75 Years: Antifa-Infopodcast

„Zunächst möchten wir uns klar von anderen Formen des Gedenkens abgrenzen. Wir finden, dass dies zu wenig innerhalb der radikalen Linken und im Besonderen in der antideutschen Szene passiert ist. Gerade in Deutschland, wo das Gedenken zur ideologischen Legitimation des staatlichen Handelns dient, muss man sich in fundamentale Opposition gegenüber jeder offiziellen Form des Gedenkens begeben, wenn man sich nicht von der staatstragenden Zivilgesellschaft der Berliner Republik vereinnahmen lassen möchte.“
– Solarium (Im Gespräch mit uns)

Anlässlich des 75jährigen Jubiläums der militärischen Zerschlagung des Nationalsozialismus haben wir damit begonnen, gemeinsam mit unseren GenossInnen von Solarium (kommunistische Gruppe Bremen), einige Texte aus den Broschüren der 70Years-Kampagne zu vertonen. Die 70Years-Kampagne war eine an Jugendliche gerichtete Antifa-Infokampagne mit dem Ziel den deutschen Umgang mit dem Nationalsozialismus der Widerwärtigkeit zu überführen und ihm einen antifaschistischen, antideutschen und ideologiekritischen (damit auch kommunistischen) Umgang mit der Geschichte entgegen zu halten. Dies knüpft sowohl an das Projekt dieser Website an, als auch an einige Aktivitäten unsere GenossInnen aus Bremen.

Alle drei Broschüren der 70Years-Kampagne lassen sich Online abrufen, die dritte kann über uns oder bei Solarium (solariumkgb at riseup dot net) bestellt werden.
1) D-Day: https://issuu.com/70years/docs/brosch__re
2) Victory Day: https://issuu.com/70years/docs/brosch__re_dina5
3) The Aftermath: https://issuu.com/antideutscheaktionberlin/docs/the_aftermath_of_the_allied_triumph

DER STAAT BIST DU! CHARAKTERMASKEN ABSCHMINKEN!

Flugblatt, das auf der Demonstration ‚Sarrazin, halt‘s Maul‘ am 10.12.2019 in Bremen verteilt wurde.1

Liebe GenossInnen von der Kampagne NIKA Nordwest und sonstige UnterstützerInnen des heutigen Aufrufs. Anders als die autoritären MarxistInnen es raunen, ist das Kapital kein Kreis von Personen, die in irgendwelchen Räumen über das Vorgehen auf unserer Welt entscheiden. Das Kapital ist viel mehr eine gesellschaftliche Synthesis, die alle ausschließt, weil es die Individuen zu Subjekten und die sinnlichen Dinge zu Waren atomisiert und zugleich alle einschließt, indem alles auf den Wert bezogen und dadurch miteinander austauschbar ( also vergleichbar) wird.

Diese gesellschaftliche Synthesis des Kapitals wird im Tausch hergestellt. In ihm werden Waren auf das soziale Verhältnis des Wertes bezogen. Im Tausch allein kann sich der Wert selbst verwerten und kann als scheinbar „automatisches Subjekt“ prozessieren. Eben weil dieses Prinzip in der Gegenwart eine allgemeine Gültigkeit erlangt, und nicht, weil es eine herrschende Klasse mit Profitgier gibt, lässt sich vom Kapitalismus als System sprechen. Der Garant dieses Tauschverhältnisses ist der Staat, der durch seine Monopolisierung der Gewalt ein Recht setzt, das überhaupt erst den Tausch zwischen Freien und Gleichen ermöglicht. Denn wenn sich etwas genommen werden kann, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, braucht sich dafür kein Geld gegeben werden.

Dass die Waren sich nicht selbst zu Markte tragen können, wie Marx anmerkte, heißt in Anbetracht des Tausches als vergesellschaftendes Prinzip, dass der Mensch allein das Subjekt der Geschichte ist und bleibt. Das heißt, dass das „automatische Subjekt“ seine Existenz allein der Handlung von nicht-automatischen, ergo menschlichen, Subjekten verdankt; dass der Staat nur vermittels Subjekten – seien sie PolizistInnen oder PolitikerInnen – erscheinen kann. Wenn Marx allerdings sagt, dass sich die Geschichte scheinbar hinter dem Rücken der Subjekte vollziehen würde, spricht er damit das notwendig und falsche Bewusstsein der Subjekte an. Diese werden zu Charaktermasken,2 die einem fetischisierten Alltagsglauben anhängen und eine bürgerliche Subjektivität erlangen, womit sie das soziale Verhältnis des Wertes reproduzieren, ohne dabei jedoch als Individuen mit ihrer Funktion gänzlich identisch zu sein.

In der von Staat, Kapital und ihren Fetischen bestimmten, bürgerlichen Gesellschaft kann der konkrete empirische Mensch – sofern er das Glück hat, StaatsbürgerIn zu sein und nicht ohne Papiere im Mittelmeer ertrinken muss – nur in der Subjektform überleben. In dieser ist die Individualität zum Accessoire der Persönlichkeit degradiert. Sein Denken ist in die Warenform gebannt, die „erkenntnistheoretisch von der Philosophie und triebökonomisch von der Psychologie verdoppelt und rationalisiert wird.“3 Das Individuum steht also nicht im Gegensatz zur Gesellschaft, sondern die Gesellschaft hat sich ins Innerste des Individuums eingebrannt. Zum Subjekt wird das Individuum, wenn es in der Lage ist, sich selbst als EigentümerIn der Ware Arbeitskraft zu denken, seine eigenen Triebe soweit zu beherrschen, um zur gesellschaftlichen Produktion beitragen zu können. Kurzum: Subjekt sein, das heißt – nach einem Worte von Joachim Bruhn – „Kapital verwertend und Staatsloyal“4 zu sein.

Das Subjekt ist, wovon es selbst in seinem fetischisierten Bewusstsein nur eine Ahnung (als Existenzangst) entwickeln kann, vollauf prekär. Permanent droht die eigene Wertlosigkeit und damit der Verlust der Subjektivität: „Derart ist das bürgerliche Subjekt verfasst, dass es Identität nicht aus sich selbst erzeugen kann, sondern nur im Prozess einer ständigen Abgrenzung, eines permanenten Zweifrontenkrieges gegen das ‚unwerte‘ und gegen das ‚überwertige‘ Leben. Bürgerliche Subjektivität existiert nur in der vollkommenen Leere der permanenten Vermittlung, die sie zwischen den Waren, im Tausch, und um den Preis der ihr andernfalls drohenden Annihilation zu stiften hat.“5

Die erste Front ist eine Abspaltung und Projektion, der eigenen – sich der Verwertung und Verrechtlichung entziehenden – triebhaften Naturbeschaffenheit, auf ein rassifiziertes „Objekt“, dem man den Subjektstatus verweigern muss, um sich selbst als Subjekt wähnen zu können. Die Ambivalenzen zwischen Romantisierung der edlen Wilden und das Streben nach ihrer totaler Beherrschung folgen der dialektischen Logik. In der zweiten Front werden pathisch die eigenen Sehnsüchte auf die „Gegenrasse als solche“ projiziert. Er ist das mörderische Streben des Bürgertums sich selbst zu rassifizieren, die eigene Subjektivität durch Aneignung des angeblich geheimen Wissens der Juden zu erlangen. Diese Abspaltung findet allerdings zweifach statt: ökonomisch im Antisemitismus und politisch im Antizionismus – das eine bedingt das andere so sehr, wie sich Staat und Kapital gegenseitig bedingen.

Dem Antisemiten erscheint das Kapitalverhältnis als Gegenüberstellung von Produktions- und Zirkulationssphäre, wobei die Produktion als „schaffend“ und die Zirkulation als „raffend“ gedacht werden. Dass die Warenproduktion selbst bereits die Zirkulation – den Kauf der Produktionsmittel, ihre Aufwertung durch die gekaufte Ware Arbeitskraft und ihr Weiterverkauf – in sich enthält, kann das fetischisierte Bewusstsein, dass die Wertsteigerung auf magische Weise im Gegenstand selbst vermutet, nicht begreifen. Die Trennung und die Abspaltung erhält das System, ist es doch so möglich, die Produktivität des Kapitalverhältnisses gegen seine ihm innewohnende Destruktivität auszuspielen. In Krisenzeiten der Verwertung erfüllt das Pogrom die Funktion des ritualisierten Opfers an die Gottheit des automatischen Subjekts – von der triebökonomischen Funktion ganz zu schweigen. Der Antizionist wiederum trennt Recht und Gewalt, welche sich gegenseitig bedingen, während er letzteres dem vermeintlich künstlich gesetzten jüdischen Staat zuschlägt, um den eigenen Staat als natürlich gewachsene Entität des Rechts halluzinieren zu können. Die Funktion ist in gewissem Maße analog zum Antisemitismus. Die Fetischisierung des Rechts verdrängt die Gewalt, deren Existenz jedoch unwiderlegbar ist, die einem anderen Subjekt zugeschoben werden muss.

