomen, wie das des Edgelords, unaufgeregt zu betrachten.

Wenn also Ulf Poschardt, seines Zeichens Häuptling aller prätentiöser Poser von der Nordsee bis zu den Alpen und nebenberuflich als Chefredakteur der Welt angestellt, einen Text über den 2010 verstorbenen marxistischen Theoretiker Karl Held schreibt, dann ist es durchaus angebracht zu fragen: Welches Interesse hat der werte Herr Chefredakteur solch einen Text zu veröffentlichen?

Allgemein kann man davon ausgehen, dass das Interesse der meisten in der postmodernen Medienproduktion darin besteht, die ihnen eigene Ware Arbeitskraft samt ihres popkulturellen Überbaus – die eigene Marke – gewinnbringend zu veräußern. Kurz: sie denken klassisch-bourgeois an erster Stelle an sich selbst. Wenn also in meinungsstarken Texten historische Anekdoten ausgegraben werden, dient dies in erster Linie dazu sich selbst mit gewichtigen Tant zu behängen: „Die Beute wird, wie das immer so üblich war, im Triumphzug mitgeführt“, wusste schon Walter Benjamin.

Wenn Ulf Poschardt über Karl Held schreibt, dann nicht, weil er seinen Lesern diesen linken Theoretiker näher bringen will und auch nicht um mit dessen Hilfe dogmatische Marxisten als Leser zu gewinnen – wer von denen hätte überhaupt ein Welt Plus Abo, um den Text lesen zu können? Ihm geht es darum sich selbst in – oder besser noch: als – Held zu sehen, dessen Vornamen er deshalb im Artikel auch für bürgerlich und obsolet erklärt. Um gar keinen Zweifel zu lassen endsubstantiviert er dessen Nachnamen im Weiteren und macht ihn zu jemanden der „heldet“, was das Nacheifern sicherlich erleichtert.

Held ist man, – wenn man den Text destilliert, dadurch, dass man auch auf „sprachlicher Ebene Dissidenz“ vollzieht und sich nicht gemein macht mit einem Zeitgeist, den Poschardt schon oft genug als woke umschrieben hat. Nur logisch, dass Held sich der „Kathederhaftigkeit“ des Hochdeutschen verweigert – während genau jenes, wie Klaus Bittermann in einer Antwort schreibt, eine Emanzipation aus dem Provinziellen versprechen könnte. Mit jeder Faser ist Held von der Gesellschaft abgekehrt, mit jeder Geste wird diese Distanz betont. Man muss nicht mal Nietzsche gelesen haben, um hier an seinen Übermenschen denken zu müssen. Denn Held sein heißt auch dann ruhig zu bleiben, wenn das Publikum wie auf dem Konkret Kongress 1993 lauthals buht. Es heißt stärker zu sein als die Anderen, weswegen ihn Poschardt sicherheitshalber zum Nihilisten im Stile eines Jewgeni Basarow macht.

Dezent unter den Tisch fällt bei ihm, dass Held nicht alleine gegen ominöse Andere stand, sondern sich immer als Teil der Marxistischen Gruppe (MG) verstand und in deren Marxistischer Streit- und Zeitschrift (MSZ) nicht als eigenständiger Autor genannt wurde. Wenn Poschardt also die MG zum bloßen Anhängsel von Held erklärt, liegt der Verdacht nahe, dass der Chefredakteur hier vor allem über sich und das von ihm gedachte Verhältnis zu seiner Zeitung schreibt. Dementsprechend war das Scheitern von MG und MSZ, die sich 1991 auflösten, für den 55jährigen Kreuzfahrer gegen die Wokeness keine Reaktion auf die verstärkt einsetzende Repression gegen die Organisation, sondern Teil der Idee. Der schon seit der Gründung 1971 an den Tag gelegte Verzicht auf realpolitischen Ehrgeiz deutet er dementsprechend als Konzeptkunst. Wer einmal auf einer Veranstaltung des MSZ-Nachfolgers Gegenstandpunkt war, kann dieser Deutung nur schwer widersprechen; wer Poschardts Onlineauftreten verfolgt, kann auch diesen kaum anders begreifen.

An dieser Stelle ist der Punkt erreicht, wo die marxistische Charaktermaskenkunde an eine Grenze gerät und die Frage nach dem Interesse kaum weiter hilft. Es ist jene Grenze, über die Held auf dem Konkret Kongress 1993 mit Wolfgang Pohrt und Hermann Gremliza stritt; jener Moment, in dem „die Psychologie des bürgerlichen Individuums“ nur noch durch die Massenpsychologie Sigmund Freuds verstanden werden kann. Wenn die Selbsterhaltung aufgegeben wird und aus Bürgern und Arbeiter nur noch Volksgenossen werden, dann gelangt der Marxismus seit 1938 immer wieder an diese unüberwindbare Hürde.

Besonders hebt Poschardt in seinem Artikel hervor, dass für Held all die mit der Wiedervereinigung einhergehende Gewalt gegen Migranten nur eine Fußnote des deutschen Imperialismus sei. In dieser Projektion verstecken sich zwei verschiedene Zeitebenen, die zusammen gedacht werden, aber nicht gehören. Während der Chefredakteur der Welt nicht müde wird der gegenwärtigen antirassistischen Bewegung vorzuwerfen nur ihr eigenen Befindlichkeiten im Sinn zu haben, richtete sich Held dagegen explizit gegen eine im Entstehen begriffene antideutsche Bewegung. Beides wird wiederum von Poschardt in einer Traditionslinie gesehen, weswegen er auch Wolfgang Pohrt und die Antideutschen als Superlinken und Ursprung der Identitätspolitik stilisiert.

Dieses nicht gerade originelle Feindbild hat sich der fränkische Dünnbrettbohrer aus den USA entliehen. Seit Jahrzehnten hetzen evangelikale Rechte gegen den so genannten Kulturmarxismus, wo so unterschiedliche Theoretiker wie Theodor W. Adorno und Judith Butler in eins fallen und an eine von langer Hand geplante Zersetzung des christlichen Zusammenlebens geglaubt wird. Dabei handelt es sich um ein antisemitisches und rassistisches Feindbild, welches auf Authentizität baut, die, gerade weil es sie in der Kulturindustrie nicht geben kann, mit Gewalt wahr gemacht werden muss.

In der MSZ stand Anfang der 1990er schon jede individuelle Leiderfahrung delegitimierend und an die Antideutschen adressiert, dass der nationale Taumel bloß für die „Manövriermasse deutscher Macht mit viel Menschelei zum Unterhaltungsgenuss aufbereitet worden“ sei; bloß ein Teil der „Grundlüge des Nationalismus“, welches den imperialistischen Anspruch auf das Staatsvolk zu einem Recht des Menschen macht, aber ohne wirklich reale politische Relevanz. Kein „altbekanntes faschistisches Kriegsprogramm nach außen und mörderisches Säuberungsprogramm nach innen“ ließen sich ausmachen. Anders lautende Analyse der sich angeblich anbahnenden Manifestation des neuen Deutschlands „fallen allerdings ganz unökonomisch aus.“

Es ist diese rational daherkommende Gleichgültigkeit, in der sich Poschardt wiederfindet, um jede Wut gegen die Zustände in diesem Land als obsolet und moralisch zu verwerfen. Dem Fühlen selbst wird der Kampf angesagt und nicht der geistigen Überhöhung des Fühlens. Dass MG und MSZ nach dem Scheitern der Studentenrevolte genau jenem entmenschlichenden Denken auf den Leim gingen, dass das Kapitalverhältnis jedem Politikern aufzwingt, gehört zur linken Tragödie des zwanzigsten Jahrhunderts. Dass Ulf Poschardt feuilletonistisch das kollektive Leiden individualisiert, wiederum zum faschistischen Programm des 21. Jahrhunderts.

Und während immer noch große Teile der Linken denken, dass die Begriffe des Marxismus – wie Klasse oder Imperialismus beziehungsweise Diktatur des Proletariats – unbeschadet aus der ersten Verdichtung hervor gegangen sind, verdichtet das „neoliberale Twitter-Rumpelstilzchen“ im Stile des 20. Jahrhunderts den Marxismus erneut zum antibürgerlichen Ressentiment. Beide tun so, als hätte sich die deutsche Volksgemeinschaft in den entscheidenden Phasen der Moderne nicht immer als blutrünstige Beutegemeinschaft konstituiert, wenn auch jeweils mit anderen Absichten.

Interessanterweise sind es aber die zum Feindbild aufgeladenen Antideutschen, die die Einfachheit des Antiimperialismus und des Klassenkampfes zu Nichte machen beziehungsweise die Liebe zur deutschen Kulturnation denunzieren. Auf dem Konkret-Kongress 1993 erinnerte ein Gast genau daran: „Dass ihr nie darüber diskutieren wollt, dass dieses Land das Land nach Auschwitz ist; dass dieses Land das Land von Auschwitz ist; dass diese Täter […] Brandsätze bei Nacht und Nebel werfen, weil sie über Gaskammern und Zyklon B noch nicht verfügen, weil aber Gaskammern und Zyklon B genau das sind, was in ihren dumpfen Köpfen umgeht. Darüber könnt ihr nicht Reden, weil ihr selber zu bescheuert seid.“

Warum Israel?

Als kommunistische Gruppe, die mit dem Begriff „antideutsch“ nie Berührungsängste hatte, haben wir schon diverse Male ausgeführt, warum die Kritik an Kapital und Staat für uns notwendigerweise eine Kritik an den negativen Verlaufsformen dieser Kritik miteinschließt. (1) Die Liste an Texten, die erklärt, warum Antizionismus die politische Form des Antisemitismus ist und warum eine unbedingte Solidarität mit Israel fundamentaler Bestandteil einer kommunistischen Kritik am Staat und seinen konkreten Erscheinungen ist, ist lang und soll an dieser Stelle nicht fortgeführt werden.

Trotzdem können wir feststellen, dass die Erkenntnis dieser Texte irgendwo in der sich radikale Linke nennenden Echokammer nach kurzem Widerhall wieder verschwunden zu sein scheint. Während einerseits die Überreste der Antideutschen die Israelfahne als inhaltsloses Symbol der Distinktion gegenüber anderen Linken zur Schau tragen, verfallen andere ehemalige Antideutsche und Antinationale in eine relativierende Haltung und erklären die bedingungslose Solidarität zu einer „Position zu Israel“, deren Gegenseite beispielsweise beim neuen Präsidenten Chiles angesichts anderweitiger politischer Forderungen nicht mehr als weiter relevant erachtet wird. Beide Seiten können – sofern sie sich überhaupt noch die Mühe machen wollen – mit diesen Verfallsformen der Antisemitismus- und Antizionismuskritik wenig zu der gegenwärtig im Fahrwasser des intersektionalen Antirassismus formulierten Gleichsetzung Israels mit kolonialer Gewalt sagen. Sei es, weil sie das ganze Thema als bereits durchdiskutiert erachten, oder aber, weil sie sowieso kein Interesse mehr an der radikalen Linken haben.

Von außen scheint es dabei so, als wäre die Solidarität mit Israel damit innerhalb der radikalen Linken auf dem Rückzug. (2) Vergessen wird dabei, dass es eine Tradition der Israelsolidarität innerhalb der Linken gab, die viel weiter zurückreicht als das, was gemeinhin als antideutsche Szene gilt. Zwei Akteure dieser Solidarität waren Jean Amery und Claude Lanzmann, Freunde Jean-Paul Sartres und Simone de Beauvoirs. Beide waren bemüht, auf unterschiedliche Art und Weise die Entstehung Israels nach dem Ende des zweiten Weltkrieges innerhalb der zur selben Zeit stattfindenden antikolonialen Befreiungskämpfe zu verorten. Sie sahen Israel nicht als Projekt von weißen Europäer:innen, sondern als Versuch der europäischen Judenheit nach Jahrhunderten voller – von Europäer:innen gegen Jüdinnen:Juden ausgeübter – kolonialer Gewalt in Osteuropa, die schließlich in der Shoah mündete, eine Heimstätte aller Jüdinnen:Juden zu finden, die nicht zuletzt auch eine Heimstätte der jüdischen Opfer der postkolonialen arabisch-islamischen Staatwerdungen wurde.

Wir haben bereits in mehreren Texten und Redebeiträgen Bezug auf diese Tradition genommen (3) und wollen nun – anlässlich des 74-jährigen Bestehens des israelischen Staates – uns gemeinsam mit euch intensiver mit einem der wichtigsten künstlerischen Dokumente dieser Tradition beschäftigen. Aus diesem Grund wollen wir am Sonntag den 22.05. den Film Warum Israel?  von Claude Lanzmann schauen, um anschließend über die Eindrücke zu sprechen. Auf Grund der immer noch existenten Pandemie ist die Teilnehmer:innenzahl begrenzt, bitte meldet euch deshalb verbindlich über unsere Mailadresse solariumkgb@riseup.com an.

Mit sonnigen Grüßen,
Solarium – kommunistische Gruppe Bremen



(1) Zum Beispiel in unserem grundlegenden Text hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/01/07/kapital-staat-ihre-fetische-und-dieses-deutsche-scheiszland/ sowie in einem Redebeitrag hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/01/30/im-eingedenken-an-die-opfer-des-nationalsozialismus-2/
(2)  Inwieweit Israelsolidarität immer noch als Dorn im Auge der Bremer Linken ist, kann an den Entwicklungen nach einem Angriff auf uns nachvollzogen werden. Zum Vorfall: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/02/22/die-provokation-der-juedischen-existenz/ , zur Relativierung des Vorfalls danach: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/03/28/die-provokation-der-juedischen-existenz-reloaded/ und zum nicht abnehmenden Gerücht über die Antideutschen: https://antideutschorg.wordpress.com/2021/05/13/statement-zu-hutbuergerinnenwatch-bremen/
(3)  Zum Beispiel in unserem Text zu den Vorkommnissen im Mai 2021: https://antideutschorg.wordpress.com/2021/08/10/der-linke-kompromiss-mit-der-herrschaft/ oder aber in einem Redebeitrag hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2022/02/04/redebeitrag-vom-27-01-2022/

Antideutsche Identitätskrise (Leser:innenbrief)

Anlässlich des 30ten Jahrestages der Wiedervereinigung und des antinationalen re:kapitulation Kongresses veröffentlichen wir einen Leser:innebrief aus diesem Frühjahr (nach Erscheinen unseres Artikels im Distanz Magazin). Wir sind der tiefsten Überzeugung, dass es fatal wäre die Kritik der deutschen Nation den Antinationalen zu überlassen, wissen aber zugleich um die gegenwärtige Unfähigkeit der potenziellen antideutschen Kritiker:innen. Wir haben uns aus diesem Grund entschieden uns erst einmal nicht weiter zur Thematik zu äußern und damit weiter zu machen, was wir am besten können: Kritik der Tradition und Tradition der Kritik.

Sehr geehrte Redaktion antideutsch.org,
wir geben zu, wir sind nach wie vor mehr als nur skeptisch was euer Vorhaben angeht, den Faden der „antideutschen Kritik“ wieder aufzugreifen und weiter zu treiben. Wir müssen uns aber auch eingestehen, dass wir mit dem was ihr bisher versucht habt als eure „antideutsche Kritik“ zu umreißen – insbesondere dort wo ihr versucht an die Kritik der linken Bewegungen eines Wolfgang Pohrt oder der Kritik des Arbeitermarxismus von Joachim Bruhn anzuknüpfen – doch mehr anfangen können, als uns das selbst lieb ist.

Wir wollen euch die Details unseres Werdegangs ersparen und auch keine identitäre Selbstbestimmung vornehmen – oder gar Sprechortposition einnehmen. Zum Verständnis der folgenden Zeilen ist es vielleicht dennoch hilfreich, wenn wir versuchen die Tradition unserer Kritik offen darzulegen. Als loser Zusammenschluss können wir eine temporäre Zugehörigkeit – was auch immer das am Ende, abseits von individuellen Identitätsbedürfnissen, heißen mag – in den meisten Erscheinungen dessen, was nach 1990 als antideutsch galt, vorweisen. Sei es als Teil von Politgruppen oder Lesekreisen, als leidenschaftliche Leserinnen der einschlägigen Szenepublikationen, Besucherinnen und Diskutantinnen auf unzähligen Vorträgen und Konferenzen. Gemeinsam ist uns, dass uns allen – wenn auch auf ganz individuelle Weise – das antideutsche Festhalten am Existenzialurteil der kritischen Theorie (oder: das Festhalten am Existenzialurteil, dass uns zu Antideutschen machte) zum privaten Verhängnis wurde.

Obwohl die Rede davon, dass alle Verhältnisse umzuwerfen seien in denen die Spaltung der Gattung fortbesteht, mittlerweile zur ritualisierten Phrase verkommen ist, die man vor sich hinbetet, bevor man dann doch seinen Frieden mit dem falschen Ganzen macht und Karriere in Politik oder Akademie anstrebt, hat sie nichts an ihrer Wahrheit oder Aktualität verloren. Im Gegenteil: allein durch die nicht begründbare Verranntheit in sie, ist es überhaupt möglich die Momente zu erkennen, in denen sie zur Phrase wird. Anders als es die zahlreichen ehemaligen Weggefährtinnen von uns behaupten werden, hatten wir nie die Absicht Recht zu haben – sondern wurden von der Hoffnung getrieben, widerlegt zu werden. Hinter dem von uns zeitweise angenommenen Begriff „antideutsch“ sollte zu keinem Zeitpunkt mehr stecken, als das Festhalten am Kommunismus gegen diejenigen, die sich trotz ihrer Kompromissbereitschaft mit der falschen Gesellschaft selbst zu Kommunistinnen machten, irgendwie begrifflich zu fassen. Doch jenes Wörtchen taugt eigentlich nicht mehr als Platzhalter für diesen Begriff – das wisst ihr wahrscheinlich besser als wir.

Wenn es stimmt, dass sie Erschlagenen durch das Vergessen ein zweites Mal erschlagen werden – und wir wüssten nicht womit sich diese Feststellung widerlegen ließe – dann werden sie nicht durch Identifikation mit ihnen plötzlich wieder lebendig. Die tragisch gescheiterten Versuche, das Einfache das schwer zu machen ist zu verwirklichen, können nur als Farce wiederholt werden. Die historische Möglichkeit sich als Revolution zu bewahrheiten lässt sich nicht beliebig reproduzieren. Beim Leninismus wird nie etwas anderes herauskommen als autoritärer Staatssozialismus, der mit seinem Versuch den Staat gegen das Kapital in Stellung zu bringen beide Verhältnisse manifestierte und die Kritik an ihnen zur Legitimationsideologie verkommen lassen muss. Wie bei den anderen linken Zerfallsprodukten ist sein Scheitern zu akzeptieren, um seine utopischen Momente nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen oder – was das gleiche ist – zur Kohle der Lokomotive der Geschichte des Fortschritts werden zu lassen.

Gemeinsam ist all den gescheiterten Versuchen ihre mangelnde Treue zu besagtem kategorischen Imperativ – was sicherlich meistens erst im historischen Rückblick klar erkennbar ist. Erst als Emma Goldman nach den Ereignissen des Oktobers 1917 in die Sowjet Union reiste und die Gegenwart nach der angeblichen proletarischen Revolution sah, konnte sie die Oktoberrevolution selbst kritisieren. Eine derartige Kritik halluziniert sich dem zu Folge nicht ins Cockpit der Weltgeschichte und erörtert, was 1917 hätte anders gemacht werden müssen, sondern hält das Scheitern in seiner grausamen Brutalität fest. Analoges gilt für all die kleinen und großen Streitigkeiten innerhalb dessen, was wir im vollsten Bewusstsein aller internen Verwerfungen, als kommunistische Bewegung bezeichnen.

Das Wörtchen „antideutsch“ war ein passendes Label, um nach dem Jahr 1990 die unzähligen blutigen Niederlagen des kurzen zwanzigsten Jahrhunderts und ihre Gründe auf den Begriff zu bringen. Es war wichtig und richtig nach dem Ende der Nachkriegszeit auf das sich ständig perpetuierende Scheitern vom 30. Januar 1933 und Auschwitz als seine bisher ohne Vergleich gebliebenen Folge zu reflektieren. Die schon oben erwähnten Joachim Bruhn und Wolfgang Pohrt haben genau das geleistet – das gilt es zu bewahren. Doch in der Gesellschaft der Kulturindustrie – die sich nicht auf Kunst beschränken lässt, sondern nur als Totalität und (bis zu ihrer Abschaffung) unvermeidliches Schicksal aller dem falschen Ganzen widerstrebenden feinen Dinge verstanden werden kann – verschwimmen die Unterschiede zwischen Vergessen und Kulturalisierung, wovon die Meterware des Marxismus Zeugnis ablegt. Der Kampf gegen das Vergessen mit den Mitteln der Kulturindustrie – und wenn wir von ihr Sprechen gehen wir auch von ihrer Totalität aus – ist ein Kampf gegen Windmühlen. Oder anders gesagt: in der subkulturellen Szene hat sich die Kritik zur Ware verhärtet und die Erschlagenen Kritiker werden im Gedenken an sie ein zweites Mal erschlagen.

Wenn Antideutsche von einem zu wenig an Staat und dem Verlust der vermittelten bürgerlichen Souveränität an den angeblich unmittelbaren islamischen Gegensouverän faseln, weil die physische Präsenz der Staatsmacht nicht mehr vorhanden sei oder das Patriarchat für beendet erklären, weil die christlich-abendländische Kultur im Vergleich zur islamischen Religion der Frau mehr Freiheiten in der Sphäre der Reproduktion gibt, dann ist ihnen die gleiche Untreue am kategorischen Imperativ vorzuwerfen wie dem Leninismus. Sie verlieren die negative Totalität der falschen Gesellschaft aus dem Auge, wägen ab und fangen an politisch zu denken. Sie vergleichen Religionen als in sich geschlossene Subsysteme – klassisch-idealistisch auf der Basis ihrer Schriften (!) – miteinander oder halluzinieren sich den Gegensouverän als autonome Bedrohung, gegen die es sich abzuschotten gilt, anstatt diese als jeweils verschiedene Ausdrücke des Verhältnisses von Staat und Kapital zu begreifen. Weil sie die Totalität nicht mehr denken, können sie auch nicht mehr nach ihrer Umwerfung und Abschaffung streben. Wer wüsste besser als ihr, dass Antideutsche oder Ideologiekritikerinnen dies tun. Die folgerichtige Konsequenz daraus wäre, dass man Antideutsche als ebenso gescheiterte historische Erscheinungen ansieht wie Leninisten.

Doch wir müssen euch zustimmen, wenn ihr nun argumentiert, dass das eben dargestellte keine „antideutsche Kritik“ sein kann, sondern nur die Theorieproduktion von Leuten, die sich das Label geben und wir müssen euch auch weiter zustimmen, wenn ihr uns darauf aufmerksam macht, dass die spezifischen historischen Bedingungen der antideutschen Kritik – die Zeit nach der Nachkriegszeit – weiter existieren und die „antideutsche Kritik“ der einzige Anknüpfungspunkt für deren Kritik ist, den wir im Moment haben. Waren wir uns zunächst sicher, dass wir euch euer Festhalten an diesem Label als identitären Kitsch kritisieren müssen (und das obwohl wir in der Sache kaum widersprechen können), so müssen wir uns nun die Frage stellen, ob nicht das Bedürfnis der Absage an dem und der Historisierung des Begriffs das größere identitäre Bedürfnis ist. Womit wir wieder am Anfang wären: Wir müssen uns eingestehen, dass wir mit dem was ihr bisher versucht habt als „antideutsche Kritik“ zu umreißen mehr anfangen können, als uns selbst lieb ist.

In diesem Sinne verbleiben wir fürs erste mit Skepsis und Zustimmung,
gezeichnet:
einige Kommunistinnen in der Identitätskrise.

Antitresen #1: Was heißt antideutsch heute?

Kneipen-Abend von Solarium – kommunistische Gruppe Bremen
& Vorstellung & Lesung aus DISTANZ MAGAZIN #5.

Antideutsches Denken, sofern dieser Denkstil sich überhaupt fassen lässt, einst mit dem richtigen Anspruch angetreten, mit israelbezogenem Antisemitismus, regressiver Kapitalismuskritik und ahistorischem Marxverständnis von Traditions- und Bewegungslinken zu brechen, war mit einer Kampfansage an Deutsche Ideologie verbunden. Es scheint heute jedoch nur noch zu einer blanken Verteidigung der Wertakkumulation fähig zu sein. Die Rede von der ›Aufklärung‹, den ›westlichen Werten‹ und der ›Zivilisation‹, die man doch gegen allerlei postmoderne Zivilisationsmüdigkeit hoch zu halten gewillt ist, erweckt den Eindruck bloßen Jargons und muss das Existenzialurteil kritischer Theorie, nämlich, dass man es mit einer falsch eingerichteten Gesellschaft zu tun hat, zusehends stärker ausblenden. Statt dessen nimmt man die Spiegelfechterei um Links- und Rechtsantideutsche als Identitätsangebot dankend auf und ist längst so deutsch, dass man sich zur Apologie der AfD und der Nation hinreißen lässt. Das Kapitalverhältnis kann man vor lauter Koran-Exegese nicht mehr erkennen, sondern lässt sich lieber von den Verhältnissen traditionslinker Provenienz dumm machen. In Anlehnung an den programmatischen Text Stephan Grigats von 2007 fragt das Distanz-Magazin deshalb: Was ist antideutsch heute?

Zusammen mit der Redaktion des Distanz Magazins, haben wir die Redaktion Antideutsch.org und Mitglieder der Gruppe zwischen Tür und Angel eingeladen, die jeweils ihre Texte vorstellen.

Redaktion Antideutsch.org:
Antideutsch, das ist die Notwendigkeit die kommunistische Kritik nach dem Ende der Nachkriegszeit unter einer veränderten Weltlage erneut zu formulieren. Das Wörtchen „antideutsch“ betont die besondere destruktive Aufgabe einer kommunistischen Kritik, all die zur Farce geronnen Devotionalien der linken Tragödien wegzuschaffen und in aller Radikalität auf den kategorischen Imperativ Marxens zu beharren und dabei zu keiner Zeit die drohende deutsche vulgo negative Aufhebung des Elends aus den Augen zu verlieren.

Gruppe zwischen Tür und Angel:
Um zu unterscheiden, wann die Wahl zwischen schlechten Alternativen zurückzuweisen ist und wann die Zurückweisung der Alternativen ihrerseits auf schlechte Äquidistanz hinausläuft und dann eben doch Parteilichkeit angebracht wäre, ist politische Urteilskraft gefragt. »Dialektisch zugleich und undialektisch«91 – diese ihrerseits zur Floskel gewordene Anforderung an die Kritik ist auf eine solche Urteilskraft stets angewiesen. Sie gebietet die Solidarität mit Israel als dem größten anti-antisemitischen Projekt, das es jemals gab.

Anschließend an die Diskussion möchten wir auch noch einladen bei uns auf einige Getränke zu verweilen und laden recht herzlich zu einem – auch außerhalb des Themas liegenden – Austausch ein.

Wir behalten uns das Recht vor autoritären Charakteren jeglicher Art den Eintritt zu verwehren.

Audiomitschnitt Florian Ruttner & Distanz Magazin Thesenpapier

Ein Audiomitschnitt unserer Veranstaltungen mit Florian Ruttner ist nun online. Hier kann er angehört werden. Desweiteren möchten wir euch noch darauf aufmerksam machen, dass das Distanz Magazin #5 mit einem Thesenpapier von uns erschienen ist. Das findet ihr hier:

„In Zeiten, in denen Bekenntnisse via Profilbild, Jutebeutel, Taz-Kolumne oder Facebookkommentar das Denken und Handeln weitgehend ersetzt haben, kann es nicht schaden, noch einmal daran zu erinnern, was es mit der antideutschen Kritik einst auf sich hatte. Was nach dem Zerfall der meisten antideutschen Politprojekte in unzählbare, sich unterschiedlichen politischen Spektren anbiedernde und dabei selbst vermarktende, Individuen noch von der Synthese vorhanden ist, die das Label einst zu leisten vermochte. Und zu fragen, was irgendwo hinter Szenecodes, Jargon und politischen Bedürfnissen eigentlich noch stecken könnte.“

Kapital, Staat, ihre Fetische und dieses deutsche Scheiszland.

Im folgenden möchten wir die überarbeitete Version eines internen Diskussionspapier mit Skizzenhaften Überlegungen für einen antideutschen Materialismus veröffentlichen, um die analytische Grundlage unserer bisher veröffentlichten Flugblätter offen darlegen zu können. Es geht uns darum um nichts weniger, als um den Versuch die Basis der vom antideutschen Materialismus ausgehende kommunistische Kritik der Welt aufzuzeigen. Dabei geht es uns allerdings nicht um besserwisserische Arroganz – die überlassen wir dem GegenStandPunkt und dem lokalen Ableger Argu.Diss – sondern um den Anstoß einer (nicht nur) in Bremen notwendigen Diskussion über linksradikale Gesellschaftskritik, die sich weder darin begnügt die Farce zu vergangenen linken Tragödien zu sein, noch – bewusst oder unbewusst – Erfüllungsgehilfin politischer Parteien zu werden. Die im folgenden skizzierten Begriffe erachten wir als Basis dieser Kritik.

Weil wir das nun folgende bereits als Flugblatt zugespitzt haben und weil es eigentlich um etwas anderes geht, sind die Verweise auf den Aufruf von NIKA Nordwest für die Demonstration gegen Thilo Sarrazin in Bremen bewusst implizit gehalten. Der bewusste Bezug zum Aufruf soll dennoch nicht verdrängt werden und hier nochmal vorangestellt werden. Die im Flugblatt geäußerte Kritik soll an dieser Stelle viel mehr als pars pro toto für eine kritisierenswerte Lage linker Kritik genommen werden.1 Des Weiteren sei bereits vorab angemerkt, dass das nun folgende keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann und will, sondern lediglich versucht ein wenig Grundsätzliches über einen antideutschen Materialismus zu sagen, der die Basis unserer Kritik an einer viel zu wenig radikalen Linken ist.

Das Kapital:

Anders als die antikommunistischen Marxisten es raunen, ist das Kapital kein Kreis von Personen, der in irgendwelchen Räumen über die Welt herrscht. Der von Marx erkannte Widerspruch von Kapital und Arbeit, der vom Marxismus erst zum Grundwiderspruch aufgeblasen wurde, um dann personifiziert zu werden, ist nicht die wesentliche Bestimmung des Kapitalismus. Jene wäre erst, mit einem Begriff von einer Vergesellschaftung, in der das Kapitalverhältnis zum totalen System geworden ist, also eine alles Denken und Handeln bestimmende Totalität erreicht hat, zu haben. Doch wie drückt sich diese Totalität aus, wie lässt sie sich auf den erforderlichen Begriff bringen?

Wer in Marx einen Theoretiker des Kapitals – und darin unterscheiden sich die meisten seiner Anhänger nicht voneinander, egal ob sie früher Sozialdemokraten, Stalinisten, Trotzkisten oder neuerdings Autonome und Antinationale sind – sehen möchte, der erwartet implizit das Begreifen und vernünftige Darstellen einer absolut unbegreiflichen und unvernünftigen Angelegenheit.2 Polemisch gesagt: Wenn es Marx nur darum gegangen wäre, das Wesen der Totalität theoretisch darzustellen, anstatt es als Unwesen zu denunzieren, dann hätte er lediglich Hegel interpretieren und keine Kritik der politischen Ökonomie schreiben müssen. Wenn er eine Theorie des Kapitals zu schreiben versucht hätte, dann hätte er dadurch in das Kapitalverhältnis eine Vernunft hineingelegt. Er wäre Linkshegelianer geblieben, anstatt den Versuch zu unternehmen, Hegel vom Kopf auf die Füße zu stellen und der idealistischen Theorie eine materialistische Kritik entgegenzustellen.