Bei beiden ist der Neid auf das vermeintlich geheime Wissen der Juden nicht von der Hand zu weisen, ist das ihnen Unterstellte doch das eigene Verlangen: Verwertung und Herrschaft. Antisemitismus und Antizionismus sind die negative Ökonomie- und Staatskritik in den Formen des fetischisierten Bewusstseins. Beide sind somit gerade nicht Ausdruck einer Archaik oder Feudalität – im Falle des Irans Beleg seines irgendwie vormodernen Daseins –, sondern im Gegenteil Ausdruck der bürgerlichen Moderne. Politik kann gegen sie nichts ausrichten, sind sie doch keine Unwissenheit, sondern logische Konsequenz der bürgerlichen Subjektivität, auf der jede Vorstellung von Politik notwendigerweise beruht.

Die deutsche Vergesellschaftung ist dabei von einer besonderen Widerwärtigkeit. Richard Wagners affirmative Emphase, dass es deutsch sei, eine Sache um ihrer selbst Willen zu tun, bekommt ihre historische Wahrheit in der antisemitischen Vernichtung um der Vernichtung Willen. Ihren materialistischen Gehalt erhält sie durch den Verweis auf Adornos Rede, dass ein Deutscher jemand sei, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie selbst zu glauben. In aller Kürze heißt das, dass die Unwahrheiten der bürgerlichen Gesellschaft im Nationalsozialismus auf brutalste Art und Weise beinahe wahr gemacht worden ist, wie die bloß über den Wert vermittelte vermeintliche Egalität der Klassengesellschaft zur Auflösung des Klassenwiderspruchs in der Egalität des Mordkollektivs, wie der Traum von der krisenfreien Ökonomie in der kriegerischen Konsumgemeinschaft. Das Erbe dieser Gemeinschaft lebt fort im postnazistischen Sozialpakt, in der Unterstützung antisemitischer Mörderbanden, dem Aufschwingen zur moralischen Weltmacht und in der stetigen Möglichkeit, sich im Angesicht der Krise erneut auf die altvertraute – beinahe erfolgreiche – Krisenlösung zu besinnen.

Alles was bisher über Subjektivität gesagt wurde, gilt natürlich auch für den deutschen Staat, der nur durch seine StaatsbürgerInnen überhaupt sein kann und der sich eben nicht bloß durch Wirtschaftsbosse und PolitfunktionärInnen ausdrückt, sondern in dem jedeR einzelneR StaatsbürgerIn in eine entsprechende Charaktermaske schlüpft. Das Ausspielen der klassenbewussten Antifa gegen die rassistischen FunktionärInnen von Staat und Kapital verkennt die gerade in Deutschland (gern) praktizierte Verbindung von Mob und Elite. Verkennt, dass der arbeitslose Faschist in Ostdeutschland mit den Sarrazins, Höckes und den Mitgliedern des Wirtschaftsclubs Havanna in Bremen in einem Verhältnis steht; dass sich die Subjektivität der ersten in Abschiebungen und Bevölkerungspolitik äußern kann, während letztere zur Festigung ihrer bürgerlichen Subjektform – und das hat Joachim Bruhn im Fall eines Mörders von Solingen bereits auf dem Konkret Kongress 1993 deutlich dargelegt – einzig und allein der rassistische Mord bleibt.6 Die von buchgläubigen Kommunisten erstrebte Emanzipation der Deutschen zu Menschen, betrifft jeden Staatsbürger auf unterschiedliche Weise, aber doch gleichermaßen.

Dies festzustellen ist nicht gleichbedeutend mit einer Verdrängung der berechtigten Wut auf die Charaktermasken der politischen und ökonomischen Macht oder einer Predigt für den Verzicht auf nonverbalen Kommunikation mit autoritären Dreckssäcken – notfalls auch vermittelt über deren Eigentum. Vielmehr ist dies festzustellen, um die Gemeinsamkeiten der rassistischen Formierung im Bewusstsein zu behalten, ohne dabei die einen zum bloßen Fußvolk der Anderen zu machen. DeutscheR – und das heißt manifesteR AntisemitIn und RassistIn – zu sein, ist eine Entscheidung, für die jedeR im sartre‘schen Sinne zur Verantwortung zu ziehen ist.

Und ebenso sind Linke zur Verantwortung zu ziehen, die sich nicht in allerletzter Radikalität in eine Fundementalopposition zu diesem widerwärtigen Drecksland begeben. Das Gegenteil von gut ist in der Welt von Kapital, Staat und ihren Fetischen leider, leider, leider gut gemeint, liebe Genossinnen und Genossen von NIKA Nordwest.

Please don‘t shoot the messenger,
Solarium – kommunistische Gruppe Bremen.

1Dieses Flugblatt ist die gekürzte (und auf den Aufruf: https://www.nationalismusistkeinealternative.net/bremen-sarrazin-halts-maul-gegen-rassismus-und-klassenkampf-von-oben/ zugespitzte)
Version eines internen Kommuniqués zur Verständigung über Kapital, Staat, ihre Fetische und dieses deutsche Scheiszland, das in den nächsten Wochen in Gänze auf antideutsch.org veröffentlicht wird.
2Bloßen FunktionsträgerInnen des automatischen Subjekts.
3Bruhn, Joachim: Was deutsch ist,S. 162.
4Bruhn, Joachim: Videomitschnitt vom Konkret Kongress 1993.
5Bruhn, Joachim: Was deutsch ist, S. 96.
6Bruhn, Joachim: „Typisch deutsch“ - Christian R. und der linke Antirassismus, in: Was deutsch ist.

Ilja Ehrenburg: es reicht.

Am 11ten April erschien der letzte Kriegsartikel des jüdischen und sowjetischen Antifaschisten Ilja Ehrenburg. Weil der „größte antideutsche Hetzer von allen“ (dein Weckruf) – wieder mal – in Konflikt mit der sowjetischen Führung geriert, wurde im danach bis Kriegsende das Publizieren in der ‚Prawda‘ untersagt. Auch das von ihm, als Beitrag im Kampf gegen den sowjetischen Antisemitismus, geplante ‚Schwarzbuch über den Genozid an den sowjetischen Juden‘ konnte nie in der Sowjet Union erscheinen. Mit seinen Kriegsartikel wollte er vor allem die Soldaten und Soldatinnen der roten Armee über die Verbrechen der deutschen Aufklären und ihnen die Notwendigkeit der militärischen Zerschlagung Deutschlands deutlich machen, aber auch außerhalb der Sowjet Union fanden sie innerhalb der Anti-Hitler-Koalition begeisterte Leser. Charles de Gaulle verlieh im 1945 den Offiziersorden der Ehrenlegion für seine Kriegsartikel. Anlässlich des Jahrestages der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee dokumentieren wir hier den letzten Kriegsartikel Ehrenburgs.

Ge­fal­len ist das un­ein­nehm­ba­re Kö­nigs­berg, ge­fal­len zwölf Stun­den nach den Be­teue­run­gen des Ber­li­ner Ra­di­os, dass die Rus­sen nie in Kö­nigs­berg sein wür­den. Die Feder des Chro­nis­ten bleibt hin­ter der Ge­schich­te zu­rück. Die Rote Armee steht im Zen­trum von Wien. Die ver­bün­de­ten Trup­pen sind bis Bre­men und Braun­schweig vor­ge­rückt. Die Frit­ze, die in Hol­land ste­cken ge­blie­ben sind, wer­den dort nicht mehr her­aus­kom­men. Auch aus dem Ruhr­ge­biet wer­den die Frit­ze nicht mehr herauskommen.​Vor einer Woche haben die Deut­schen von der „Elb­gren­ze“ ge­spro­chen. Noch vor kur­zem hat Hit­ler daran ge­dacht, in Ös­ter­reich Schutz zu su­chen, jetzt schaut er vol­ler Ent­set­zen nach Süden. Es ist schwer auf­zu­zäh­len, was er ver­lo­ren hat: die Ost­see­küs­te von Til­sit bis Stet­tin, alle In­dustrie­ge­bie­te – Schle­si­en, das Saar­land, das Ruhr­ge­biet, die Korn­kam­mern Preu­ßens und Pom­merns, das un­er­mess­lich rei­che Frank­furt, Ba­dens Haupt­stadt Karls­ru­he, große Städ­te – Kas­sel, Köln, Mainz, Müns­ter, Würz­burg, Han­no­ver. Ame­ri­ka­ni­sche Pan­zer­sol­da­ten haben eine Ex­kur­si­on durch den ma­le­ri­schen Harz be­gon­nen. Bald wer­den sie den Bro­cken sehen, auf dem es der Über­lie­fe­rung nach Hexen gibt. Die­ser An­blick wird sie kaum ver­wun­dern: In den deut­schen Städ­ten haben sie ganz reale Hexen ge­se­hen. Eine an­de­re ame­ri­ka­ni­sche Ab­tei­lung ist bis zu der baye­ri­schen Stadt vor­ge­rückt, die ich schon mehr­mals in mei­nen Ar­ti­keln er­wähnt habe, be­zau­bert von ihrem me­lo­di­schen Namen – Schwein­furt (über­setzt „Furt für Schwei­ne“).