Wenn Jahrzehnte später nun Adorno unter dem Eindruck der Shoah und im Anschluss an Marx davon sprach, dass das Ganze das Unwahre und das Wesen des Kapitals ein Unwesen sei, dann sind das weit mehr als bloße akademische Spielereien mit hegelscher Dialektik, sondern es ist Ideologiekritik par excellence und damit notwendiger Anknüpfungspunkt für jede linksradikale Gesellschaftskritik. Hegel brachte, als Metaphysiker des Tausches, wie kein zweiter die Art und Weise, in der sich die bürgerliche Gesellschaft konstituiert, zu einem Bewusstsein. Welches, – und das meint der Ideologiebegriff – für den Erhalt dieser Gesellschaft zwar notwendig, auf Grund seiner Affirmation der Spaltung der Gattung in Herrschende und Beherrschte, allerdings grundsätzlich falsch ist.

Es kann aber auch nicht richtig sein, da die einzige Wahrheit über das paradoxe Verhältnis des Werts, welches den Einschluss aller durch alle im Ausschluss aller durch alle erreicht, dessen Abschaffung wäre. Das heißt, dass die gesellschaftliche Synthese, die das Kapitalverhältnis stiftet, alle ausschließt, weil es die Individuen zu Arbeitskraftbehältern und die sinnlichen Dinge zu Waren atomisiert und zugleich alle einschließt, in dem alles auf den Wert bezogen und dadurch miteinander austauschbar (und damit vergleichbar) wird. Der Mensch wird im sozialen Verhältnis des Wertes als bloßer Arbeitskraftbehälter sowohl vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen, als auch als Verkäufer der Ware Arbeitskraft im Marktzusammenhang eingeschlossen.

Jede Theorietisierung dieses real-existierenden völligen Widersinns eines automatischen Subjekts des Kapitals, eines sich selbstverwertenden Wertes, eine ewig voranschreitende Prozession von Geld – Ware – mehr Geld, wäre eine Rationalisierung und damit Legitimierung der Herrschaft des Menschen über den Menschen, deren Abschaffung gerade das Ziel der kommunistischen Kritik ist. Der polemische Gehalt des marxschen Begriffs vom automatischen Subjekt liegt gerade in seiner paradoxen und theologischen Dimension: zum einen ist etwas entweder automatisch oder es ist Subjekt, zum anderen ist die Selbstverwertung des Wertes ein Zirkelschluss und deshalb logisch nicht korrekt und doch ökonomische Realität auf die jede ökonomische Theorie aufbaut.3 In gewisser Weise existiert im Kapitalismus mit dem Wert ein, sich jeder Rationalität entziehendes, göttliches Moment, dass dennoch vom Menschen geschaffen wurde.4

Die allgemeine Gültigkeit erhält dieses abstrakte Wertverhältnis durch seine sinnliche Form: das Geld. Dessen Rätsel – und die Denker der politischen Ökonomie haben bis heute keine Antwort darauf gefunden5 – liegt in seiner zugleich objektiven Gültigkeit als abstraktes Wesen des Werts und in seinem subjektiven Charakter als konkrete Erscheinung in der Geldware. Hier ist zum Einen auf die Unbegreiflichkeit zu verweisen, die in diesem logischen Paradox liegt und zum Anderen auf die weitgehenden Folgen für eine Gesellschaft, in der dieses Paradox zur bestimmenden Synthese – zum Ausschluss aller durch den Einschluss aller – werden konnte.6

Der Staat:

Wenn man wie Marx, über die Bedeutung des Geldes für das Kapitalverhältnis nachdachte und dabei eine britische Pound Sterling Münze in die Hand nimmt – was der gute Karl nach jedem Besuch seines Finanziers Engels tun musste, um seine Familie ernähren zu können – wird deutlich, dass auf der einen Seite der Wert in einer Zahl ausgedrückt wird, während sich auf der anderen Seite der Kopf des Souveräns befindet. Kurzum: es wird deutlich, dass der Staat nicht unbeteiligt an dieser Form der Vergesellschaftung sein kann. Es verwundert demnach nicht weiter, dass Marx nach dem Manifest der kommunistischen Partei und in den Arbeiten zur Kritik der politischen Ökonomie Abstand nahm von der Idee des Staates als Hebel zur Errichtung der befreiten Gesellschaft. Es bezeugt darüber hinaus den konterrevolutionären Charakter aller Erscheinungen des Marxismus-Leninismus und sonstigen sozialdemokratischen Elendsverwaltungsbestrebungen, dass Lenins Buch Staat und Revolution und nicht Staat ODER Revolution hieß. Doch was genau hat der Staat mit dem Kapitalverhältnis zu schaffen?

Wie bereits angedeutet ist das Kapitalverhältnis ein Verhältnis, in dem das Tauschverhältnis eine allgemeine Gültigkeit erlangt. Erst dadurch, dass Waren aufeinander im Tausch bezogen – also: verglichen – werden, entsteht Wert, Ware, Geld und Kapital. Eine Voraussetzung des Tausches ist, dass sich die Tauschenden als Freie und Gleiche gegenübertreten – denn wenn ich etwas einfach so nehmen kann, dann werde ich nicht dafür bezahlen. Diese Freiheit und Gleichheit wird garantiert durch die Vereinigung in Brüderlichkeit im Nationalstaat, der – mit den legitimatorischen Weihen seiner Staatsbürger gesegnet – die Freiheit und Gleichheit (und somit den Tausch) rechtlich garantiert, was auch heißt, dass er Rechtsübertritte ahndet. Dazu darf er nicht nur – als einziger – Gewalt einsetzen (Stichwort Gewaltmonopol), mehr noch: er definiert überhaupt erst was Gewalt ist.

Es ist mittlerweile unter kritischen Historikern nicht unüblich, sich die Entstehung von Staatlichkeit als das Agieren einer Mafiabande vorzustellen und es ist auch für unsere Belange hilfreich, sich den Prozess der ursprünglichen Zentralisation7 – die Entstehung einer Staatlichkeit – unter Berücksichtigung dieses Bildes zu vergegenwärtigen. Betrachten wir also exemplarisch Feudalherren, deren herrschaftliche Sitze nur unweit von einander entfernt liegen und die sich im permanenten Zwist um die zwischen ihnen befindlichen Ländereien befinden. Je länger der Zwist andauert, desto mehr Geld – welches sie von den Bauern, die ihre Ländereien bewirtschaften erhalten – brauchen beide, um ihr Söldnerheer finanzieren zu können. In gewisser Weise besteuern sie die Bauern, damit das funktioniert, müssen sie wiederum alle Gewalt – außer die eigene – von den Bauern fern halten, kurzum: sie verlangen Schutzgeld. Zum Eintreiben dieses Schutzgeldes benötigen sie Bürokraten, zur Aufrechterhaltung des Schutzes benötigen sie ein permanentes und stehendes Heer und so weiter. Langfristig setzt sich einer der beiden durch – oder sie kooperieren, das Gebiet vergrößert sich und damit notwendigerweise der Staatsapparat und das stehende Heer. Am Ende entsteht aus diversen ehemaligen Provinzen ein vereinigtes Königreich.

Das ist die – stark vereinfacht dargestellte – feudale Form von Staatlichkeit, in der die Herrschaft noch unmittelbar durch Gewalt ausgeübt wird und in der die Reichtümer vor allem den Gelüsten der Herrscher dienen. In der Epoche des Merkantilismus gewinnt das kaufmännische Bürgertum immer mehr ökonomische Macht, durch die sie Kompromisse mit der Feudalherrschaft eingehen und Privilegien erlangen können.8 Marx spricht davon, dass die Feudalherrschaft ihre eigenen Totengräber hervorbringt und verweist auf den Moment, in dem sich das Bürgertum gegen die Feudalherrschaft auflehnt und mit der Parole Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sich die Welt nach ihren – auf Tausch basierenden – Vorstellungen einrichtet. Dabei wird jedoch nicht gänzlich mit der Herrschaft des Feudalismus gebrochen und Gewalt nicht einfach durch Recht ersetzt, wie es Liberale bis heute behaupten. Die Herrschaft wird durch das Recht vermittelt und Gewalt wird zur ersten Bedingung und letzten Garantie des Rechts.

Wie alle Waren durch den Wert aufeinander bezogen sind, so sind es die Menschen – die einzig als Träger der Ware Arbeitskraft relevant sind – im Recht durch den Souverän aufeinander. Denn nur, wer über seine Ware Arbeitskraft verfügt, kann diese zu Markte tragen. Erst als Staatsbürger sind sie rechtliche geschützte Subjekte.9 Dieses Rechtssubjekt ist das Ideal des allgemeinen Menschen, der von allen empirischen Besonderheiten und natürlichen Beschränkungen abstrahiert wird. Das heißt, dass der abstrakte Begriff des Menschen dem konkreten Menschen gegenübersteht. Verkörperung dieses abstrakten Bildes vom Menschen ist der Souverän,10 der mit seinem Gewaltmonopol diesen Zustand des Rechts erst ermöglichen kann.

Zwei Sachen, die an dieser Stelle leider ausfallen müssen, aber von Relevanz sind: Erstens muss erwähnt werden, dass der Staat nicht allein existiert, sondern im permanenten Kriegszustand gegenüber anderen Staaten, die – trotz temporärer Kollaboration – in einem Konkurrenzverhältnis zu einander stehen. Zweitens muss angemerkt werden, dass in der Idee der Nation Staat und Souveränität ideologisiert – gewissermaßen erfahrbar gemacht – werden, in dem der bloßen Abstraktion ein mythisches Leben eingehaucht wird. Der erste Weltkrieg ist – wie nicht zuletzt Rosa Luxemburg analysierte – die ebenso brutale wie logische Konsequenz von Staatlichkeit.

Die Subjekte I:

Dass die Waren sich nicht selbst zu Markte tragen können, wie Marx anmerkte, heißt – wenn man an die weiter oben angeschnittene Zentralität der Warenform für die gesamte Vergesellschaftung denkt –, dass der Mensch für Marx das Subjekt der Geschichte ist und bleibt. Das heißt, dass das automatische Subjekt seine Existenz allein der Handlung von nicht-automatischen, ergo menschlichen, Subjekten verdankt; dass die Realabstraktion Staat nur vermittels Subjekten – seien sie Polizisten, Politiker oder Soldaten – erscheinen kann. Wenn Marx allerdings sagt, dass sich die Geschichte scheinbar hinter dem Rücken der Subjekte vollziehen würde,11 spricht er damit das – schon vorher erwähnte – notwendig falsche Bewusstsein der Subjekte an. Er erklärt, dass sie – ohne es zu merken – zu Charaktermasken12 werden und attestiert ihnen einen fetischisierten Alltagsglauben.

Ihre Fetische:

Der Begriff des Fetischcharakters der bürgerlichen Gesellschaft wird von Marx im ersten Band des Kapitals entwickelt. Als solcher ist der aus der aufgeklärten und bürgerlichen Religionswissenschaft stammende Begriff13 zu tiefst polemisch. Als Fetisch gilt der Glaube von sogenannten primitiven Religionen, die in einem Gegenstand – zum Beispiel in einem bunt angemalten Stück Holz – magische Fähigkeiten behaupten. Im Bewusstsein des Verhältnisses von Mythos und Aufklärung, über das Adorno und Horkheimer später ein ganzes Buch14 schreiben sollten, attestiert Marx der aufgeklärten Gesellschaft des Bürgertums einen Okkultismus, der dem der primitiven Völker in Nichts nachsteht. Ein Wuppertaler Foucaultianer brachte diese aufgeklärte Form des mythischen Glaubens auf ein Bild, dessen Tragweite er mit seiner Ablehnung einer negativen Dialektik15 eventuell selbst nicht verstehen kann: „Und wie der erste Mensch vor Blitz und Donner stand, steht der moderne Mensch vorm Kontostand und bangt um seine Existenz. Ängstlich wie er immer war, murmelt er Beschwörungsformeln. Der Glaube ging, die schnöden Sorgen um das Übermorgen blieben.“16

Ohne allzu genau auf die einzelnen Fetische eingehen zu können, seien die für unsere Beobachtungen Wichtigsten an dieser Stelle noch einmal kurz angerissen. Als Warenfetisch versteht Marx die okkulte Annahme, dass jeder Gegenstand schon qua Natur eine Ware sei und damit ein Wert in ihm – also zum Beispiel in einem Tisch – selbst enthalten und nicht erst Ergebnis des gesellschaftlichen Tauschverhältnisses sei. Diese Fetischisierung ist gleichbedeutend mit einer Enthistorisierung des Kapitalverhältnisses, das nicht mehr als bestimmte aktuelle Form von Vergesellschaftung erscheint, sondern als stets allgegenwärtige: Wenn alle Dinge immer Waren mit Wert sind, dann ist das sie umgebende Verhältnis immer das Tauschverhältnis. Analog dazu der Staatsfetisch und der Rechtsfetisch, die einen Menschen qua Natur als Rechtssubjekt sehen (Stichwort: Menschenrechte oder Naturrechte) und somit die gesellschaftlichen Verhältnisse, die diesen Zustand erst hervorbringen, zu einer zweiten Natur werden lassen.17

Die Subjekte II:

In der von Staat, Kapital und ihren Fetischen bestimmten, bürgerlichen Gesellschaft kann der konkrete empirische Mensch – sofern er das Glück hat, ein Staatsbürger zu sein und nicht ohne Papiere im Mittelmeer ertrinken muss – nur in der Subjektform überleben.18 In dieser ist die Individualität zum Accessoire der Persönlichkeit degradiert.19 Sein Denken ist in die Warenform gebannt, die „erkenntnistheoretisch von der Philosophie und triebökonomisch von der Psychologie verdoppelt und rationalisiert wird.“20 Das Individuum steht also nicht im von Soziologie und Feuileton behaupteten Gegensatz zur Gesellschaft, sondern die Gesellschaft hat sich ins Innerste des Individuums eingebrannt. Zum Subjekt wird das Individuum, wenn es in der Lage ist, sich selbst als Eigentümer der Ware Arbeitskraft zu denken, seine eigenen Triebe so zu beherrschen, um zur gesellschaftlichen Produktion beitragen zu können – letzteres hat allerdings mehr mit Glück als Verstand zu tun.21 Kurzum: Subjektform, das heißt – nach einem Worte von Joachim Bruhn – „Kapital verwertend und Staatsloyal“22 zu sein, sprich: „Subjektform ist die Uniform“.23

Das Subjekt ist, wovon es in seinem fetischisierten Bewusstsein nur eine Ahnung (als Existenzangst) entwickeln kann, vollauf prekär. Permanent droht die eigene Wertlosigkeit und damit der Verlust der Subjektivität: „Derart ist das bürgerliche Subjekt verfasst, dass es Identität nicht aus sich selbst erzeugen kann, sondern nur im Prozess einer ständigen Abgrenzung, eines permanenten Zweifrontenkrieges gegen das ‚unwerte‘ und gegen das ‚überwertige‘ Leben. Bürgerliche Subjektivität existiert nur in der vollkommenen Leere der permanenten Vermittlung, die sie zwischen den Waren, im Tausch, und um den Preis der ihr andernfalls drohenden Annihilation zu stiften hat.“24 Die erste Front ist eine Abspaltung und Projektion, der eigenen – sich der Verwertung und Verrechtlichung entziehenden – triebhaften Naturbeschaffenheit, auf einen rassifizierten Menschen beziehungsweise Gruppe von Menschen, dem beziehungsweise denen man den Subjektstatus verweigern muss, um sich selbst als Subjekt wähnen zu können.25 Die Ambivalenzen zwischen Romantisierung der edlen Wilden und dem Streben nach ihrer totaler Beherrschung folgen der dialektischen Logik des Wertes.

Antisemitismus und Antizionismus:

In der zweiten Front werden pathisch die eigenen Sehnsüchte auf die „Gegenrasse als solche“ projiziert. Er ist das mörderische Streben des Bürgertums sich selbst zu rassifizieren, die eigene Subjektivität durch Aneignung des angeblich geheimen Wissens der Juden zu erlangen. Diese Abspaltung findet allerdings zweifach statt: ökonomisch im Antisemitismus und politisch im Antizionismus – das Eine bedingt das Andere so sehr, wie sich Staat und Kapital gegenseitig bedingen.

Dem Antisemiten erscheint das Kapitalverhältnis als Gegenüberstellung von Produktions- und Zirkulationssphäre, wobei die Produktion als „schaffend“ und die Zirkulation als „raffend“ gedacht werden. Dass die Warenproduktion nicht nur ohne die Zirkulation – also den Kauf- und Verkauf von Waren zum Zweck des Profites – nicht kann, sondern selbst bereits die Zirkulation – den Kauf der Produktionsmittel, ihre Aufwertung durch die gekaufte Ware Arbeitskraft und ihren Weiterverkauf – in sich enthält, kann das fetischisierte Bewusstsein, dass die Wertsteigerung auf magische Weise im Gegenstand selbst vermutet, nicht begreifen. Die Trennung und die Abspaltung stabilisiert das System, ist es doch so möglich, die Produktivität des Kapitalverhältnisses gegen seine ihm innewohnende Destruktivität auszuspielen. In Krisenzeiten der Verwertung erfüllt das Pogrom die Funktion des ritualisierten Opfers an die Gottheit des automatischen Subjekts – von der triebökonomischen Funktion ganz zu schweigen. Der Antizionist wiederum trennt die sich gegenseitig Bedingenden Recht und Gewalt, während er letzteres dem vermeintlich künstlich gesetzten jüdischen Staat zuschlägt, um den eigenen Staat als natürlich gewachsene Entität des Rechts halluzinieren zu können. Die Funktion ist in gewissem Maße analog zum Antisemitismus. Die Fetischisierung des Rechts verdrängt die Gewalt, deren Existenz jedoch unwiderlegbar ist, die einem anderen Subjekt mit finsteren Absichten zugeschoben werden muss.

Bei beiden ist der Neid auf das vermeintlich geheime Wissen der Juden und ihrem Staat nicht von der Hand zu weisen, ist das ihnen Unterstellte doch das eigene Verlangen: Verwertung und Herrschaft. Antisemitismus und Antizionismus sind die negative Ökonomie- und Staatskritik in den Formen des fetischisierten Bewusstseins. Beide sind somit gerade nicht Ausdruck einer Archaik oder Feudalität – im Falle des Irans Beleg seines irgendwie vormodernen Daseins – sondern im Gegenteil Ausdruck der bürgerlichen Moderne. Weder Bildungsarbeit noch Politik können irgendetwas gegen sie ausrichten, sind sie doch keine Unwissenheit, sondern logische Konsequenz der bürgerlichen Subjektivität, auf der jede Vorstellung von Politik notwendigerweise beruht.

Eine Kritik an Staat und Kapital, die ihren negativen und fetischisierten Konterpart nicht wahrnimmt, scheitert am eigenen Anspruch. Die Solidarität mit dem Staat Israel, als einzig möglicher Antwort auf den antisemitischen Vernichtungswahn der verstaatlichten Subjekte, steht somit nicht in Widerspruch zur Kritik an Staatlichkeit, sondern ist deren Bedingung. Wenn an den Juden die Übel der Moderne ausagiert werden sollen, dann ist es schlicht und ergreifend fahrlässig und konterrevolutionär, ihnen die Selbstverteidigung – in der einzig ihnen zu Verfügung stehenden Form des Staates – abzusprechen. Wenn der Kommunismus die Befreiung der Menschheit sein soll, dann kann diese nicht mit dem Preis des stets drohenden antisemitischen Mordes errichtet werden.

Dieses deutsche Scheiszland:

Folgt man dem bisher Dargelegten zustimmend, dann bleibt den lesenden Individuen nichts anderes übrig, als sich als antinational, israelsolidarisch und kommunistisch zu verstehen. Das heißt – um es herunter zu brechen – sich kritisch gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft und all der gescheiterten linken Versuche, diese zu überwinden, zu verhalten und darauf zu pochen, dass die staatenlose nicht ohne die klassenlose und die klassenlose nicht ohne die staatenlose Gesellschaft zu machen ist und dass Staat und Kapital sich nicht auf einzelne Personen herunter brechen lassen, sondern ihre Macht als Realabstraktion aus dem notwendigen und falschen Bewusstsein der gesamten Gesellschaft ziehen.26 So radikal diese Haltung – würde sie in letzter Konsequenz durchgezogen – auch gegenüber der gegenwärtigen Linken wäre, so sehr lässt sie doch außer Acht, dass die Lügen von Staat und Kapital beinahe auf mörderische Weise wahr gemacht worden wären und es, neben diversen von den Opfern des Nationalsozialismus gebildeten bewaffneten Widerstandsgruppen, allen voran den Staaten der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs zu verdanken ist, dass dem nicht geschah. Ebenso wird außer Acht gelassen, dass dieses Unterfangen nicht zufällig von einem bestimmten Staat ausging: Deutschland.

Richard Wagners affirmative Emphase, dass es deutsch sei, eine Sache um ihrer selbst Willen zu tun, bekommt ihre historische Wahrheit in der antisemitischen Vernichtung um der Vernichtung Willen. Ihren materialistischen Gehalt erhält sie durch den Verweis auf Adornos Rede, dass ein Deutscher jemand sei, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie selbst zu glauben.27 Das heißt – in aller Kürze –, dass die Unwahrheiten der bürgerlichen Gesellschaft im Nationalsozialismus auf brutalste Art und Weise beinahe wahr gemacht worden wären, wie die bloß über den Wert vermittelte vermeintliche Egalität der Klassengesellschaft zur Auflösung des Klassenwiderspruchs in der Egalität des Mordkollektivs wurde; wie der Traum von der krisenfreien Ökonomie in der kriegerischen Konsumgemeinschaft realisiert werden sollte.28 Das Erbe dieser Gemeinschaft lebt fort im postnazistischen Sozialpakt, in der Unterstützung antisemitischer Mörderbanden, dem Aufschwingen zur moralischen Weltmacht und in der stetigen Möglichkeit, sich im Angesicht der Krise erneut auf die altvertraute – beinahe erfolgreiche – Krisenlösung zu besinnen.

Auf diesen Unterschied zwischen den Staaten – und Deutschland ist in diesem ideologiekritischen Sinne nicht der einzige, aber der erste deutsche Staat – zu bestehen, heißt sich der Bedingung der Möglichkeit der eigenen Kritik bewusst zu sein.29 Gerhard Scheit fasste treffend zusammen, dass Staat und Kapital zwar die Bedingungen der Möglichkeit der Katastrophe seien, aber selbst noch nicht die Katastrophe. Anders als es aktuell häufig versucht wird, lässt sich das Antideutsche nicht gegen das Kommunistische ausspielen, denn das Bejahen der bürgerlichen Gesellschaft ist die Akzeptanz der Bedingung der Möglichkeit ihres eigenen Umschlags in Barbarei; denn das Beharren auf kommunistischen Idealen und Prinzipien im Angesichts der mörderischen Vernichtungsdrohung staatsgewordener deutscher Ideologie ist schlicht und ergreifend zynisch. Um es in eine Parole zu fassen: Nieder mit Deutschland heißt Solidarität mit Israel und für den Kommunismus.

Die Subjekte III:

Alles was bisher über Subjektivität gesagt wurde, gilt natürlich auch für den deutschen Staat, der nur durch seine Staatsbürger überhaupt sein kann und der sich eben nicht bloß durch Wirtschaftsbosse und Politfunktionäre ausdrückt, sondern in dem jeder einzelne Staatsbürger in eine entsprechende Charaktermaske schlüpft. Das Ausspielen der klassenbewussten Antifa gegen die rassistischen Funktionäre von Staat und Kapital verkennt die gerade in Deutschland (gern) praktizierte Verbindung von Mob und Elite. Verkennt, dass der arbeitslose Faschist in Ostdeutschland mit den Sarrazins, Höckes und den Mitgliedern des Wirtschaftsclubs Havanna in Bremen in einem Verhältnis steht; dass sich die Subjektivität der ersten in Abschiebungen und Bevölkerungspolitik äußern kann, während letztere zum verzweifelten Versuch der Festigung ihrer bürgerlichen Subjektform – und das hat Joachim Bruhn im Fall eines Mörders von Solingen bereits auf dem Konkret Kongress 1993 deutlich dargelegt – einzig und allein der rassistische Mord bleibt.30 Die von buchgläubigen Kommunisten erstrebte Emanzipation der Deutschen zu Menschen, betrifft jeden Staatsbürger auf unterschiedliche Weise, aber doch gleichermaßen. Um eine Parole vom 10ten Dezember aufzugreifen: die Grenze verläuft weder zwischen den Kulturen, noch zwischen klassenbewusster Antifa und Wirtschaftsclub, sie verläuft durch die entfremdeten Subjekte hindurch.31

Dies festzustellen ist nicht gleichbedeutend mit einer Verdrängung der berechtigten Wut auf die Charaktermasken der politischen und ökonomischen Macht oder einer Predigt für den Verzicht auf nonverbale Kommunikation mit autoritären Dreckssäcken – notfalls auch vermittelt über deren Eigentum. Vielmehr ist dies festzustellen, um die Gemeinsamkeiten der rassistischen Formierung im Bewusstsein zu behalten, ohne dabei die einen zum bloßen Fußvolk der Anderen zu machen. Deutscher – und das heißt manifester Antisemit und Rassist – zu sein, ist eine Entscheidung, für die jeder im sartre‘schen Sinne zur Verantwortung zu ziehen ist.

Und ebenso sind Linke zur Verantwortung zu ziehen, die sich nicht in allerletzter Radikalität in eine Fundementalopposition zu diesem widerwärtigen Drecksland begeben und sich ausgerechnet an der Fahne Israels stören. Das Gegenteil von gut ist in der Welt von Kapital, Staat und ihren Fetischen leider, leider, leider gut gemeint.

XOXO,
Solarium – kommunistische Gruppe Bremen.

post scriptum: Zum konkreten Inhalt dieses Textes sind Diskussionsveranstaltungen geplant, außerdem werden wir in den nächsten Monaten versuchen Vorträge zu organisieren, die den im Text artikulierten Ansprüchen an eine Gesellschaftskritik Folge leisten möchten. Dazu bei Zeiten mehr.

1Unser entsprechendes Flugblatt: https://antideutschorg.wordpress.com/2019/12/11/der-staat-bist-du-charaktermasken-abschminken/
2Das zeichnet eine Theorie im strengen Sinne aus, dagegen zielte der Begriff der kritischen Theorie von Max Horkheimer.
3Das hat Marx in seiner Auseinandersetzung mit den ökonomischen Theorien von Adam Smith und David Riccardo erkannt, weswegen er ihnen eben keine alternative ökonomische Theorie entgegen stellte, sondern eine Kritik der politischen Ökonomie.
4Oder auch kantisch: als transzendental Subjekt auf den alle Vernunft bezogen ist.
5Die gesamte Geschichte der Ökonomie als Wissenschaft ist der Streit zwischen der objektiven Wertlehre und der subjektiven Wertlehre, die beide ständig gegeneinander Recht haben und sich doch irren.
6Der Ehrendoktor der Universität Bremen, Alfred Sohn-Rethel, geht dabei so weit , dass er die gesamte Philosophie des Abendlandes seit der Antike als eine versuchte Theoretisierung dieses Geldrätsels versteht – aber dazu bei einer von uns bald geschaffenen Gelegenheit mehr.
7Die notwendig in einem Verhältnis zu der von Marx dargelegten ursprünglichen Akkumulation steht.
8Die Geschichte der Bürgerrrechte der Hansestadt Bremen ist ein Beispiel für die historische Manifestation dieser logisch dargestellten Entwicklung. Wobei selbstverständlich die Komplexität keiner Geschichte – weder die Bremens noch die des britischen Königreiches – nahtlos in dieser linearen Logik aufgeht.
9Die Dialektik einer Aufklärung, die sich in ihr Gegenteil umkehrt, zeigt sich auch im Kolonialismus, durch den als rechts- und staatenlos wahrgenommene Individuen auf brutalste und unmittelbarste Weise ausgebeutet wurden. Der Reiz der nationalen Befreiungsbewegungen für diese Individuen, ob sie sich nun liberal oder sozialistisch artikulierten, liegt in der Verrechtlichung der eigenen Existenz und dem Schutz vor gänzlich irrationaler Willkür.
(Exkurs: Was dieses Moment angeht, so ist nicht nur die Geschichte Vietnams und Kubas, sondern auch die Entwicklung des Realsozialismus im sowjetischen Einflussbereich ein Zeugnis davon, dass der Realsozialismus ein bürgerliches Verstaatlichungsprojekt war, dass sich lediglich im Inhalt – Sozialstaat und Arbeitszwang – von westlichen Nationalstaaten unterschied.)
10Man darf Souverän hier nicht mit den demokratischen Gestalten verwechseln, die temporär in dessen Charaktermaske hineinschlüpfen (und somit selbst auf ein Idealbild von Herrscher bezogen werden). Besonders deutlich wird die Funktion des Souveräns als Verkörperung (der hobbesche Leviathan) dort, wo Person und Funktion zusammengewachsen sind, wie im britischen Königshaus. Die gesamte Fernsehserie the Crown gibt Auskunft darüber, wie wenig Individualität den zur bloßen Charaktermasken degradierten Mitgliedern der Königsfamilie eingestanden werden darf, damit sie ihre Funktion als Idealtyp des Menschen an sich ausüben können. Überhaupt kann in einer Auseinandersetzung mit der britischen Geschichte und den Ritualen der gegenwärtigen Politik viel von einer Souveränität als zu erfüllende Rolle gelernt werden, was in Deutschland im Traum vom Führer und der Projektion auf den amerikanischen Präsidenten verdrängt wird.
11Adorno spricht hier von Ohnmacht.
12Bloßen Funktionsträgern des automatischen Subjekts, hinter denen sich ein empirisches Individuum befindet, dass von sich selbst abstrahieren muss, um funktionieren zu können.
13Wie Marx sehr oft auf Begriffe aus der Theologie und Religionswissenschaft zurückgreift, wenn er versucht die Widersinnigkeit des Kapitals zu fassen.
14Die Dialektik der Aufklärung.
15Wie dieser selbst sagt: „Ich zitier‘ Adorno, doch ich denk nicht dran ihn ernst zu nehmen.“
16Prezident – Menschenpyramiden
17Weil es nicht oft genug gesagt werden kann: eine Linke, die sich auf das Völkerrecht oder die Menschenrechte beruft, ist eine Linke, die in den Formen von Staat und Kapital denkt und damit eine Linke, die ihren einzigen Zweck – die Errichtung der befreiten Gesellschaft – verwirkt hat und damit auf den Müllhaufen (oder Ablagestapel) der Geschichte entsorgt werden kann.
18Der soziale Tod der Subjektlosigkeit ist dabei miteingeschlossen.
19Für alle Kapitalesekreisabsolventen: Das Subjekt verhält sich zum Individuum, wie der Tauschwert zum Gebrauchswert.
20Bruhn, Joachim: „Typisch deutsch“ – Christian R. und der linke Antirassismus, in: Was deutsch ist,Seite 162.
21Der arbeitslose Alkoholiker kann als Deutschrapper über Nacht zum Subjekt werden.
22Bruhn, Joachim: Videomitschnitt vom Konkret Kongress 1993.
23Bruhn, Joachim: Subjektform ist Uniform, auf: https://www.ca-ira.net/verein/positionen-und-texte/bruhn-subjektform-uniform/
24Bruhn, Joachim: Unmesch und Übermensch, in: Was deutsch ist, Seite 96.
25Die vorkoloniale Rassifizierung der britischen Landbevölkerung, die als doppelt freie (frei von besitzt werden und frei von eigenem Besitz) Proletarier zu den Fabriken in die Städte strömte (siehe Malik, Keenan: Multiculturalism and its Discontents) sind ein Beispiel, das diesen materialistischen Begriff von Rassismus gegenüber postmodernen Identitätstheorien deutlich unterscheidet. Aber auch der koloniale Rassismus kann nur im begrifflich hergestellten Bezug der Subjektivität auf Staat und Kapital überhaupt als etwas anderes als bloße Willkür erscheinen.
26Kurzum: sich dem angeblichen Widerspruch zwischen Anarchismus und Marxismus gänzlich zu entziehen.
27Erwähnt sei hier noch Friedrich Engels, der dem deutschen Bürgertum vorwarf, die Mittel – wie den Staat oder den Antisemitismus – der Kapitalakkumulation zum heiligsten Zweck zu verklären.
28Dazu siehe bitte: Scheit, Gerhard: die Meister der Krise.
29Siehe dazu: Redaktion antideutsch.org: Verteidigung der falschen Freiheit, auf: https://antideutschorg.wordpress.com/2019/01/06/verteidigung-der-falschen-freiheit-/ & derselbe: Kann es einen Materialismus geben, der nicht antideutsch ist?, auf: https://antideutschorg.wordpress.com/2018/11/05/wertarbeit/
30Bruhn, Joachim: „Typisch deutsch“ – Christian R. und der linke Antirassismus, in: Was deutsch ist.
31Die Subjekte, die zugleich Individuum wie Charaktermaske sind, sind in sich selbst gespalten.