Es gibt Ago­ni­en, die vol­ler Größe sind. Deutsch­land geht jäm­mer­lich unter – kein Pa­thos, keine Würde. Den­ken wir an die üp­pi­gen Pa­ra­den, den Ber­li­ner „Sport­pa­last“, wo Adolf Hit­ler so oft ge­brüllt hat, dass er die Welt er­obern wird. Wo ist er jetzt? In wel­cher Ritze? Er hat Deutsch­land an den Ab­grund ge­führt und zieht es jetzt vor, sich nicht zu zei­gen. Seine Hel­fer sind nur um das eine be­sorgt: wie sie ihre Haut ret­ten kön­nen. Die Ame­ri­ka­ner haben die Gold­re­ser­ven Deutsch­lands ge­fun­den; die Ban­di­ten haben Reiß­aus ge­nom­men und sie im Stich ge­las­sen. Nun ja, die deut­schen Frau­en ver­lie­ren ihre ge­stoh­le­nen Pelze und Löf­fel und die Herr­scher des Deut­schen Rei­ches ver­lie­ren Ton­nen von Gold. Und alle lau­fen, alle ren­nen umher, alle tre­ten ein­an­der auf die Füße bei dem Ver­such, sich zur schwei­ze­ri­schen Gren­ze durch­zu­schla­gen. „Das Jahr 1918 wird sich nicht wie­der­ho­len“, hat Go­eb­bels hoch­mü­tig ver­kün­det; das war vor ein paar Mo­na­ten. Jetzt dür­fen die Deut­schen nicht ein­mal mehr davon träu­men, dass sich das Jahr 1918 wie­der­holt. Nein, das Jahr 1918 wird sich nicht wie­der­ho­len. Da­mals stan­den an der Spit­ze Deutsch­lands Po­li­ti­ker, wenn auch be­schränk­te, Ge­ne­rä­le, wenn auch ge­schla­ge­ne, Di­plo­ma­ten, wenn auch schwa­che. Jetzt ste­hen an der Spit­ze Deutsch­lands Gangs­ter, ein ge­müt­li­cher Freun­des­kreis von Kri­mi­nel­len. Und die pro­mi­nen­ten Ban­di­ten den­ken nicht an das Schick­sal des klei­nen Diebs­ge­sin­dels, das sie um­gibt, die Ban­di­ten sind nicht mit der Zu­kunft Deutsch­lands be­schäf­tigt, son­dern mit ge­fälsch­ten Päs­sen. Ihnen ist nicht nach Staats­ge­spräch und Staats­streich: Sie las­sen sich Bärte wach­sen und fär­ben ihre Haar­schöp­fe. Die aus­län­di­sche Pres­se hat ein gutes Jahr lang den Ter­mi­nus „be­din­gungs­lo­se Ka­pi­tu­la­ti­on“ dis­ku­tiert. Aber die Frage ist nicht, ob Deutsch­land ka­pi­tu­lie­ren will. Es ist nie­mand da zum Ka­pi­tu­lie­ren. Deutsch­land ist nicht da: Da ist eine ko­los­sal große Rotte, die aus­ein­an­der­läuft, wenn die Rede auf Ver­an­wor­tung kommt. Es ka­pi­tu­lie­ren Ge­ne­rä­le und Frit­ze, Bür­ger­meis­ter und stell­ver­tre­ten­de Bür­ger­meis­ter, es ka­pi­tu­lie­ren Re­gi­men­ter und Kom­pa­ni­en, Städ­te, Stra­ßen, Woh­nun­gen. In an­de­ren Kom­pa­ni­en, in den Nach­bar­häu­sern oder -​woh­nun­gen wie­der­um sträu­ben sich die Ban­di­ten noch und ver­ste­cken sich hin­ter dem Namen Deutsch­land. So ist es mit dem Ein­fall der kul­tur­lo­sen und blut­dürs­ti­gen Fa­schis­ten, die Welt un­ter­wer­fen zu wol­len, zu Ende ge­gan­gen.

Die „Deut­sche All­ge­mei­ne Zei­tung“ ver­si­chert ihren Le­sern (gibt es sie noch? Den Deut­schen ist schließ­lich jetzt nicht nach Zei­tun­gen), dass die deut­schen Sol­da­ten „fa­na­tisch so­wohl gegen die Bol­sche­wi­ken als auch gegen die Ame­ri­ka­ner kämp­fen“. Un­se­re Ver­bün­de­ten kön­nen über diese Worte la­chen: An einem Tag haben sie fast ohne Kämp­fe vier­zig­tau­send Deut­sche ge­fan­gen ge­nom­men. Die Kor­re­spon­den­ten er­zäh­len, dass die Ame­ri­ka­ner bei ihrem Vor­rü­cken nach Osten immer auf ein Hin­der­nis tref­fen: Mas­sen von Ge­fan­ge­nen, die alle Stra­ßen ver­stop­fen. Beim An­blick der Ame­ri­ka­ner be­ge­ben sich die Deut­schen wahr­haf­tig mit fa­na­ti­scher Hart­nä­ckig­keit in Ge­fan­gen­schaft. Die Ge­fan­ge­nen be­we­gen sich ohne Kon­voi, und die Pos­ten an den La­gern sind nicht dazu auf­ge­stellt, die Ge­fan­ge­nen beim Weg­lau­fen zu stö­ren, son­dern damit die sich er­ge­ben­den Frit­ze, die in die Lager drän­gen, ein­an­der nicht er­drü­cken. Ver­ges­sen sind so­wohl Gott Wotan als auch Nietz­sche als auch Adolf Hit­ler alias Schick­lgru­ber – die Über­men­schen mun­tern ein­an­der mit den Wor­ten auf: „Halt aus, Ka­me­rad, die Ame­ri­ka­ner sind nicht mehr weit …“.

Der aus­län­di­sche Leser wird fra­gen: Warum haben denn die Deut­schen mit einer sol­chen Hart­nä­ckig­keit ver­sucht, Küstrin zu hal­ten? Warum schla­gen sie sich ver­bis­sen in den Stra­ßen Wiens, um­ge­ben von der Feind­se­lig­keit der Wie­ner? Warum haben die Deut­schen ver­zwei­felt Kö­nigs­berg ver­tei­digt, das Hun­der­te Ki­lo­me­ter von der Front an der Oder ent­fernt ist? Um auf diese Fra­gen zu ant­wor­ten, muss man sich an die furcht­ba­ren Wun­den Russ­lands er­in­nern, von denen viele nichts wis­sen wol­len und die viele ver­ges­sen wol­len.

Am 1. April 1944 er­mor­de­ten die Deut­schen 86 Ein­woh­ner der fran­zö­si­schen Ge­mein­de Asque. Der deut­sche Of­fi­zier, der den Mord lei­te­te, er­klär­te, als man ihn nach den Grün­den für die Er­schie­ßung frag­te, er habe „irr­tüm­lich einen Be­fehl an­ge­wandt, der sich auf das ok­ku­pier­te so­wje­ti­sche Ter­ri­to­ri­um bezog“. Ich rede die Qua­len, die Frank­reich durch­ge­macht hat, nicht klein; ich liebe das fran­zö­si­sche Volk und ver­ste­he sein Leid. Aber mögen alle über die Worte die­ser Men­schen­fres­ser nach­den­ken. Ge­ne­ral de Gaul­le reis­te kürz­lich zu dem Asche­h­au­fen, der von dem Dorf Ora­dour übrig ge­blie­ben ist; die Deut­schen haben alle seine Ein­woh­ner ge­tö­tet. Von sol­chen Dör­fern gibt es in Frank­reich vier. Wie viele von sol­chen Dör­fern gibt es in Bel­o­russ­land?