Was bedeutet: Nie wieder Deutschland?

Anlässlich des 03. Oktobers veröffentlichen wir an dieser Stelle eine ungehaltene Rede von Joachim Bruhn.1

Liebe Linksradikale,
der Zusammenbruch des Staatskapitalismus im Osten und der klägliche Abgang des „neuen Deutschland“ jenseits der Elbe ist, alles in allem genommen, ein abermaliger und glänzender Beweis für die Richtigkeit der alten antiimperialistischen, von Mao-tse-tung stammenden Parole, wonach Staaten Unabhängigkeit wollen und Völker ihre Befreiung. Nun ist es zwar mit der „sozialistischen Nation“ in der DDR nichts geworden und auch der „Staat des ganzen Volkes“, von dem die Marxisten-Leninisten so schwärmten, hat vor seinem Volk kapitulieren müssen – aber die Prognose, die Walter Ulbricht 1954 auf dem IV. Parteitag der SED verkündet hat, hat sich immerhin bestätigt: „Wir sind für die Einheit Deutschlands, weil die Deutschen im Westen unsere Brüder sind! Weil wir unser Vaterland lieben! Weil wir wissen, daß die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands eine unumstößliche, eine historische Gesetzmäßigkeit ist und daß jeder zugrunde gehen wird, der sich diesem Gesetz entgegenzustellen wagt!“ So ist es eben mit der Dialektik – sie geht ihren Verwaltern, den Parteikommunisten, erst über den Verstand und bricht ihnen dann das Kreuz. Und so wollen wir doch, bei aller Polemik gegen den „Anschluß“ und bei aller nur zu gut begründeten Abneigung gegen das im Anmarsch befindliche allerneueste Deutschland, nicht vergessen, daß Deutschlands Linke mitsamt ihrem „sozialistischen Staat“ nicht zuletzt deshalb schlagartig überflüssig geworden ist, weil sie zu den „Siegern der Geschichte“ gehört. Denn was waren die Ereignisse des Oktober 1989 anderes als ein leibhaftiger Volksaufstand, eine spontane Erhebung und veritable Revolution für ganz genau das „Recht auf nationale Selbstbestimmung“, das Deutschlands Linke jahrzehntelang, wenn auch für die Basken und die Palästinenser, eingeklagt hatte? Und was bewiesen die Leipziger Montagsdemonstrationen anderes als die Existenz jenes geheimnisvollen Zusammenhanges von „nationaler und sozialer Befreiung“, den Deutschlands Linke immer nur für Irland und die Westsahara gelten lassen wollte? Und was beweist es schon gegen die Richtigkeit dieser Diagnose, daß Deutschlands Linke, weil sie den irgendwie verdächtigen Völkern, den Tirolern, Schlesiern und so weiter, dies „Recht auf nationale Selbstbestimmung“ kurzerhand absprach, vom drohenden Untergang der Sowjetunion und ihrer bevorstehenden Auflösung in die souveränen Staaten der Georgier und Aserbaidschaner, der Litauer und
bald auch der Ukrainer, gänzlich überrascht wurde und noch immer wie bewußtlos ist?

So drückt die Feststellung, daß die Linke zu den Siegern gehört und darum abdanken kann, ein reales Paradox aus, den Widerspruch nämlich, daß ihr eigenes Dogma und Prinzip derVolkssouveränität, in dessen Namen sie dem bürgerlichen Staat wg. Flick und Konsorten das Recht bestreitet, „uns alle“ zu repräsentieren, auf der ganzen Linie gewonnen hat, während sie jedoch zugleich die reale Betätigung dieser Souveränität und die wirklichen Konsequenzen dieses Rechts auf „nationale Selbstbestimmung“ einigermaßen und ganz zu Recht abscheulich findet. Der Form halber hat die Linke gewonnen und im gleichen Moment wirklich verloren. So muß sie die Konsequenzen einer Entwicklung kritisieren und bekämpfen, deren Prämisse und Prinzip sie doch gleichwohl anzuerkennen gezwungen ist. Das bringt sie natürlich in eine einigermaßen haltlose Lage und in eine ziemlich hoffnungslose Situation, in das Dilemma nämlich, die SchönhuberPartei bekämpfen zu müssen, obwohl sich die Republikaner, wenn auch für Tirol, auf das ganz genau gleiche und identische Recht berufen.

Die schöne Parole „Nie wieder Deutschland“ erweist sich als ziemlich geschmäcklerisch im Munde von Leuten, die kaum eine Gelegenheit verpaßt haben, den „Sieg im Volkskrieg“ zu predigen oder vom „gerechten Kampf“ des kurdischen, persischen oder sonst eines Volkes zu schwärmen. Nichts anderes rächt sich hierin als der völlige Ausfall und die radikale Abwesenheit jener materialistischen Staatskritik, die aus der marxschen Kritik der – immerhin! – politischen Ökonomie zu entwickeln seit „’68“ allemal Zeit genug gewesen wäre. Und nicht zuletzt darin zeigt sich die geistige Subalternität der deutschen Linken im Verhältnis zum Staatskapitalismus und seiner objektiven Ideologie, dem Marxismus-Leninismus, daß sie dessen Machinationen von der „sozialistischen Anwendung des Wertgesetzes und der Ware-Geld-Beziehung“ und gar vom „sozialistischen Staat“ insgeheim anbetete. Sie agiert derart resolut antikapitalistisch, daß sie schon pro-etatistisch denkt, daß sie eine „Diktatur des Proletariats“ als die äußerste und geballte Form des politischen Willens gegen die Anarchie des Marktes setzen möchte, aber damit doch nur die Despotie der Fabrik auf die Gesellschaft ausdehnt. Der Staatskapitalismus im Osten war die bloß halbierte bürgerliche Gesellschaft, die Emanzipation von Fabrik und Kaserne zum gesamtgesellschaftlichen Herrschaftszusammenhang. Darin war er zugleich Staat, der seinem Begriff gerecht wurde, Herrschaft, deren Befehle galten. Und der Begriff des „Staates des ganzen Volkes“ besagt darin nur, daß der sozialistische Staat wie noch jeder Staat bestrebt und gezwungen ist, seine Untertanen zu homogenisieren, sie zum einheitlichen und nur so bearbeitbaren Material seiner Zwecke zu formen.

Der Staat ist ein Produktionsverhältnis, und das Volk ist sein Produkt. Volk ist das Resultat und das Gesamt all jener Praktiken der Zusammenfassung, Verdichtung und Organisation der Einzelnen zum quasi-organischen Zusammenhang, zur zweiten Natur, die der Staat verwaltet. Wer Volk sagt, meint Staat. Wer für die Volkssouveränität eintritt, redet der Zentralisierung des Willens in der Form der Politik das Wort und arbeitet, und sei es im formalen Widerspruch und Widerstand gegen die jeweilige Regierung, an der Transformation der Leute in Volksgenossen.

Man muß es zugeben: Der Zusammenbruch des Staatskapitalismus ist eine Befreiung, eine Befreiung von genau jener Staatsaktion der „sozialistischen Homogenisierung des Volkes zum klassenlosen Arbeitskörper“, von der Nicolae Ceaucescu, der proletarische Kaiser der Rumänen, immer so begeistert war. Aber die bevorstehende Wiedervereinigung vereinigt zugleich die westlichen mit den östlichen Praktiken der Homogenisierung, der Produktion nationaler Identität. Volk kann positiv gar nicht bestimmt werden, niemand, nicht einmal Weizsäcker, kann mit Anspruch auf allgemeine Geltung sagen, was das denn ist: deutsch. Das „Wesen“ der Menschen im Aggregatzustand des Volkes ist nur negativ bestimmbar, in Aggression und Kampf gegen die, die es garantiert nicht sind. Identität, zumal nationale, ist der Tod. Der Staatskapitalismus hat versucht, das Volk im Kampf gegen „den titoistischen Virus, das bürgerliche Gift, den trotzkistischen Krebs“ (Arthur Koestler), nicht zuletzt im Kampf gegen den „wurzellosen Kosmopolitismus“ zu einen und zu erschaffen. So wurde die realsozialistische Variante des Antisemitismus erfunden, der Antizionismus. Wie sagte doch der Ministerpräsident der DDR, Otto Grothewohl: „Der Kosmopolitismus, der gegen die nationale Souveränität der Völker polemisiert und das Nationalbewußtsein als eine überholte und unmoderne Gefühlsduselei abtut, redet einem wurzellosen Weltbürgertum das Wort.“ So hatte sich der sog. „marxistisch-leninistische Begriff der Nation“ glänzend darin bewährt, das Vokabular und die Intentionen des Antisemitismus für das allerneueste Deutschland aufzubewahren. Schon vor der Wiedervereinigung hatte derlei revolutionär sich gebärdender Antizionismus in der westdeutschen Linken sein treues Publikum und seine Zeitungen wie etwa Al Karamah aus Marburg, die sich dem Kampf der „arabischen Völker“ verschrieben hat, druckten die Proklamationen eines „Antizionistischen Komitees der sowjetischen Öffentlichkeit“, das sich mittlerweile als Vorläufer des großrussischen Nationalstalinismus der Gruppe „Pamjat“ enttarnt hat. Nun sind die deutschen Antizionisten nachgezogen: Während ihre Kollegen in Rußland unter der Parole „Zionismus = Rassismus = Faschismus“ am nächsten Pogrom arbeiten, widmet sich die deutsche Fraktion der Polemik gegen „die zionistische Auswanderung aus der Sowjetunion“ als Projekt der „Vertreibung und Vernichtung des palästinensischen Volkes“. Die einen vertreiben – die anderen wollen die Fluchtwege sperren.

Das geistige Erbe des Staatskapitalismus durch eine neue Aufklärung der Linken zu brechen – das scheint mir die wesentliche Intention der schönen Parole „Nie wieder Deutschland“ zu sein. Liest man sie materialistisch, dann besagt sie nichts anderes als die Absage nicht allein an Nationalismus, sondern an Nation nur überhaupt. Um zur Kritik des neuen Deutschland tauglich zu sein, muß sich die Linke von ihrem eigenen Nationalbewußtsein befreien, muß die fixe Idee abtun, am Gedanken der Nation ließe sich zu irgendwie progressiv gemeinten und humanistisch gedachten Zwecken anknüpfen.

Die Linke hat die Nation lange genug bloß interpretiert; es kommt aber darauf an, den Nationalstaat zu revolutionieren und zu liquidieren.

Wir danken der Initiative Sozialistisches Forum aus Freiburg für die Genehmigung zur Wiederveröffentlichung, verweisen Interessierte gerne auf deren üppiges Archiv und legen an dieser Stelle allen noch einmal das Buch von Joachim Bruhn ans Herz.

  • Anmerkungen (im Orginal):

1 Diese Rede sollte namens der ISF im Oktober 1991 auf der „Nie wieder Deutschland“-Demonstration in Frankfurt a.M. gehalten werden. Ein Studentenfunktionär der Linken Liste, der später postmodern mit der Zeitschrift „Die Beute. Politik und Verbrechen“ Aufsehen erregte, untersagte dies jedoch mit Argument, die Rede sei „spalterisch“ – was eben ihr Sinn war, denn von den 20.000 Demonstranten war mindest die Hälfte mit den Nationalwimpeln des „besseren Deutschland“ unterwegs.

Nachruf auf einen Kritiker

„Wenn ich akademisch veranlagt wäre, würde ich in einem meiner nächsten Vorworte schreiben: Bezüglich des Nationalismus verweise ich auf das großartige Buch von Joachim Bruhn, Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation.“ – Johannes Agnioli1

„Adornos Messer bestimmt den Wahrheitsgehalt des Materialismus, indem jede Marxismusdefinition abgeschnitten und verworfen wird, die nicht systematisch den Drei Quellen des Marxismus (so Lenin) verpflichtet ist. Verwerfe also, so der Imperativ, jede akademische „Rekonstruktion“ und jedes Bemühen um einen „authentischen“ Marxismus, die einzig auf die Philosophie des deutschen Idealismus und auf die englische Nationalökonomie rekurriert, den frühen Kommunismus, den Kommunismus des proletarischen Naturrechts dagegen ausschließt und als utopisch, d.h. vorwissenschaftlich verbannt. Denn weder die „freie Assoziation“ noch der „kategorische Imperativ“, weder Begriff noch Sache der Kritik lassen sich aus Hegel oder Smith herleiten, sondern vielmehr aus Babeuf, Buonarotti, Weitling, Dézamy, Bakunin, Fourier, aus eben dem Sozialismus, den der „wissenschaftliche“ des ML als „utopisch“ abtat.“ – Joachim Bruhn2

Wir trauern um den am 28. Februar 2019 verstorbenen Joachim Bruhn.

Auch wenn er ein auf den ersten Blick ein durchaus beschauliches Werk hinterlässt – ein Buch als Autor, drei als Herausgeber – prägte er doch über Jahrzehnte vieles von dem, was wir mit dem Begriff einer „antideutschen Kritik“ in irgendeiner Form assoziieren. Dies lässt sich ohne einen einzigen Vorbehalt bekennen. Das ganze Vorhaben dieser Seite steht in der Tradition seines Denkens.

Egal ob in seiner Kritik des Kapitals – die sich immer dem Theoretisieren verweigerte –; in seiner Staatskritik – die gerade aus der Ablehnung jeder Staatlichkeit die Parteinahme für die zionistische Sache begründen konnte –; seine Kritik des Antisemitismus – ohne diese wäre jede Kritik an Staat und Kapital halbherzig zu nennen ist; seiner Kritik an der Nation – als fetischisiertes Bewusstsein des vom Staates –; oder seiner Kritik an sämtlichen linken Fetischen – die bis zu letzt vehement an der Notwendigkeit einer Revolution festhielt – Joachim Bruhn verweigerte sich jedem Kompromissen mit der Herrschaft und ihren Denkformen.

Stets beharrte er darauf, dass der Materialismus sich erst mit der Abschaffung aller Verhältnisse „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“3 bewahrheiten könnte.

Es bleibt die Aufgabe seiner Freunde und Genossen, sein Denken in Ehren zu halten und fortzuführen. Wir verweisen an dieser Stelle auf die bald erscheinende Neuauflage seines Buches,4 auf seine vom ISF dokumentierten Beiträge,5 und auf zahlreiche Audiomitschnitte seiner Vorträge.6

In stiller Trauer blättern wir ein letztes Mal in der Apotheken Umschau und fordern lautstark die Abschaffung des Todes,

Redaktion antideutsch.org

1Aus Die Zerstörung des Staates mit den Mitteln des Marxismus-Agnolismus. Johannes Agnoli im Gespräch mit Joachim Bruhn in: Sans Phrase, Heft 13, Herbst 2018.

2Aus Joachim Bruhn: Adornos Messer: http://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/Adornos_Messer.pdf

3Aus Karl Marx: Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung: http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_378.htm

4Siehe: https://www.ca-ira.net/verlag/buecher/was-deutsch-ist/

5Siehe: https://www.ca-ira.net/verein/positionen-und-texte/

6Siehe: http://audioarchiv.blogsport.de/tag/joachim-bruhn/

Verteidigung der falschen Freiheit.

Der folgenden Text ist der zweite einer Reihe, die versucht Erfahrungen und Debatten wiederaufzubereiten, die von der Redaktion als zentral für die Entwicklung einer eigenständigen antideutschen Kritik gesehen werden. Dabei können wir nicht beanspruchen, eine fertige Definition dieser Form der Kritik vorzulegen, stattdessen wollen wir in erster Linie zur (erneuten) Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Entstehungsgeschichte anregen.1 Deren zweiter Teil soll von den historischen Erfahrungen und Reflexionen berichten, die im Zweiten Weltkrieg Materialisten veranlassten, für die USA oder Großbritannien ins Kriegsgeschehen einzugreifen und diese in eine historische Konstellation setzen, die als notwendiger Reflexionspunkt antideutscher Kritik gesehen werden muss:

„Vom Anfang des amerikanischen Titanenkampfs an fühlten die Arbeiter Europas instinktmäßig, daß an dem Sternenbanner das Geschick ihrer Klasse hing.“

– Karl Marx2

„Der Hitlerismus ist kein Naturprodukt, der entsteht kraft der angeborenen Schlechtigkeit der Deutschen. Er ist auch kein Zufallsprodukt, das nur aus der übermenschlichen Genialität eines Einzelnen hervorgegangen ist.“

–– Carl Herz3

I – The revolution comes, but it‘s pretty damn German.

Der Pragmatismus gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, welchen Dahlmann als Merkmal der kommunistischen Kritik antideutscher Prägung sah,4 hat eine Tradition innerhalb der materialistischen Kritik. Der Beginn dieser Tradition lässt sich bei Karl Marx und Friedrich Engels finden, in deren Kritik ein Bewusstsein für die Unterschiede zwischen deutscher und anglo-amerikanischer Gesellschaft präsent war. So schrieb Marx in der Einleitung Zur Kritik der deutschen Ideologie: „Das vollendeste Beispiel des modernen Staates ist Nordamerika. Die neueren französischen, englischen und amerikanischen Schriftsteller sprechen sich alle dahin aus, daß der Staat nur um des Privateigentums willen existiere, so daß dies auch in das gewöhnliche Bewußtsein übergegangen ist.“5 Die daraus logische Konsequenz ist für Marx und Engels, die neben Kritikern des Kapitals auch Theoretiker der proletarischen Revolution waren,6 eine (partielle) Parteinahme für die fortschrittlichsten bürgerlichen Kräfte gegen Feudalismus und Reaktion: In den USA sahen sie diese in Abraham Lincoln und seinen Gefolgsleuten.7

Das Behaupten einer linearen Bewegung von Marx bis zur gegenwärtigen antideutschen Kritik wäre alles andere als unproblematisch. Nicht nur ignoriert sie implizit denjenigen Bruch, den Auschwitz für jede kommunistische Kritik bedeuten muss, von dem Marx und Engels – trotz all ihrer Kritik an deutschen Verhältnissen – nichts wissen konnten. Diese Erzählung ignoriert auch, dass zwar rückblickend zu erkennen ist, welche von Marx und Engels analysierten historischen Grundbedingungen die deutsche Staatswerdung 1871 oder deutsche Krisenlösung 1914 vorbereiteten und ermöglichten, es jedoch zu keinem Zeitpunkt unmöglich war, dass sich die Geschichte nicht in anderer Form hätte ereignen können: nämlich als tatsächliche vom Menschen als Gattung gemachte Geschichte, welche mit dem revolutionären Ausbruch aus der Vorgeschichte ihren Anfang nehmen würde. Deutlich wird trotzdem bereits an dieser Stelle eine diesbezügliche Erkenntnis, die für die Ausprägung antideutscher Kritik maßgeblich ist: die Zugehörigkeit zu einer materialistischen Denktradition ist nicht als dogmatische Kontinuität, sondern als Kritik, das heißt als Reflexion auf historische Prozesse, zu betrachten. Das gesamte Werk von Marx und Engels zeugt von dieser stetig erneuerten Reflexion auf die Welt, auch wenn Marxisten genau das meistens überlesen. Insofern soll dieser erste Abschnitt des Textes vor allem daran erinnern, dass die (teilweise aktive) Parteinahme für die bürgerlichen Staaten von Kommunisten und anderen Materialisten aus dem deutschen Herrschaftsgebiet nicht aus heiterem Himmel (aus einer bloßen Laune der Protagonisten oder Verrat der Klasseninteressen heraus) geschah, sondern sich aus der kritischen Reflexion im Sinne des historischen Materialismus selbst ergab.

Bereits 1931 erkannte das Institut für Sozialforschung in Frankfurt unter der Leitung von Max Horkheimer die Notwendigkeit, sich vom Marxismus entfernen zu müssen, um das kritische Denken mit Marx weiterführen zu können. Die Erfahrungen der in Deutschland gescheiterten Revolutionen der Jahre 1918/19 ließen die Mitarbeiter des Instituts am ökonomistischen Modell des Marxismus zweifeln. Während Marxisten seit dem Tode Marx damit begannen, am marx‘schen kategorischen Imperativ zu schleifen und mit der Sowjet Union sich ein Herrschaftsapparat auf den Marxismus berufen konnte, hielten sie umso mehr am kategorischen Imperativ Marx‘ und der Notwendigkeit des Umwerfens aller Verhältnisse fest.8 Die neue inhaltliche Ausrichtung des Instituts nahm die Kultur, die Psychologie des Individuums und den politischen Parlamentarismus als Sphären, innerhalb deren sich die kapitalistischen Verhältnisse fetischisieren, in den Blick. Da die Mitglieder des Instituts die marx‘sche Kritik des Kapitals nicht in Frage stellten, waren sie überzeugt, dass die Gründe für das Ausbleiben der Weltrevolution in dieser Fetischisierung liegen müssen. Als – nicht nur im theoretischen Wortsinne – diesbezüglich wegweisend können die von Fromm geleiteten Studien über Autorität und Familie gelten. In einem Gespräch erinnert sich Leo Löwenthal:

„Und als wir die Resultate bekamen, das war wohl Anfang 1931, da ist uns das Herz in die Hose gefallen. Denn auf der ideologischen Oberfläche waren diese guten Sozialdemokraten und linke Zentrumswähler alle sehr liberal und republikanisch, aber auf einer tieferen, psychologischen Stufe war der größte Teil ganz autoritär, mit Bewunderung für Bismarck und strenge Erziehung […]. Anstatt diese Studie damals weiter zu betreiben, haben wir uns gesagt: Um Gottes willen, was wir hier in Deutschland geschehen? Denn, wenn das schon das psychologische Make-Up der fortgeschrittensten Kreise der deutschen Bevölkerung ist, wo doch dort der Widerstand verankert sein müsste gegen das offenbar unaufhaltbare Anrollen des Nationalsozialismus, dann gibt es hier kein Halten mehr. […] Wir haben also ganz bewusst eine Politik der Emigration getrieben, einige Jahre bevor irgendein Mensch daran gedacht hat.“9

Hinter der frühen Entscheidung für die Emigration steckt die Ahnung, dass in Deutschland eine Entwicklung in Gang gesetzt wurde, die sich von der anderer (kapitalistischer) Staaten entscheidend unterscheiden könnte, nämlich, dass die Fetischisierung und Ideologie hier zu anderen Konsequenzen innerhalb der Krisen des Kapitals – zu anderen Krisenlösungen – führen würden. Dieser damals überlebensnotwendige Pragmatismus10 erkennt in der „bürgerlich-liberalen Gesellschaft und ihren ideologischen Formationen ist durch das Aufblitzen des Anspruchs auf Verfolgung des individuellen Glücks, wie rudimentär auch immer, ein Restbestand an Vernunft, immanent.“11 In der Zeit des Exils verschärfte sich diese, dem Pragmatismus zu Grunde liegende, Erkenntnis immer weiter. Dabei lauerte natürlich auch die Gefahr der Affirmation dieser Verhältnisse. Doch, so erklärt Stuart Jeffries in seiner Biographie der Frankfurter Schule, „they couldn‘t help comparing the Third Reich to that other oppressive empire on their doorsteps, Hollywood. […] It was Hollywood‘s values, as much as Hitler‘s, that the Frankfurt School challanged in their Californian Exile. But isn‘t it ludicrous to compare the Third Reich to Hollywood?“12

Die Unterscheidung zwischen Vergleich und Gleichsetzung ist hier entscheidend. Nur der Vergleich von Nationalsozialismus und amerikanischer Kulturindustrie ermöglicht die Erkenntnis, dass auf der einen Seite „wie entstellt und instrumentalisiert auch immer, das aufklärerische Versprechen auf Individualität, Freiheit und Glück immer noch vorhanden“13 ist – wenn auch die Tendenz hin zu deren Auslöschung existiert. Während auf der anderen Seite eine „zur lückenlosen Totalität zusammenschließende gesellschaftliche Formation, deren Brechung nur noch von außen möglich ist“ existiert.14 Es sind diese Unterschiede „der nationalen Geschichte“15, von denen Langerhans in seiner Analyse des Staatssubjekt Kapitals spricht, die in der Krisenbewältigung einen Unterschied ums Ganze bedeuten.16 Er unterscheidet zwischen einer bürgerlichen Gesellschaft und einer Vergesellschaftung, in der es möglich ist, ihre notwendigen Widersprüche in der Massenvernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen zu synthetisieren, so dass auf sie die klassischen Begriffe der Ideologiekritik nicht mehr greifen: „An die Stelle der klassisch bürgerlichen Ideologie tritt eine gesinnungsethische Weltanschauung, die zunehmend unfähig ist, Erfahrung zu Theorie zu sublimieren, ja überhaupt Erfahrung zu machen. Diese Weltanschauung ist dadurch charakterisiert, dass die Realität der gesellschaftlichen Verhältnisse immer nur in das Raster bereits vorher bestehender gesinnungsethischer Kategorien gepresst wird, um so permanent das eigene Weltbild zu bekräftigen.“17

Als kommunistisch kann Kritik nur gelten, wenn sie vom marx‘schen kategorischen Imperativ ausgehend, sich zum Ziel setzt: „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“18 Sie darf dabei jedoch nie die Bedingungen ihrer eigenen Möglichkeit aus den Augen verlieren. Das ist zunächst einmal das Überleben desjenigen, der Imstande wäre sie auszusprechen und damit die Existenz einer Gesellschaft, welche ihn als Nichtidentisches nicht wortwörtlich liquidiert (wie es im NS geschehen ist): „Ohne die Ideen von Freiheit und Individualität ist der Begriff der Humanität, der über die Immanenz der Gesellschaft sich erhebt, überhaupt nicht zu denken.“19

II: Die soziale und die nationale Sache.

Die Errichtung eines marxistischen Herrschaftsapparates ist nicht ohne ein Degeneration der marx‘schen Kritik zur sozialdemokratischen Theorie des Marxismus-Leninismus zu haben. In dieser wird – regressiv hegelianisch – statt einer befreiten Gesellschaft ein sozialer Staat der Zukunft als Ende der Geschichte gesetzt; statt des befreiten einzelnen Individuums (die Bedingung der befreiten Gattung) wird vom befreiten Volk geträumt. Die kapitalistischen Verhältnisse des Staates und dessen Staatsvolk bleiben so fetischisiert. Wie fortgeschritten diese Fetischisierung 1933 bereits war, zeigt das historische Versagen der Arbeiterklasse angesichts des nationalsozialistischen Massenmordes. Gemeint war dabei KPD und SPD: „der Glaube an den progressiven Charakter der Massen, der sozialdemokratischen Zukunftsoptimismus, der den sozialdemokratischen Marxismus der zweiten Internationale mit dem Marxismus-Leninismus der dritten, Kommunistischen Internationale verband, und das Bekenntnis zur Nation.“20 Es verwundert angesichts dessen nicht, dass die zerstrittene Sozialdemokratie vor allem in der Aufgabe der Abwehr eines, beim alliierten Sieg drohenden, „zweiten Versailles“ zusammenrückte. So wenig es verwundert, so erschreckend bleibt es doch. Der traurige Höhepunkt ist hier sicherlich Brauer, der ehemalige sozialdemokratische Bürgermeister von Altona, der angesichts der Pläne zur alliierten Militärherrschaft sagte: „If this system is to be imposed on the German people I would say: fight to the death, Germans; it is better than to accept this straitjacket.“21

Auch die größte Sorge von Curt Geyer, bis 1941 Chefredakteur des sozialdemokratischen Neuen Vorwärts und Teil des SPD-Parteivorstandes, galt einmal dem Schicksal des Vaterlandes und dem „Kampf gegen die Formel: ceterum censeo, Germaniam esse delendam.“22 Im Zweiten Weltkrieg sah der Chefredakteur in erster Linie noch den Kampf zwischen Nationen und forderte, dass die deutsche politische Emigration „keine Fremdenlegion, die fremden Nationalismen gegen den wahnsinnig gewordenen deutschen Nationalismus“23 diene, sein solle. Zumindest vertrat er dies zu seiner aktiven publizistischen Zeit beim Neuen Vorwärts. Am zweiten März 1942 wurde jedoch das Manifest der „Fight for Freedom“-Gruppe veröffentlicht, das erklärte:

„Unser Mitunterzeichner Curt Geyer ist aus dem sozialdemokratischen Parteivorstand ausgeschieden, um Handlungsfreiheit als Sozialdemokrat im Wirken gegen jene Richtung der deutsche politischen Emigration zu haben, die offen oder versteckt gegen die einseitige Abrüstung Deutschlands agitiert, und weil er im sozialdemokratischen Parteivorstand nicht mehr eine Basis für diesen Kampf erblickt.“24

Die Gruppe arbeitete von nun an mit Lord Robert Vansittart zusammen, einem der aktivsten Gegner der Apeasement-Politik und Namensgeber der als Vansittarismus bezeichneten Position, die den Nationalsozialismus als Verschmelzung von Staat, Regierung und Bevölkerung begriff. Die Sozialdemokraten versuchte über den „Fight-for-Freedom“-Verlag die britische Bevölkerung über die Besonderheit deutscher Zustände aufzuklären. Sie gingen der Frage nach, warum der Nationalsozialismus ausgerechnet in Deutschland an die Macht kam. Mit groß angelegten Fallstudien sollte die politische Entwicklung in Deutschland analysiert werden und die Verwurzelung des Nationalsozialisten in der deutschen Bevölkerung deutlich gemacht werden. Es ging ihnen, wie sie in ihrem Manifest schrieben, um „die Wahrheit über Deutschland“.25 Und zu dieser gehörte für sie:

„daß der deutsche aggressive Nationalismus die mächtigste politische Kraft im deutschen Volke darstellt, daß er schon vor 1914 und heute erst recht alle gesellschaftlichen Klassen und politischen Parteien erfaßt hat;

daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und die Führung der Gewerkschaften von 1914 bis 1918 eine wesentliche Stütze des Kriegswillens des deutschen Volkes waren;

daß die Sozialdemokratische Partei im November 1918 keine Revolution gegen den deutschen Nationalismus, nach dem Zeugnis ihrer Führer überhaupt keine Revolution wollte;

daß die Geschichte der Weimarer Republik beweist, daß die nationalistische Tendenz in der Sozialdemokratischen Partei und in den Gewerkschaften fortdauerte;

daß sozialdemokratische Führer eine Politik der deutschen Machtausweitung betrieben haben;

daß die Sozialdemokratische Partei und die Leitung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes eine nationalistische Propaganda gegen den Versailler Vertrag geführt haben, und zwar um so lauter, je energischer die Rechtsparteien den Versailler Vertrag zur psychologischen Vorbereitung des Revanchekrieges benutzt haben;

daß Hitler nicht ein Zufall ist, sondern daß er von der größten Massenbewegung der deutschen Geschichte in die Macht getragen worden ist, und daß seine Regierung eine Mehrheit in Volk und Parlament hatte;

daß der politische Wille des deutschen Volkes sichtbar wird im deutschen Volksheer, das den Sieg will;

daß der Krieg in Deutschland unterstützt wird von einer überragenden Mehrheit des deutschen Volkes.“26