Ich will an die Dör­fer des Le­nin­gra­der Ge­biets er­in­nern, wo die Deut­schen die Hüt­ten zu­sam­men mit den Men­schen ver­brannt haben. Ich will an die Stre­cke Gs­hatsk – Wilno er­in­nern: daran, wie sorg­fäl­tig, ak­ku­rat die Sol­da­ten der deut­schen Armee, nicht Ge­sta­po­leu­te, nicht ein­mal SS-​Leu­te, nein, ganz ge­wöhn­li­che Frit­ze, Orjol, Smo­lensk, Wi­tebsk, Pol­ta­wa, hun­der­te an­de­rer Städ­te nie­der­ge­brannt haben. Als die Deut­schen ei­ni­ge eng­li­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne er­mor­de­ten, schrie­ben die aus­län­di­schen Zei­tun­gen zu Recht von einer un­er­hör­ten Bar­ba­rei. Wie viele so­wje­ti­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne haben die Deut­schen er­schos­sen, er­hängt, mit Hun­ger zu Tode ge­quält? Wenn die Welt ein Ge­wis­sen hat, muss die Welt Trau­er­klei­dung an­le­gen, wenn sie auf das Leid Bel­o­russ­lands sieht. Denn man trifft nur sel­ten einen Bel­o­rus­sen, des­sen Nächs­te die Deut­schen nicht er­mor­det haben. Und Le­nin­grad? Kann man mit Ge­las­sen­heit an die Tra­gö­die den­ken, die Le­nin­grad durch­lebt hat? Wer so etwas ver­gisst, ist kein Mensch, son­dern ein schä­bi­ges In­sekt.

Es gab Zei­ten, da er­schüt­ter­te die Not eines ein­zi­gen Be­lei­dig­ten das Ge­wis­sen der gan­zen Mensch­heit. So war es mit der Drey­fus-​Af­fä­re: Ein un­schul­di­ger Jude wurde zu Fes­tungs­haft ver­ur­teilt, und das brach­te die Welt auf, Emile Zola ent­rüs­te­te sich, Ana­to­le Fran­ce und Mir­beau und mit ihnen die bes­ten Köpfe ganz Eu­ro­pas. Die Hit­ler­leu­te haben bei uns nicht einen, son­dern Mil­lio­nen un­schul­di­ger Juden er­mor­det. Und es haben sich im Wes­ten Leute ge­fun­den, die un­se­re tro­cke­nen, be­schei­de­nen Be­rich­te der „Über­trei­bung“ be­zich­ti­gen. Ich hätte gern, dass diese aus­län­di­schen Be­sänf­ti­ger bis ans Ende ihrer Tage von den Kin­dern in un­se­ren Grä­ben träu­men, den noch halb Le­ben­di­gen mit ihren zer­stü­ckel­ten Kör­pern, die vor dem Tod nach ihren Müt­tern rufen.

Leid un­se­rer Hei­mat, Leid aller Wai­sen, unser Leid – du bist mit uns in die­sen Tagen der Siege, du fachst das Feuer der Un­ver­söhn­lich­keit an, du weckst das Ge­wis­sen der Schla­fen­den, du wirfst einen Schat­ten, den Schat­ten der ver­stüm­mel­ten Birke, den Schat­ten des Gal­gens, den Schat­ten der wei­nen­den Mut­ter auf den Früh­ling der Welt. Ich be­mü­he mich, mich zu­rück­zu­hal­ten, ich be­mü­he mich, so leise wie mög­lich, so streng wie mög­lich zu spre­chen, aber ich habe keine Worte. Keine Worte habe ich, um die Welt noch ein­mal daran zu er­in­nern, was die Deut­schen mit mei­nem Land ge­macht haben. Viel­leicht ist es bes­ser, nur die Namen zu wie­der­ho­len: Babi Jar, Trost­ja­nez, Kertsch, Pona­ry, Bels­hez. Viel­leicht ist es bes­ser, kühle Zah­len an­zu­füh­ren. In einem Trup­pen­ver­band wur­den 2103 Per­so­nen be­fragt. Hier die Sta­tis­tik des Blu­tes und der Trä­nen:

Ver­wand­te an den Fron­ten ge­fal­len – 1288.
Frau­en, Kin­der, Fa­mi­li­en­mit­glie­der er­schos­sen und er­hängt – 532.
Mit Ge­walt nach Deutsch­land ge­schickt – 393.
Ver­wand­te aus­ge­peitscht – 222.
Wirt­schaf­ten aus­ge­plün­dert und ver­nich­tet – 314.
Häu­ser nie­der­ge­brannt – 502.
Kühe, Pfer­de und Klein­vieh fort­ge­nom­men – 630.
Ver­wand­te als In­va­li­den von der Front zu­rück­ge­kehrt – 201.
Per­sön­lich auf dem ok­ku­pier­ten Ter­ri­to­ri­um aus­ge­peitscht wor­den – 161.
An den Fron­ten ver­wun­det – 1268.

Aber wenn die Zah­len ihre Macht über die Her­zen ver­lo­ren haben, fragt vier Pan­zer­sol­da­ten, warum sie es eilig haben, nach Ber­lin zu kom­men. Leut­nant Wdo­wit­schen­ko wird er­zäh­len, wie die Deut­schen im Dorf Pe­trow­ka seine Fo­to­gra­fie fan­den; sie fol­ter­ten die Schwes­ter des Leut­nants, Anja, mit glü­hend ge­mach­tem Eisen – „wo ist der rus­si­sche Of­fi­zier?“ – , dann ban­den sie die win­zi­ge Al­lot­sch­ka an zwei klei­ne Ei­chen­bäu­me und zer­ris­sen das Kind in zwei Teile, die Mut­ter muss­te zu­se­hen. Ser­geant Ze­lo­wal­ni­kow wird ant­wor­ten, dass die Deut­schen in Kras­no­dar sei­nen Vater, seine Mut­ter und seine Schwes­tern ver­gast haben. Alle Ver­wand­ten von Ser­geant Schand­ler wur­den von den Deut­schen in Welish ver­brannt. Die Fa­mi­lie von Haupt­feld­we­bel Smirnow kam wäh­rend der Ok­ku­pa­ti­on in Pusch­kin um. Das ist das Schick­sal von vier Pan­zer­sol­da­ten, die zu­sam­men kämp­fen. Von sol­chen gibt es Mil­lio­nen. Darum haben die Deut­schen sol­che Angst vor uns. Darum ist es leich­ter, ganze Städ­te in West­fa­len zu neh­men, als ein Dorf an der Oder. Darum schickt Hit­ler, ent­ge­gen allen Ar­gu­men­ten der Ver­nunft, seine letz­ten Di­vi­sio­nen nach Osten.

Im Wes­ten sagen die Deut­schen: „Nicht an­fas­sen“, sie spie­len so­zu­sa­gen nicht mehr mit. Sie waren ja nicht in Ame­ri­ka. Oh, selbst­ver­ständ­lich hat vor drei Jah­ren ein fre­cher Fritz in mei­ner Ge­gen­wart zu mei­nem ame­ri­ka­ni­schen Freund Le­land Stowe ge­sagt: „Wir kom­men auch nach Ame­ri­ka, ob­wohl das weit ist.“ Aber von Ab­sich­ten bren­nen keine Städ­te und ster­ben keine Kin­der. Diese un­ver­schäm­ten Deut­schen be­neh­men sich den Ame­ri­ka­nern ge­gen­über wie ir­gend­ein neu­tra­ler Staat. Eng­li­sche und ame­ri­ka­ni­sche Kor­re­spon­den­ten füh­ren dut­zen­de pit­to­res­ker Bei­spie­le an. Ich ver­wei­le vor allem bei einem nam­haf­ten Ex­em­plar: dem Erz­bi­schof von Müns­ter, Galen. Er weiß zwei­fel­los, dass in Ame­ri­ka der Füh­rer* der deut­schen Ka­tho­li­ken, Brü­ning, lebt, um­ge­ben von jeg­li­cher Für­sor­ge. Und der Erz­bi­schof be­eilt sich, zu ver­si­chern: „Ich bin auch gegen die Nazis.“ Dar­auf legt der Erz­bi­schof sein Pro­gramm dar: a) die Deut­schen sind gegen Aus­län­der; b) die Al­li­ier­ten müs­sen den Scha­den er­set­zen, der den Deut­schen durch die Bom­bar­de­ments zu­ge­fügt wurde; c) die So­wjet­uni­on ist ein Feind Deutsch­lands, und man darf die Rus­sen nicht nach Deutsch­land las­sen; d) wenn das oben Ste­hen­de er­füllt wird, dann „wird etwa in 65 Jah­ren in Eu­ro­pa Frie­den herr­schen“. Bleibt zu er­gän­zen, dass die ka­tho­li­schen Zei­tun­gen Ame­ri­kas und Eng­lands voll­auf be­frie­digt sind von dem Auf­bau­pro­gramm die­ses erz­geist­li­chen Men­schen­fres­sers. Gehen wir zu den Ge­mein­de­mit­glie­dern über, die sind auch nicht bes­ser.