Die Gruppe weigerte sich damit vehement, das deutsche Volk und auch die deutsche Sozialdemokratie frei von Schuld zu sprechen. Sie bestanden wider den Glaubenssätzen der Sozialdemokratie auf die Erkenntnis, dass der Nationalsozialismus als negative Aufhebung der Klassen als mörderische Volksgemeinschaft den Sozialpakt real praktizierte und ihm gerade nicht mit einer sozialdemokratischen „wirklichen Volksgemeinschaft“ beizukommen sei. Gerade in der Kombination aus politischem Burgfrieden und ökonomischer Generalmobilmachung des Ersten Weltkrieges begriffen sie – wie auch Langerhans – den Beginn des Durchbruchs einer neuen Gesellschaftsordnung:

„Die Weltkrisen haben Kapital und Staat, jene beiden Seiten des gesellschaftlichen Grundverhältnisses Lohnarbeiter-Kapitalisten zu einem einzigen Schutzpanzer eingeschmolzen, um deren Fortbestand zu sichern. Aus dem automatischen Subjekt Kapital mit dem Garanten Staat als besonderem Organ ist das einheitliche Staatssubjekt Kapital geworden. Der Staat ist heute mehr als der bloß »ideelle« Gesamtkapitalist, was in seinen vermehrten Funktionen zum Ausdruck kommt.“27

Zu dieser Gesellschaftsordnung streben als Tendenz zwar alle kapitalistischen Staaten, aber nur im antisemitischen Massenmord der deutschen Volksgemeinschaft konnte sie verwirklicht werden.28 Dies war die materialistische Erweiterung der Positionen des Vansittarismus zum sogenannten „German Problem“, die in einer siebenteiligen Radioserie auf BBC und dem Buch Black Record dargelegt wurden. Als Materialisten konnte die „Fight-for-Freedom“-Gruppe Aussagen wie „He has always been the barbarian, the war-lover, the enemy-furtive or avowed-of humanitarianism, liberalism and Christian civilisation;“29 nicht zustimmen, gingen diese doch von einer zweitausendjährigen Kontinuität aus. Sie erkannten, trotz der unzureichenden Begründung Vansittarts: „Das Ergebnis aber ist richtig.“30

Nach und nach konnte Vansittart und die „Fight-for-Freedom“-Gruppe die britische Öffentlichkeit und auch die Politik überzeugen, sodass nicht nur Churchills Regierungskabinett, sondern selbst die oppositionelle Labour-Party umschwenkte und einen sozialistischen Vansittarismus befürwortete. Nicht zuletzt die militärische Strategie von Sir Airchief Marschall Arthur Harris war in besonderem Maße durch die Überlegungen Vansittarts und der „Fight-for-Freedom“-Gruppe geprägt. Ehe es von Goebbels im Sportpalast offen ausgesprochen wurde, hatten Vansittart und die Gruppe erkannt, dass es in diesem Krieg keine Zivilisten mehr gibt. Nach dieser Erkenntnis handelte Bomber Harris:

„In dem Dresden, das Harris bombardierte, gab es keine Klassen mehr, sondern die Volksgemeinschaft, damit eine grandiose Lüge, die die Nazis praktisch wahr gemacht hatten. Der Nazifaschismus war die Transformation einer wie immer konfliktuellen, tendenziell antagonistischen Klassengesellschaft in das geschlossene Mordkollektiv. […] Diese überaus negative Aufhebung der Klassengesellschaft war ein Projekt des deutschen Kapitals gewesen, seit dem Centralverein zur Hebung des Wohls der arbeitenden Klassen, seit Max Webers Gesellschaft für soziale Reform, seit Eduard Bernsteins Sozialdemokratie, seit Walther Rathenaus Idee einer “Entproletarisierung mit kapitalistischen Mitteln”. Als eine bürgerliche Politik war dies Projekt ideologisch, zum Scheitern verurteilt; erst Hitlers Programm der “Nationalisierung der Massen” verwirklichte es als die blanke Barbarei der “Deutschen Arbeitsfront”, als Barbarei nicht allein im moralischen oder metaphorischen Sinne, sondern als Begriff einer qualitativ neuen, im Aufstiegsplan der Menschheit von der Urgesellschaft zum Kommunismus absolut nicht vorhergesehene und absolut nicht vorhersehbaren Gesellschaftsform.“31

III: Das Erkennen des Minimums an Freiheit

Nicht alle der im Exil dem ehemaligen Frankfurter Institut angehörenden waren so hellsichtig wie Löwenthal. Die Erkenntnis der für Juden und Kommunisten lebensbedrohlichen Spezifika deutscher Ideologie war ein Resultat der Erfahrung im Exil. Die deutschen Besonderheiten wurden zunächst weit mehr erahnt, als erkannt oder durchdrungen. Teilweise hegten vor dem 30. Januar 1933 zum Beispiel Franz Neumann und Otto Kirchheimer durchaus Sympathien für die theoretischen Erwägungen des späteren Nazikronjuristen Carl Schmitt – vermutlich resultierend aus derselben sozialdemokratischen Position, wie die Curt Geyers. Die bedeutenden Erkenntnisse, dass das Recht in seiner formalen negativen Allgemeinheit auch ein „Minimum an Freiheit [garantiert], da die formale Freiheit zweiseitig ist und auch so den Schwachen wenigstens rechtliche Chancen einräumt“32, kam Neumann erst im Exil.

Die von Carl Schmitt vorgebrachte vermeintliche Kritik des abstrakten Rechts, als „funktionalistische Wertneutralität mit der Fiktion gleicher Chancen für unterschiedslos alle Inhalte, Ziele und Strömungen“33, enthält durchaus einiges an Wahrheit über den Charakter des Rechts, wie sie auch von Eugen Paschukanis erkannt wurden. Während letzterer jedoch die kommunistische Notwendigkeit vom Absterben des Staates sah, als Folge des immanenten antinomischen Charakters der Rechtsform, proklamierte der an staatlicher Souveränität festhaltende Schmitt einen „Liberalismus mit umgekehrten Vorzeichen.“34 Denn der sowjetische Jurist Paschukanis, der seine Kritik der Rechtsform aus der marx‘schen Analyse der Warenform entwickelte, hatte einen Begriff der Wertform, der es ihm ermöglichte, sich nicht auf einer Seite der Antinomie zu schlagen, sondern ihre Ursache zu kritisieren. Rechtskritik, die ohne diese Erkenntnisse auskommt, ist notwendigerweise eine konformistische Rebellion, die an ökonomischen Realitäten festhält und gegen deren Symptome in den Kampf zieht. Wie Paschukanis begreift auch Neumann die Rechtsperson als „die ökonomische Charaktermaske des Eigentumsverhältnisses“35, die nichts davon ahnen lässt, dass wegen und nicht trotz der rechtlichen Gleichstellung der Unternehmer über den Arbeiter verfügt.

Im Exil emanzipierte sich Neumann in gewisser Weise von seinen Sympathien für Carl Schmitt und erkannte die Antinomie des Rechts als Bedingung der Unterwerfung und Emanzipation von unmittelbarer Unterdrückung zugleich: „Sie genau in dieser Zwieschlächtigkeit und in diesem Widerspruch nicht zu sehen, mag als radikalere Kritik erschienen und ist in Wahrheit das Gegenteil: Übergang zur Barbarei, die das Individuum mit dem Kapitalverhältnis beseitigen, direkten Zugriff auf seinen Leib wiedergewinnen möchte.“36 In seiner groß angelegten Analyse des Nationalsozialismus Behemoth arbeitet Neumann dieses Bewusstsein der Zwieschlächtigkeit und ihre negative Aufhebung im Nationalsozialismus ebenso sehr heraus, wie in seinen späteren Arbeiten für das Office of Strategic Service. Mit denen er Einfluss auf die amerikanische Kriegspolitik nahm.

IV: Theorie und Kritik

„While Adorno and Horkheimer remained in California during the Second World War, several other members of the Frankfurt School went to work for the US government in Washington to help with its anti-war effort. The Institute for Social Research could as a result cut its wage bill. Viewed from the other side of the Cold War, it may seem surprising that a group of apparently neo-Marxist revolutionaries was invited to the heart of the American government. But Leo Löwenthal, Franz Neumann, Herbert Marcuse, Otto Kirchheimer and Friedrich Pollock were all hired, because as recent Jewish exiles from Germany, they knew the enemy intimately and so could help in the fight against fascism.“37

Die Notwendigkeit diesen Pragmatismus hier überhaupt zu behandeln, obwohl er als Antifaschismus eigentlich selbstverständlich für jedwede Form kommunistischer Kritik sein sollte, zeigt sich insbesondere, wenn man einen Blick auf Protagonisten der Proteste 1968 wirft. Denn als dieser war sich Daniel Cohn-Bendit nicht zu blöd, immer wieder einen Vortrag Herbert Marcuses in Rom zu unterbrechen, um zu fordern, dass sich dieser zu seiner Tätigkeit als CIA-Agent während des Zweiten Weltkriegs äußern solle. Davon abgesehen, dass die CIA während des Zweiten Weltkriegs nicht existierte, zeugt diese Intervention von einer ganz besonderen Ignoranz gegenüber den Spezifika historischen Konstellationen. Aus dem Vietnamkrieg folgt für ihn und viele andere auf die 68er-Tradition Verpflichtete, dass gegenüber der USA – unabhängig der spezifischen Situation – nur oppositionelle Haltung einzunehmen ist und jedes Mittel richtig zu sein scheint.38

Marcuse und die anderen Mitglieder des Instituts hingegen erkannten, dass in Zeiten der Unmöglichkeit von Kritik als revolutionäre Praxis, Theorie in ihrer akademischsten (vulgo bürgerlichsten) Form einen Beitrag dazu leisten konnte, die Bedingung der Möglichkeit von Kritik zu erhalten. Die militärische Zerschlagung des Nationalsozialismus war eben diese Bedingung der Möglichkeit. Der Unterschied zwischen Theorie und Kritik ist entscheidend für das Verständnis dieser besonderen historischen Konstellation, auf die sich antideutsche Kritik bis heute beruft und auch berufen muss.

„Die Frage was Theorie sei, scheint nach dem heutigen Stand der Wissenschaft keine großen Schwierigkeiten zu bieten. Theorie gilt in der gebräuchlichen Forschung als ein Inbegriff von Sätzen über ein Sachgebiet, die so miteinander verbunden sind, dass aus einigen von ihnen die übrigen abgeleitet werden können. Je geringer die Zahl der höchsten Prinzipien im Verhältnis zu den Konsequenzen, desto vollkommener die Theorie. Ihre reale Gültigkeit besteht darin, dass die abgeleiteten Sätze mit tatsächlichen Ereignissen zusammenstimmen.“39

Theorie erklärt, benennt, vereinfacht, stellt dar und beleuchtet den gegenwärtigen Zustand der Welt. Sie ist „das Kommandieren der Wirklichkeit in Gedanken“40 und der Versuch sich die Wirklichkeit gedanklich untertan zu machen. Materialistische Kritik dagegen „bemängelt, dass das, was nach Maßgabe der Logik vom Menschen nicht begriffen werden kann, sie gefälligst auch nicht zu beherrschen hat.“41 Kritik hat, als „unbeweisbare Intention darauf, dass dieser historische Moment eintreten möge“42, das Ende seines Gegenstandes zu antizipieren. Der Unmöglichkeit den Wert und seine Erscheinungsformen theoretisch zu fassen und auf einen Begriff zu bringen begegnet sie mit rein destruktiver Absicht.43 Der Unmöglichkeit die Spaltung der Gattung in Herrscher und Beherrschte logisch zu rechtfertigen, begegnet sie mit der Denunziation all dessen, was „die Selbstbestimmung des Einzelnen oder der Gattung torpediert“.44 Dabei ist sie „kein Organ und kein Agent, sie hat keine historische Mission und sprichst erst Recht nicht im Namen des Volkes oder der Massen.“45 Sie ist und bleibt gänzlich destruktiv. Kritik verwendet jeden ihrer Begriffe in der Absicht ihn abzuschaffen. Das macht Kritik aber auch ohnmächtig gegen Wehrmacht und Luftwaffe, Auschwitz und Birkenau, SA und SS. Das heißt, in Momenten, in denen sich die logische Unmöglichkeit des Kapitals historisch im Zusammenbruch offenbart und der Staat als Nothelfer auf den Plan tritt, um das Kapitalverhältnis in der Vernichtung zu retten, musste die Kritik als zweckrationale Theorie den Staats- und Militärapparat der Vereinigten Staaten und Groß Britanniens dazu bewegen, ihr Möglichstes zu tun, um dies zu beenden.

Aus der Durchdringung dieser Momente und Konstellationen erwächst der Pragmatismus der (antideutschen) Kritik. Der Reflexionspunkt Auschwitz betrachtet dabei nicht nur die Konstitution des Nationalsozialismus als negative Aufhebung der Klassen, sondern auch das historische Versagen der Arbeiterklasse und der kommunistischen Parteien. Während Stalinisten zunächst der Doktrin des Hitler-Stalin-Pakts folgten und Trotzkisten gegen die imperialistischen Streitmächte der West-Alliierten agitierten, war Georg Elser das einzige proletarische Subjekt in Deutschland, dass versuchte mit Waffengewalt die Juden vor dem Nationalsozialismus zu schützen. Die antideutsche Kritik ist die kommunistische Kritik, die das reflektiert, die kommunistische Kritik, die das nicht reflektiert, scheitert an ihrem eigenen Anspruch. Es kann keinen Materialismus geben, der nicht antideutsch ist.

Post scriptum:

Anders als Cohn-Bendit oder die Anhänger eines marxistischen Dogmatismus meinen erkannt zu haben, determinieren die Situation in den Vereinigten Staaten und die Blockkonfrontation mit der Sowjetunion nicht die Rolle der USA im Zweiten Weltkrieg. Ursächlich dieser fatalen Analyse ist ein aus seinem Zeitkontext gerissener Leninsche Imperialismusbegriff – inwieweit dieser Gültigkeit während und nach dem Ersten Weltkrieg hatte, ist hierfür irrelevant – der zum Dogma das Antiamerikanismus degenerierte. Vor lauter Imperialismus verschwimmen die Unterschiede zwischen Nationalsozialismus und USA. Im Wahn dieser antiimperialistischen Gleichsetzungen fallen – nicht nur für Ulrike Meinhof – dann auch Auschwitz und die Bombardierung Dresdens in eins und mit Willy Brandt wird Vansittart zum Rassentheoretiker erklärt.

(An anderer Stelle wird mehr darauf einzugehen sein, inwieweit diese Reflexionen von denen wir hier sprachen zum Jargon verkommen sind und die falsche Freiheit als solche im Namen der antideutschen Kritik affirmiert wird. An dieser Stelle nur so viel: die Aufklärung hat eine Dialektik, wer diese zu einer Seite hin auflöst verweigert sich der radikalen Kritik und betreibt Spiegelfechterei. Egal ob unter dem Label „links“ oder „rechts“, jede Abkehr von der Einsicht in die Dialektik der Aufklärung ist ein Verrat an der antideutschen Kritik.)

  • Fußnoten:

1Unter dem Namen: Kritik der Traditionen und Traditionen der Kritik werden in den nächsten Wochen insgesamt vier Aufsätze erscheinen, die versuchen eine Art Einführung in die antideutsche Kritik zu liefern. Einführung möchten wir dabei jedoch nicht im akademischen Sinne verstanden wissen, wo die grundsätzlichen Begriffe erarbeitet werden sollen, um sie in den eigenen Theoriebaukasten aufnehmen zu können, mittels dessen Hilfe man sich und seinen Dozierenden die Welt begreifbar macht. Im Unterschied zur Theorie existiert Kritik nur als permanent zu erneuernde Verneinung, die von jedem selbst aktiv vollzogen werden muss. Dementsprechend können diese Einführung nur die Denkrichtung einer Kritik andeuten.

2Marx, Karl: An Abraham Lincoln: http://www.mlwerke.de/me/me16/me16_018.htm

3Seite 61, Herz, Carl: Der Patriotismus verdirbt die Geschichte. In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom.

4Siehe dazu den ersten Text dieser Reihe: https://antideutschorg.wordpress.com/2018/11/05/wertarbeit/ oder Dahlmann, Manfred: Antideutsch: https://www.ca-ira.net/verein/positionen-und-texte/dahlmann-antideutsch/

5Seite 52, Marx und Engels Gesamtausgabe (MEGA) Band 5.

6Hinter dieser gedanklichen Trennung steckt der Gedanke, dass Kritik des Kapitals nur in voller Negativität zu haben ist und „alle Verhältnisse“ verneint, während eine Theorie der proletarische Revolution auch ungleichzeitig und in temporären Bündnissen denken muss. Wir hoffen das diese Überlegungen im Laufe des Textes noch deutlicher werden.

7Marx, Karl: der nordamerikanische Bürgerkrieg: http://www.mlwerke.de/me/me15/me15_329.htm und: an Abraham Lincoln: http://www.mlwerke.de/me/me16/me16_018.htm

8„Die Kritische Theorie, diktierte Max Horkheimer 1937, ist „ein einziges entfaltetes Existentialurteil“. Das Marxsche Denken wurde so bestimmt als die materialistische Kritik der Gesellschaft und – im genauen Gegensatz zu Theorie, Wissenschaft oder Philosophie – gesetzt als das geistige Organ des „kategorischen Imperativs“, keine Ausbeutung und keine Herrschaft zu dulden. Denn die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen wie die Herrschaft des Menschen über den Menschen bezeichnen den Skandal des Selbstwiderspruchs der Gattung, ihrer Verkehrung in antagonistische Nicht-Identität; ein Tatbestand, für den es nur historische Legitimation, keinesfalls vernünftige Argumentation geben kann. Vernunft als Kritik setzt sich im Gegensatz zu Verstand als Theorie, die, als Rationalisierung, die Ideologie zum System der positiven Wissenschaften erhebt.“ Aus Bruhn, Joachim: Adornos Messer: http://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/Adornos_Messer.pdf

9Seite 312, Löwenthal, Leo: Schriften Band 4.

10Das sich der Pragmatismus gegenüber den USA auch und vor allem aus dem Streben nach Selbsterhaltung erklären lässt, sagt dabei einiges über den Stellenwert des Individuums innerhalb der Kritischen Theorie aus.

11Seite 229, Gruber, Alex: Deutschland – Amerika. Die kritische Theorie im Kampf gegen Nazideutschland und die Bedeutung der USA für die Kritik, in: Grigat, Spehan (Hg.): Feindaufklärung und Reeducation – Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus.

12Seite 221ff, Jeffries, Stuart: Grand Hotel Abyss.

13Seite 229, Gruber, Alex: Deutschland – Amerika.

14Seite 230, ebenda.

15Seite 19, Langerhans, Heinz: Die nächste Weltkrise, der Zweite Weltkrieg und die Weltrevolution: http://theoriepraxislokal.org/imp/pdf/Langerhans.pdf

16Siehe zu Langerhans neben unserem letzten Text dieser Reihe (https://antideutschorg.wordpress.com/2018/11/05/wertarbeit/) auch Gerhard Scheit: Totalitärer Staat und Krise des Kapitals: http://www.gerhardscheit.net/pdf/TotalitaererStaat.pdf oder Jan Georg Gerber: Das Staatssubjekt Kapital – Heinz Langerhans und seine Gefängnisthesen: https://www.conne-island.de/nf/117/23.html .

17Seite 233f, ebenda.

18Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung: http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_378.htm

19Seite 227, Gruber, Alex: Deutschland – Amerika.

20Seite 12, Gerber, Jan & Worm, Anja: Die Legende vom „anderen Deutschland“ (Vorwort). In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom.

21Zitiert nach: Seite 67, Erklärung der „Fight-for-Freedom“-Gruppe vom 2. März 1942. In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom. Auch Online: https://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/geyer.loeb.et.al-fight.freedom_lp-1/

22Zitiert nach: Seite 22, Gerber, Jan & Worm, Anja: Die Legende vom „anderen Deutschland“ (Vorwort). In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom.

23Zitiert nach: Seite 22, Gerber, Jan & Worm, Anja: Die Legende vom „anderen Deutschland“ (Vorwort). In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom.

24Seite 69, Erklärung der „Fight-for-Freedom“-Gruppe vom 2. März 1942. In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom. Auch Online: https://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/geyer.loeb.et.al-fight.freedom_lp-1/

25Seite 65, Erklärung der „Fight-for-Freedom“-Gruppe vom 2. März 1942. In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom. Auch Online: https://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/geyer.loeb.et.al-fight.freedom_lp-1/

26Seite 65, Erklärung der „Fight-for-Freedom“-Gruppe vom 2. März 1942. In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom. Auch Online: https://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/geyer.loeb.et.al-fight.freedom_lp-1/

27Seite 19, Langerhans, Heinz: Die nächste Weltkrise, der Zweite Weltkrieg und die Weltrevolution: http://theoriepraxislokal.org/imp/pdf/Langerhans.pdf

28Siehe dazu auch den ersten Abschnitt des ersten Textes dieser Reihe: https://antideutschorg.wordpress.com/2018/11/05/wertarbeit/

29Aus dem Klappentext der englischen Ausgabe.

30Seite 61, Herz, Carl: Der Patriotismus verdirbt die Geschichte. In: Geyer, Curt & Loeb, Walter: Fight for Freedom.

31Bruhn, Joachim: Bomber-Harris und das Minimalprogramm der sozialen Revolution in Deutschland. Online: https://www.ca-ira.net/verein/positionen-und-texte/bruhn-bomber-harris/

32Seite 594, Neumann, Franz: der Funktionswandel des Gesetzes im Recht der bürgerlichen Gesellschaft. In: Zeitschrift für Sozialforschung 6/1937. [Zitiert nach Scheit, Gerhard: Dialektik der Feindaufklärung. Siehe Fußnote 36.]

33Seite 90f, Schmitt, Carl: Legalität und Legitimität. [Zitiert nach Scheit, Gerhard: Dialektik der Feindaufklärung. Siehe Fußnote 36.]

34S. 235ff, Strauss, Leo: Anmerkungen zu Carl Schmitt. [Zitiert nach Scheit, Gerhard: Dialektik der Feindaufklärung. Siehe Fußnote 36.]

35Seite 587, Neumann, Franz: der Funktionswandel des Gesetzes im Recht der bürgerlichen Gesellschaft. In: Zeitschrift für Sozialforschung 6/1937. [Zitiert nach Scheit, Gerhard: Dialektik der Feindaufklärung. Siehe Fußnote 36.]

36Scheit, Gerhard: Dialektik der Feindaufklärung. In: Bahamas 54. Online: http://www.gerhardscheit.net/pdf/dialektikDerFeindaufklaerung.pdf

37Seite 247, Jeffries, Stuart: Grand Hotel Abyss.

38Siehe dazu auch die Diskussion zwischen Dahlmann und Enderwitz über die USA, die wir im letzten Text behandelten: https://antideutschorg.wordpress.com/2018/11/05/wertarbeit/ .

39Seite 205, Horkheimer, Max: Traditionelle und kritische Theorie – Fünf Aufsätze.

40Seite 31, Initiative Sozialistisches Forum: der Theoretiker ist der Wert.

41Seite 113, Initiative Sozialistisches Forum: der Theoretiker ist der Wert.

42Seite 112, Initiative Sozialistisches Forum: der Theoretiker ist der Wert.

43Zur Ausführung dessen empfehlenswert: der Vortrag Warum Marxisten nicht lesen können von Joachim Bruhn (https://www.youtube.com/watch?v=VEMx6JI6U2w&t=904s) oder das Podium zwischen Michael Heinrich und Manfred Dahlmann auf dem antideutsche Wertarbeit Kongress zu den Implikationen der marxschen Kritik der politischen Ökonomie (http://audioarchiv.blogsport.de/2012/12/30/antideutsche-wertarbeit/).

44Seite 112, Initiative Sozialistisches Forum: der Theoretiker ist der Wert.

45Seite 113, Initiative Sozialistisches Forum: der Theoretiker ist der Wert.

Cama tov schebata ha‘baita, Hengameh.

Einsendung vom Lesezirkel Tubi 60.

Betreff: Ab heute bin ich dann wieder antideutsch (Taz, 14.12.2018).

Vorab keine Entschuldigung: auf Grund der Zuspitzung des allgemeinen Wahns in den sozialen Medien und fehlendem taz-Abo gelangte der Text erst kürzlich in die Hände der Redaktion. Wir werden auch weiter, trotz (oder wegen) des Geschwindigkeitsrausches der oszillierenden Meinungen, erst nach der Reflexion des ersten Impulses etwas schreiben. Wir hoffen sie können diese Ungleichzeitigkeit unseres Vorhabens tolerieren.

Kama tov sche’bata ha‘baita, Hengameh.

Wir wissen zwar nicht wirklich was es bedeuten soll, eine Bezeichnung aus der eigenen Jugendzeit zu reclaimen – wie sagte Horkheimer einst: „Dafür ist mein Denken jedoch zu sehr materialistisch verseucht.“1 Wir behaupten allerdings sehr wohl zu wissen, was hinter eben jener Bezeichnung steckt. Aus diesem Grund möchten wir dich herzlich einladen. Schließlich scheinen wir gemeinsame Ziele zu haben. Auch wir wollen „antideutsch Gelabeltes, das unverzichtbar ist“2 – kurz den radikalen und destruktiven Gehalt der antideutschen Kritik – von jenem „Rattenschwanz“3 aus identitären Szenecodes, politischem Kalkül und Ressentiments im entsprechenden Jargon zu trennen.

Die Notwendigkeit dessen haben vor allem deine Texte mehr als einmal gezeigt. Sie provozierten oft genug Reaktionen, die tief in die Abgründe dieser Szene blicken ließen. Wie angekündigt hüpft auch dieses Mal einer nach dem anderen brav über das Stöckchen und offenbart wenig mehr als identitäres Zugehörigkeitsgefühl und Unbehagen gegenüber deiner versuchten Aneignung. Dies folgt einer Logik, denn zum marktkonformen Spiel mit den Identitäten gehörte schon immer die Abwehr fremder Eindringlinge in die eigene Identitätsgruppe, wie die identitätspolitischen Konterrevolutionen weltweit beweisen.

Deswegen teilen wir deine Meinung, dass kritische Begriffe gegen ihre identitäre Vereinnahmung verteidigt werden: „Auch hinter dem Label „Feminist_in“ kann eine böse Überraschung stecken“4 die radikale feministische Kritik lässt sich davon hoffentlich ebenso wenig beeindrucken wie die antideutsche Kritik von den „Schmusereien mit Rechten“5 ehemaliger Genossen, die immer noch eine antideutsche Identität zu Markte tragen.

Gerade der, von dir empfohlene, „Blick auf die Entstehungsgeschichte“6 ist dabei unser zentraler Gegenstand. Wir freuen uns schon auf gemeinsame Lesekreise mit dir und schlagen als erstes die Broschüre Mit den überlieferten Vorstellungen radikal brechen7 aus dem Jahr 1989 vor, die wir als Teil dieser Entstehungsgeschichte betrachten. Dort zu lesen sind unter anderem treffende Bemerkungen über die Degeneration der Kritik zum Ritual, wie:

Ganze Wälder fielen der Produktion der unzähligen Kritikpapiere zum Opfer, die alle Symptome des Niedergangs einer Bewegung vollständig aufzählen – um dann „solidarische Kritik“ zu äußern, das heißt, ab Therapie gegen die grassierende „Unverbindlichkeit“ eine weitere Dosiserhöhung der Szenedroge „Identität“ zu verschreiben, womit gesichert ist, daß das immer gleiche Ritual weitergeht.“

Oder über die objektiven Gründe der Identitätssuche:

Wenn Marx konstatiert, daß der Struktur der gesellschaftlichen Produktion „bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen“, dann ist die Vorstellung von Identität garantiert eine dieser Bewußtseinsformen. Die Identität der einzelnen Individuen in der kapitalistischen Gesellschaft ist als reine inhaltslose Form, als negative Identität durch die Struktur dieser Gesellschaft immer schon gegeben. […] Die Identität ist eine gesellschaftliche Form, deren Inhalt selbst nur ein Mangel ist, der Verlust nämlich unmittelbarer gesellschaftlicher Beziehungen. Der Inhalt der Identität ist den einzelnen Individuen aber nicht als dieser Mangel bewußt, sondern wird in der tagtäglichen Erfahrung der kapitalistischen Realität als unbewußte Bedrohung der eigenen Person empfunden. Je mehr die realen sozialen Bindungen zerstört werden, als desto bedrohlicher wird dieser Mangel empfunden. “

Wir freuen uns, dass du von nun das destruktive Geschäft der radikalen Kritik betreiben möchtest; dass du dich der Denunziation sämtlicher identitätspolitischer Augenwischereien anschließt, mit keinem anderen Ziel als der Abschaffung der kapitalistischen Vergesellschaftung und all ihrer Ausdrucksformen – Staaten, Kulturen, Religionen und wie sie alle heißen; dass du aus den gedanklichen Tautologien ausbrechen möchtest, vor denen kein Denken gewahrt ist und das sich bei dir vor allem in Form der Sprechakttheorie zeigt.

Denn wenn du der Überzeugung bist, dass vor allem Juden wissen was Antisemitismus ist, dann ist es eine selffullfilling prophecy, dass du am Ende von eben jenen das meiste über Antisemitismus lernst. Die Erfahrung eines Individuums ist sicherlich ein Faktor der Erkenntnis, aber doch nicht der alles entscheidende. Klar, ohne die Erfahrung des Exils hätten einige deutsche Juden in Kalifornien sicherlich durchaus andere Elemente des Antisemitismus benannt. Jedoch resultierten diese nicht unmittelbar aus der Erfahrung, sondern aus der Reflexion der Erfahrung.

Wenn man so will wurde die Wut zum Antrieb des Denkens über Antisemitismus. Dennoch ist wer denkt nicht (mehr) wütend. Weiter wird Erfahrung sogar nahezu verunmöglicht, wenn sie zum Geburtsmerkmal wird, dass man in die Waagschale des kapitalen Konkurrenzverhältnisses wirft, anstatt Teil eines Reflexionsprozesses. Am Ende treten wir sonst wieder in die selben Fallstricke der Identität, aus denen wir doch eigentlich entfliehen wollten und zwingt Juden zum Outing, ehe man ihnen die Möglichkeit gibt über Antisemitismus zu sprechen.

Mit solidarischen Grüßen,

dein Lesezirkel Tubi 60

post scriptum: Wir freuen uns schon auf zukünftige Kolumnen von dir über den Antifaschismus von George W. Bush junior, über die muslimischen SS-Brigaden und den inhärenten Antisemitismus des Intersektionalismus.

1Zitiert nach Seite 107, Tiedemann, Rolf: Dialektik im Stillstand.
2Yaghoobifarah, Hengameh: Ab heute bin ich dann wieder antideutsch (Taz, 14.12.2018). 
3Yaghoobifarah, Hengameh: Ab heute bin ich dann wieder antideutsch (Taz, 14.12.2018). 
4Yaghoobifarah, Hengameh: Ab heute bin ich dann wieder antideutsch (Taz, 14.12.2018). 
5Yaghoobifarah, Hengameh: Ab heute bin ich dann wieder antideutsch (Taz, 14.12.2018).
6Yaghoobifarah, Hengameh: Ab heute bin ich dann wieder antideutsch (Taz, 14.12.2018).
7Siehe: http://archivtiger.de/downloads/beitraege/beitraege5.pdf