Ein Kor­re­spon­dent des „Daily He­rald“ be­schreibt, wie sich in einem Städt­chen die Ein­woh­ner an die Al­li­ier­ten wand­ten „mit der Bitte, die ent­flo­he­nen rus­si­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen ein­zu­fan­gen zu hel­fen“. Alle eng­li­schen Zei­tun­gen mel­den, dass in Os­na­brück die Al­li­ier­ten einen hit­ler­schen Po­li­zis­ten auf sei­nem Pos­ten ge­las­sen hat­ten; die­ser Letz­te zün­de­te ein Haus an, in dem sich rus­si­sche Frau­en be­fan­den. Der Kor­re­spon­dent des „Daily He­rald“ schreibt, ein deut­scher Bauer habe ge­for­dert: „Die rus­si­schen Ar­bei­ter müs­sen blei­ben, sonst kann ich nicht mit den Früh­jahrs­ar­bei­ten be­gin­nen.“ Wobei der eng­li­sche Jour­na­list sich be­eilt, hin­zu­zu­fü­gen, dass er völ­lig ein­ver­stan­den ist mit den Ar­gu­men­ten die­ses Skla­ven­hal­ters. Er ist nicht al­lein: Die Mi­li­tär­be­hör­de hat ein Flug­blatt in fünf Spra­chen her­aus­ge­ge­ben, das die be­frei­ten Skla­ven ein­lädt, zu­rück auf die Güter zu ihren Skla­ven­hal­tern zu kom­men, „um die Feld­ar­bei­ten des Früh­lings durch­zu­füh­ren“.

Warum sind die Deut­schen an der Oder nicht so wie die Deut­schen an der Weser? Weil nie­mand sich fol­gen­des Bild vor­stel­len kann: In einer von der Roten Armee ein­ge­nom­me­nen Stadt ver­brennt ein Hit­ler­po­li­zei­be­am­ter, den man auf sei­nem Pos­ten be­las­sen hat, Ame­ri­ka­ner, oder Deut­sche wen­den sich an die Rot­ar­mis­ten mit der Bitte, ihnen zu hel­fen, die ge­flo­he­nen eng­li­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen wie­der ein­zu­fan­gen, oder die Deut­schen wen­den sich an die Rus­sen mit der Bitte, ihnen noch ein-​zwei Mo­na­te die fran­zö­si­schen Skla­ven zu las­sen, oder Ilja Eh­ren­burg schreibt, dass es „not­wen­dig ist, die hol­län­di­schen Ar­bei­ter auf den deut­schen Gü­tern zu be­las­sen, auf dass die Land­wirt­schaft Pom­merns nicht er­schüt­tert werde“. Nein, Men­schen­fres­ser su­chen bei uns keine Le­bens­mit­tel­kar­ten auf Men­schen­fleisch, Skla­ven­hal­ter hof­fen nicht, von uns Skla­ven zu be­kom­men, Fa­schis­ten sehen im Osten keine Schirm­her­ren. Und darum haben wir Kö­nigs­berg nicht per Te­le­fon ge­nom­men. Und darum neh­men wir Wien nicht per Fo­to­ap­pa­rat.

Heute mel­den die Ver­bün­de­ten, dass ihre Pan­zer sich den Gren­zen Sach­sens nä­hern. An den Ost­gren­zen Sach­sens ste­hen Ab­tei­lun­gen der Roten Armee. Wir wis­sen, dass wir die deut­sche Ver­tei­di­gung durch­bre­chen müs­sen: Die Ban­di­ten wer­den sich weh­ren. Aber die Rote Armee hat sich daran ge­wöhnt, sich mit den Deut­schen mit Hilfe von Waf­fen zu un­ter­hal­ten: So wer­den wir das Ge­spräch mit ihnen auch be­en­den. Wir be­ste­hen auf un­se­rer Rolle nicht des­halb, weil wir ehr­süch­tig sind: Zu viel Blut ist an den Lor­bee­ren. Wir be­ste­hen auf un­se­rer Rolle des­halb, weil die Stun­de des Jüngs­ten Ge­rich­tes naht, und das Blut der Hel­den, das Ge­wis­sen So­wjet­russ­lands ruft: Be­deckt die scham­lo­se Blöße des Erz­bi­schofs von Müns­ter! Die Hit­ler­po­li­zis­ten setzt hin­ter Schloß und Rie­gel, ehe sie neue Un­ta­ten voll­brin­gen! Die Deut­schen, die „Rus­sen fan­gen“, bringt zur Ver­nunft, bevor es zu spät ist – bevor die Rus­sen an­ge­fan­gen haben, sie zu fan­gen! Die Skla­ven­hal­ter schickt zur Ar­beit, sol­len sie ihre fre­chen Rü­cken krüm­men! Strebt nach einem wirk­li­chen Frie­den, nicht in 65 Jah­ren, son­dern jetzt, und nicht nach einem von Mün­chen oder Müns­ter, son­dern nach einem ehr­li­chen, mensch­li­chen.

In un­se­rer Em­pö­rung sind alle Völ­ker mit uns, die den Stie­fel­ab­satz der deut­schen Er­obe­rer er­fah­ren haben – Polen und Ju­go­sla­wen, Tsche­cho­slo­wa­ken und Fran­zo­sen, Bel­gi­er und Nor­we­ger. Die einen hat­ten es bit­te­rer als die an­de­ren, aber alle hat­ten es bit­ter, und alle wol­len eines: Deutsch­land bän­di­gen. Mit uns sind die Sol­da­ten Ame­ri­kas und Groß­bri­tan­ni­ens, die jetzt die Grau­sam­keit und die Nie­der­tracht der Hit­ler­leu­te sehen. Ein Kor­re­spon­dent der As­so­cia­ted Press schreibt, dass die Sol­da­ten der 2. Pan­zer­di­vi­si­on, als sie ge­se­hen hat­ten, wie die Deut­schen die rus­si­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen und die jü­di­schen jun­gen Frau­en ge­quält hat­ten, sag­ten: „Das Schlimms­te, was wir mit den Deut­schen ma­chen kön­nen, wird noch viel zu gut für sie sein.“ Und in einem an­de­ren deut­schen Lager ver­sam­mel­te der ame­ri­ka­ni­sche Oberst die Deut­schen vor den Lei­chen der Men­schen aller Na­tio­na­li­tä­ten und sagte: „Dafür wer­den wir euch bis ans Ende un­se­rer Tage has­sen.“

Näher rückt der Tag, an dem wir un­se­re Freun­de tref­fen wer­den. Wir kom­men stolz und froh zu die­sem Tref­fen. Wir wer­den dem ame­ri­ka­ni­schen, dem eng­li­schen und dem fran­zö­si­schen Sol­da­ten fest die Hand drü­cken. Wir wer­den allen sagen: Genug. Die Deut­schen haben sich selbst Wer­wöl­fe ge­nannt. Aber die Treib­jagd wird echt sein. Die Freun­de des Erz­bi­schofs Galen, Lady Gibb, Do­ro­thy Thomp­son und an­de­re Schirm­her­ren die­ser Mör­der wer­den ge­be­ten, sich nicht zu be­un­ru­hi­gen. Wer­wöl­fe wird es nicht geben: Jetzt ist nicht das Jahr neun­zehn­hun­dert­acht­zehn, es reicht! Dies­mal wer­den sie sich nicht ver­wan­deln und nicht wie­der­keh­ren.

9. April 1945

* im Ori­gi­nal deutsch – Anm. d. Übers.

Über­set­zung aus dem Rus­si­schen: C. Man­ne­witz
[erst­mals in „Praw­da“, 9. April 1945]

Gedanken zu Antifa und Provinz

Anlässlich der heutigen Mobilisierung gegen das Rechtsrockevent “Eichsfeldtag” möchten wir an folgender Stelle ein paar Worte dazu verlieren, was es heißen sollte heute sich als Antifaschist zu bezeichnen, besonders in der Provinz.

Antifaschismus befindet sich spätestens seit dem von Gerhard Schröder ausgerufenen “Aufstand der Anständigen” im Jahr 2000, in der paradoxen Situation sich immer wieder zwischen staatstragenden Antirechtsaktivismus und selbstzweckhafter Selbstermächtigung zu bewegen.
Je nach Situation bleiben ihm nicht viele Optionen sich sinnhaft einzubringen, ohne zum Selbstzweck zu werden. Wer denkt durch ein paar “Nazis raus” Rufe oder Sitzblockaden ein Neonazifestival verhindern zu können, der hat keinen realitätsnahen Bezug dazu was möglich und sinnvoll ist. Verbote, wie die des Rechtsrockgroßevents in Mattstedt sind nur durch die Ordnungsbehörden möglich und auch diese sind eher Zufall als alles andere.

Antifaschismus muss sich dementsprechend an den vorhandenen Verhältnissen messen lassen und fällt und steigt mit seinem Bezug zu diesen. Wo sich der Antifaschismus der Szene- und Studentenstädten zu einer identitätsstiftenden Freizeitaktivität entwickelt hat, bei denen man sich heldenhaft seine Gesinnung im Kampf gegen die paar übriggebliebenen Proleten beweisen kann, anstatt sich dem politischen Islam und dessen Gehilfen in den Moschee- und Kulturvereinen anzunehmen, ist er in der Provinz durch seine Hilflosigkeit geprägt, aufgrund der Enge des Landlebens, der Verschwiegenheit der Dorfgemeinschaft und deren Wunsch nach der repressiven Idylle.

Gerade in der ländlichen Provinz bleibt Antifaschismus in seinem klassischen Sinne notwendig, da der Aufstand der Anständigen und die Verdrängung der sozial deklassierten aus ehemaligen urbanen Molochen in die Vorstädte, sowie die Verelendung der ländlichen Regionen, in der Provinz nur weiter das Elend und die Verbitterung hervorgekehrt hat. Diese mündet in der falschen Angst vor der Verdrängung und der richtigen Vorahnung der eigenen Überflüssigkeit. Doch muss er sich auch bewusst sein, dass der Kampf gegen Neonazistrukturen ähnlich den bürgerlichen Heimatschützern zugutekommt und muss dies ebenso heftig kritisieren.

Die Reaktion in den Provinzen ist mittlerweile, dass man auch hier eher “Bunt statt braun” sein will, man will auch weltoffen und attraktiv-verwertungsnah sein, wo sich eigentlich der Unmut über die offensichtliche Abgehängtheit weiter breitmacht. Doch bleibt dieser Versuch vor allem besetzt als ein Standortschutz und eine Bewahrung der Idylle, die in letzter Instanz wirkungslos bleiben muss. Das Problem erscheint nicht dringlich, weil es grundlegend falsch ist, sondern weil es die falsche Idylle dort aufdeckt, wo man ihre Störung am liebsten wieder vergessen würde. Neonazis in Thüringen können, trotz ihrer marginalisierte Existenz, ihren verlorener Kampf um die Vernichtung alles “volksfremden” mit einem nicht unbeachtlichen Erfolg fortsetzen. Dass erscheint kaum ein Problem, solange man dem ein konfliktfreies “Bunt statt braun” entgegensetzen kann, dass wenig Einsicht bietet und nicht selten in einen blanken Proletenhass, gegen die minderbemittelten Standortfeinde ausartet.

Die Enge der Provinz verhindert auf doppelte Weise die vernünftige Einsicht in die eigene Lage. Die Unerträglichkeit von sozialer Ausgestoßenheit und Perspektivlosigkeit einerseits und die daraus erwachsenden Gewalt andererseits werden bunt angemalt und sollen dadurch erträglich scheinen. Diejenigen die sich hiergegen positionieren bleiben hilflos zurück oder fliehen in den urbanen Raum. Die Verschwiegenheit des Dorfes soll wieder aufgebaut werden, notfalls auch mit den absurden “Bunt statt Braun” Sprüchen, die nicht nur der Realität aufgrund der homogenen Bevölkerungsschichten fremd sind, sondern auch die eigene Notlage immer wieder verkennen in der sich das Gewaltverhältnis aufbaut.

Antifaschismus kann in dieser Gemengelage nicht die Affirmation des bunten Heimatschutzes sein, er kann aber auch nicht der umstandslose Hass auf die provinziellen Proleten sein, der ähnlich in einer in Affirmation der parteinahen, moralinsauren Standortbeschützer endet. Antifaschismus muss es hier schaffen die radikale Kritik am Bestehenden weiter zu greifen als im allgemein konsensfähigen Kampf gegen Neonazis, der in seiner Radikalität notwendig bleibt, aber eben nicht auf dem Niveau eines Bürgerbündnis stehen bleiben kann um in der Irrelevanz zu enden.

Daher verstehen wir uns notwendig bedacht auf den Kampf gegen Neonazistrukturen, die Allen die offen gegen sie entgegentreten oder einfach nur durch Existenz als unliebsam abgestempelt werden, das Leben zur Hölle macht, aber sehen uns ebenso in der Stellung gegen diejenigen Stellen, die diesen Kampf nur aufnehmen um ihren Standortschutz betreiben zu können und denen die Enge der Dorfgemeinschaft eigentlich behagt. Gleichzeitig forcieren wir die Parteinahme den politischen Islam, der sich nicht nur in Gestalt der seltsamen Salafisten zusammenrottet, sondern in Anzug und ohne Krawatte in Vereinen und Moscheen ihre reaktionäre Ideologie ausbreiten kann und der Stück für Stück das bisschen verbliebene jüdische Leben in Europa unmöglich macht.

Antifaschismus der die Realität der Verhältnisse ernst nimmt muss sich dieser Gemengelage gewahr bleiben oder werden um nicht im wahnhaften und beliebigen Aktivismus zu enden. Hauptsache gegen Rechts gewinnt zwar heute den Applaus von fast allen, bleibt aber wirkungslos. Stattdessen gilt es sich den Rechten, den Linken und den religiös-islamischen Feinden einer möglichen Emanzipation entgegenzustellen.

Für uns heißt das heute den Strukturen einer Neonazirechtsrockindustrie entgegenzutreten. Es heißt aber auch das wir hier nicht stehen bleiben und uns ebenso gegen den politischen Islam und die Verirrungen der wahnhaften Linken stellen werden.

Es reicht. Schluss mit dem Neonazi-Festival „Eichsfeldtag“ in Leinefelde

Am 01. September diesen Jahres wird die neonazistische NPD zum achten Mal in Folge den “Eichsfeldtag” in Leinfelde veranstalten. Wie in den Jahren zuvor wird es einige hundert oder sogar tausend Neonazis in die Nordthüringer Kleinstadt ziehen. Wieder einmal werden sie ihren Vernichtungsfantasien Ausdruck verleihen, bei Bratwurst und Bier Hass auf Minderheiten schüren und wieder einmal werden Neonazi-Strukturen eine ordentliche Finanzspritze bekommen. Doch das, was dort in Leinefelde passieren wird, ist in Thüringen kein Einzelfall.


1. Thüringen als Bundeszentrale für Rechtsrock-Events

2011 fand der Eichsfeldtag das erste Mal auf dem Leinefelder Ohne-Sportplatz statt. 400 Neonazis fanden den Weg in die Kleinstadt zum Auftakt einer Festival-Reihe, die seither zwischen 300 und 800 Rechtsrock-Fans anziehen sollte. Die Organisation dieser Veranstaltungen verläuft immer gleich: Angemeldet wird eine politische Kundgebung mit Musik, kein Konzert. Somit lässt sich rein rechtlich nur schwer dagegen vorgehen. In den letzten Jahren hat sich lediglich geändert, dass die Stadt Leinefelde einen Wasser- und Stromanschluss auf den alten Sportplatz legen lies. Die Zielsetzung war, den Platz für Veranstaltungen zu öffnen. Da der Eichsfeldtag jedoch die einzige größere dort stattfindende Veranstaltung ist, muss sich die Stadt den Vorwurf gefallen lassen, der Etablierung des Spektakels Tür und Tor geöffnet zu haben. Doch nicht nur im äußeren Nordwesten des Bundeslandes finden regelmäßig Neonazi-Festivals statt. Auch andere Großveranstaltungen dieser Art bündeln jedes Jahr auf’s Neue Tausende Neonazis in Thüringer (Klein-)städten. Der ebenfalls von der NPD ausgerichtete “Thüringentag der nationalen Jugend” beispielsweise zieht seit 2002 von Stadt zu Stadt und verzeichnet dabei zwischen 300 und 800 Teilnehmern. Auch recht bekannt dürfte das seit 2003 in Gera stattfindende “Rock für Deutschland” sein, das zu Spitzenzeiten 4.000 Neonazis (2009) in die Otto-Dix-Stadt mobilisierte. Während einige Thüringer Rechtsrock-Festivals wie das “Fest der Völker” bereits der Vergangenheit angehören, sind andere, wesentlich Teilnehmerstärkere Veranstaltungen auf dem aufsteigenden Ast. Seit 2016 findet im ostthürigischen Themar das Festival “Rock gegen Überfremdung”, statt, das letztes Jahr 6.000 Besucher auf den Plan rief. Die ebenfalls von Neonazi Tommy Frenck organisierte Vorgängerveranstaltung “Rock für Identität” feierte 2015 in Hildburghausen ihr Debüt.


2. Thüringen als rechte Gelddruckmaschine

Zählt man all diese – vorwiegend kommerziellen – Veranstaltungen zusammen, stellt sich relativ schnell die Frage, wie viel Geld Thüringer Neonazis eigentlich durch ihre braune Erlebniswelt verdienen. Laut MoBiT, der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Thüringen, fanden im vergangenen Jahr 59 registrierte Rechtsrock-Veranstaltungen in Thüringen statt. Die Grauzone dürfte bei mehr liegen. Unterm Strich heißt das: Mindestens ein rechtes Konzert pro Woche. Damit ist Thüringen unangefochtener Spitzenreiter auf diesem Gebiet. Während die etwas kleineren Konzerte und Liederabende unter Ausschluss der Öffentlichkeit für einen kleinen Obulus stattfinden, werden die Blockbuster in der rechten Szene groß beworben und haben Eintrittspreise, die durchaus mit denen größerer kommerzieller Künstler vergleichbar sind. Der Recherche-Blog thueringenrechtsaußen hat für das Festival “Rock gegen Überfremdung II” in Themar 2017 die immense Gewinnspanne der Neonazifestivals vorgerechnet. Die Neonazis kommen hier auf 200.000 € Gewinn bei einem Umsatz von 250.000 € bis 325.000 €. Wie viel Geld die rechte Szene aufgrund ihrer musikalischen Aktivitäten in Thüringen pro Jahr erwirtschaftet, kann man nur spekulieren. Es ist allerdings von einem mindestens sechs- wenn nicht sogar siebenstelligen Wert auszugehen.


3. Thüringen als braunes Herz der Republik

Doch nicht nur rechte Musikevents zeichnen die Thüringer Neonazi-Strukturen aus. Auch Immobilien und Onlineshops bieten eine wohlwollende Grundlage für eine gut funktionierende Vernetzung und Finanzierung der rechten Szene. Neben Thorsten Heise, dem Anmelder des Leinefelder Eichsfeldtages und Landesvorsitzenden der NPD Thüringen, betreiben mindestens noch 4 andere Thüringer Szene-Größen rechte Versandhandel. Neben Nazi-Kitsch, Rechtsrock-CDs und einschlägiger Kleidung sind vor allem Waffen ein wichtiges Standbein der völkischen Kaufleute. Die Bandbreite reicht dabei von Elektroschockern über Teleskopschlagstöcke, Reizgasen, Pfeffersprays und Baseballschlägern bis hin zu professioneller Polizei-Schutzausrüstung. Vor allem um die Zeit der sogenannten “Flüchtlingskrise” 2015 und 2016 nahm laut eigenen Aussagen die Nachfrage an Waffen zu. Etwa zur gleichen Zeit häuften sich nicht nur rassistische und völkische Demonstrationen in Thüringen und bundesweit, auch bewaffnete Übergriffe durch Neonazis auf Geflüchtete und politische Gegner nahmen zu. Ein aktuelles Beispiel dieser Überfälle ist der Angriff auf zwei freie Journalisten im Eichsfeld Ende April diesen Jahres. Die beiden wurden in ihrem Auto brutal von der Straße abgedrängt und anschließend mit Messern, Reizgas und Schraubschlüsseln attackiert. Anschließend wurde ihre Foto-Ausrüstung geraubt und das Auto stark demoliert. Dieser Vorfall reiht sich in eine lange Liste rechte Gewalttaten in Thüringen ein. Darüber hinaus sind Thüringer Neonazis bundesweit und international gut vernetzt. Sie organisieren Konzerte in anderen Bundesländern wie im April im Sächsischen Ostritz, sowie international in der Schweiz oder Frankreich.

Nicht nur Leinefelde ist also von dem Problem eines rechten Großevents betroffen. Die einfache Forderung, man wollte die Neonazis ausgerechnet hier nicht haben, wird also dem Problem nicht gerecht. Wenn sie ihre Kassen nicht in Leinefelde füllen können, veranstalten die Rechten ihre Konzerte eben woanders. Trotzdem sprechen mehrere Gründe dafür, gerade in Leinefelde gegen den Eichsfeldtag als eines der vielen Thüringer Rechtsrock-Events auf die Straße zu gehen. Während in anderen Gemeinden wie beispielsweise Themar wenigstens noch versucht wird, den Großevents durch Naturschutzauflagen Herr zu werden, hat die Stadt Leinefelde den Neonazis durch die Erschließung des Grundstückes eine Ausrichtung ihres Eichsfeldtages beinahe attestiert. Zudem ist das Event das ganz persönliche Aushängeschild von NPD-Landeschef Thorsten Heise und dürfte damit zumindest in seinem Dunstkreis, zu dem auch der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag Björn Höcke zählt, einen hohen Grad an Selbstzufriedenheit hervorrufen.

Thüringen ist eines der wenigen Bundesländer in denen die Neonazis sich in der strukturschwachen Region noch als heldenhafte Kämpfer für soziale Gerechtigkeit inszenieren können indem sie stumpf einen völkischen Rassismus vorneweg tragen, der glücklicherweise in anderen Teilen des Landes kaum noch Fuß fassen kann. Am Leben erhalten können sie sich, in Zeiten einer desaströsen Finanzlage der NPD und marginalem Erfolg anderer neonazistischen Kleinstparteien, nur durch Events wie dem Eichsfeldtag und den zahllosen anderen Konzerten in Thüringen. Deswegen bleiben wir dabei und sagen: Es reicht! Neonazistrukturen müssen konsequent ihre letzten Möglichkeiten zum Überleben genommen werden, egal ob hier, in Themar oder anderswo!

Du willst den Aufruf unterzeichnen? Hier entlang!

Weitere Infos zur Demonstration findet ihr unter:  https://esreichtlfd.wordpress.com/

Was kommt eigentlich nach der Farce?

Das Verhältnis der radikalen Linken zur Realität ist seit Jahrzehnten getrübt. Die eigene gesellschaftliche Ohnmacht lies selbst die letzten Refugien der Vernunft austrocknen. Zwar tanzen einige volltrunkene Stadtindianer noch um die Asche in der Hoffnung, aus der Schlacke zumindest etwas persönlichen Profit zu schlagen, aber außer dem üblichen deutschen Winnetou-Getue ist hier wahrlich nichts mehr zu holen.

Statt sich endlich an die kritische Analyse der historischen Niederlagen der Arbeiterbewegung heranzuwagen, wird fleißig auf scheintote Subkulturen eingeprügelt. Dieses Mal soll es die letzten verbliebenen „antifaschistischen Gruppen“ treffen. Weil selbst den Organisatoren dieser Selbstkasteiungsveranstaltung1 die Relevanz der eigenen Subkultur derart gering erschien, musste in der Ankündigung der zu kritisierende Gegenstand grandios aufgeblasen werden.

Seit wann die Streetfighter gegen die Fußtruppen der Reaktion als Pioniere „zu einer Gesellschaft, die den Kapitalismus überwunden hat“ gelten, bleibt das große Geheimnis der Veranstalter. Selbst die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation wusste bei ihrer Gründung vor über 25 Jahren insgeheim, dass das Konzept des revolutionären Antifaschismus eine ideologische Luftnummer ist. Der Abwehrkampf gegen die Wiedergänger der Nationalsozialisten lies keine Zeit, um über irgendwelche emanzipatorischen Wunschvorstellungen zu referieren. Zumindest nicht dort, wo es tagtäglich brannte…

Die „Reproduktion von traditionell männlichen Verhaltensweisen“ dann zielgenau bei denjenigen zu suchen, die am Geburtstag von Adolf Hitler ebenso wie am alljährlichen Männertag Patrouille liefen oder den christlichen Lebensschützern die Läden demolierten, ist ein absolutes Armutszeugnis. Hier geht es keineswegs um Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, sondern um die Bestätigung von lang gehegten Ressentiments. Der kaum noch existierenden Antifabewegung angesichts der Randale anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg einen aggressiv-männlichen Habitus vorzuwerfen, zeigt die völlige Verkommenheit aller daran Beteiligten.

Dass die Referentin mit den akademischen Referenzen selbst dann nicht ihre privilegierte Position erkennt, wenn sie gerade auf dem Weg ist, der badischen Provinz-Antifa richtiges Benehmen beizubringen, ist wohl dem Umstand zu verdanken, dass eine narzisstisch gekränkte Person noch jede Einladung annimmt, die ihr unterbreitet wird. Es wäre aus unserer Sicht weitaus besser gewesen, aus derselben Stadt einen Referenten einzuladen, der die enormen Wahlerfolge der AfD in Baden-Württemberg analytisch aufbereitet. Das wäre Antifaschismus auf der Höhe der Zeit.

Antideutsche Aktion Baden im April 2018

  1. https://www.facebook.com/events/352298741948616/ [zurück]

Leinefelde: WARNUNG / WARNING / paralajmërim / avertissement / uyarı / تحذير

WARNUNG

Dieses Wochenende am 06. Mai findet mal wieder der jährliche NPD Eichsfeldtag statt. Das von Neonazis um Thorsten Heise und Mathias Fiedler organisierte Rechtsrockfestival zieht jährlich einige Hundert Neonazis an. Es ist damit zu rechnen, dass bis zu 500 gewaltbereite Neonazis in die Kleinstadt kommen, um das Neonazifestival zu besuchen. Wir raten daher den im Landkreis ansässigen Antifaschisten, Alternativen & Migranten zu äußerster Vorsicht und allen anderen von einem Besuch in Leinefelde für diesen Tag ab.
Das Bündnis gegen Rechts im Eichsfeld hat eine Gegendemonstration um 14 Uhr in Leinefelde angemeldet und ruft Bürger und Antifaschisten dazu auf, sich daran zu beteiligen. Dies halten wir für fatal und gefährlich, vor allem in Anbetracht dessen, dass ein marginalisiertes Bündnis gegen Rechts, was in den letzten jahren nicht mehr als 150 Bürger auf die Straße gebracht hat. Die Demo wird also nicht in der Lage sein, sich selbst zu schützen und auch die An- und Abreise bergen ein Gefahrenpotential, das uns dazu veranlasst, dringend davon abzuraten, an diesem Tag nach Leinefelde zu fahren bzw. den Linken und Migranten vor Ort zu empfehlen, zu Hause zu bleiben. Bei der An und Abreise ist Vorsicht geboten. Am Bahnhof und auf den umliegenden Dörfern ist es nicht unwahrscheinlich bei An- und Abreiseauf Nazis in Fahrgemeinschaften zu treffen.

Passt auf euch auf und nehmt euch einen Tag Urlaub und fahrt lieber irgendwohin wo es schöner ist, als Leinefelde/Eichsfeld.

WARNING

This weekend May 6th the annual event “NPD Eichsfeldtag” takes place again.
Organized by the Neo-Nazis Thorsten Heise and Mathias Fiedler, it attracts several hundred Neo-Nazis. It is most likely that this year up to 500 Neo-Nazis – willing to use violence – will come to the small town of Leinefelde in order to to visit the festival.
Therefore we recommend to those Antifascists, Alternatives and Migrants living in the region to be careful. All others are strongly advised not to go to Leinefelde that day. The “Bündnis gegen Rechts” (literally anti right-wing alliance) in Eichsfeld announced to hold a rally against the Nazi-festival and calls for support from citizens and Antifascists. We think this is utterly dangerous because this alliance barely managed to mobilize only 150 people. Therefore the rally will not be able to defend itself and also the arrival and departure will be risky. So again we have to urgently advise Leftists and Migrants not travel to Leinefelde but to stay home.
If you go to there keep your guard up during the arrival and departure, for it is almost certain that you will encounter groups of Nazis at train stations near Leinefelde.

Take care of yourself and take a day off and rather go somewhere, where it’s nicer than in Leinefelde/Eichsfeld.

Paralajmërim

Këtë fundjavë më datë 6. Maj zhvillohet përsëri ne Eichsfeld NPD ( Dita e Partis Nacional Demokratike të Gjermanisë) . Këtë e Organizon Thorsten Heise dhe Mathias Fiedler dhe është një rockFestival Nazist ( kundër emigranteve dhe të huajve ose të ashtu quajturit Jo-Gjermanëve). Aty do të jenë Mbi 500 Nazistë që festojne dhe protestojnë!
Prandaj ne ju paralajmërojmë juve qe në këtë ditë të mos jeni të pranishëm ne këtë qytet të quajtur Leinefelde qe ndodhet në rrethin e Eichsfeld ! Qytetarët kanë vendosur dhe kanë bërë kërkesë ne bashkinë e komunës qe ne orën 14:00 të dalin në protestë kundër këtij Festivali në Leinefelde

Paralajmërojmë emigrantët antifashistët dhe njerëzit alternative se kjo do të ishte e rrezikshme sepse ne vitet e fundit skane qënë më shumë se 150 Veta ne demostratë kundër Nazistëve dhe nazistët janë shumë ne numer , prandaj cdo kush do të ishte i dobishëm. U bëhet thirrje emigranteve antifashistët edhe njerëzit alternative të qendrojnë në shtëpi në këtë ditë dhe të mos jenë të pranijshëm aty per vizitë ose dicka të tille ne këtë qytet.

Nuk është e habitshme që ne stacionin e trenit të takohemi me të ktille njerëz prandaj ruani veten dhe njerëz të tjerë që Mund të ishin “viktima” të kësaj dite!

avertissement

Ce week-end, le 6 mai, l’annuel “NPD Eichsfeldtag” a lieu encore une fois. Organisé par les néo-nazis Thorsten Heise et Mathias Fiedler, le festival de rock de droite attire plusieurs centaines de néo-nazis chaque année. Il est prévu que jusqu’à 500 violents néo-nazis viennent visiter ce festival. Nous recommandons aux antifascistes, aux personnes liées à des mouvements alternatifs, aux migrants et à tous les autres de faire preuve d’une extrême prudence lors d’une visite à Leinefelde durant cette journée.
L’Alliance contre la droite de Eichsfeld organise une contre-manifestation à 14 heures á Leinefelde et ils appelent les citoyens et les antifascistes à s’engager à participer. Nous considérons cette contre-manifestation fatale et dangereuse, parce que les dernières années, cette alliance ne pouvait pas mobiliser plus de 150 citoyens dans la rue. Donc les manifestants ne seront pas en mesure de se protéger, durant toute la manifestation, ce qui est dangereux. Cela nous amène à vous dissuader fortement d’aller à Leinefelde ce jour-là. Nous conseillons aux réfugiés et aux personnes politisées à gauche vivant sur place de rester chez elles, et de se tenir écartées de la gare. À la gare et dans les villages alentours de Leinefelde il est possible de rencontrer des groupes de nazis en déplacement.

Prenez bien soin de vous et venez en vacances pour une journée dans un lieu plus agréable que Leinefelde / Eichsfeld.

uyarı

Bu haftasonu 6 Mayıs Cumartesi günü yine her yıl yapılan NPD Eichsfeldtag düzenlenecek. Thorsten Heise ve Mathias Fiedler gibi neonaziler tarafından organize edilen sağcı rock partisine bir çok neonazi katılıyor. Buraya en az 500 şiddet kullanmaya hazır neonazinin geleceği düşünülmekte, bu yüzden burada oturan antifaşist, alternatif ve göçmen vatandaşları dikkatli olmaları ve Leinefelde’yi ziyaret etmemeleri konusunda uyarmak istiyoruz.

Sağcılara karşı Eichsfeldde kurulan ittifak saat 14:00 te karşıt bir eylem yapacağını duyurdu ve bu eyleme antifaşistler ile vatandaşları katılmaya davet etti. Bizler bu durumun çok tehlikeli olduğunu düşünüyoruz, zira marjinal sağcı karşıtı ittifak geçen yıllarda eylemlerine 150den fazla katılımcı bulamamıştı. Bu nedenle yapılacak olan bu eylemde katılımcıların kendilerini koruma imkanları olmayacağı açıktır. Dolayısıyla o gün Leinefelde’ye gidilmemesi konusunda vatandaşları uyarmak istiyoruz. Orada yaşayan solcu arkadaşlarımızın ve göçmenlerin evlerinde kalmasını tavsiye ediyor, bölgeye yapılacak olan seyahatlerde nazilerle karşılaşmak mümkün olabileceğinden dikkatli olunmasını öneriyoruz. Bir günlük tatil yapın ve Leinefelde/Eichsfeld’den daha güzel olan başka bir yere gezmeye gidin.

تحذير

NPD في أيار يبدأ يوم ال6 نهاية هذا السببوع ,الواقع في . السبنوي في أيشسبفلد مهرجان حزب اليمين المنظم من قبل النازيين الجدد بواسبطة يجذب سبنويا مئات النازيين Mathias Fiedler و Thorsten Heise ومن المتوقع أن يصل عددالنازيين ذوي الميول العدوانية 500القادمين الى المدينة لزيارة المهرجان الموسبيقي الى نازي .لذلك نوصى سبكان المنطقة المناهضين للفاشية، واليسباريين والجانب إلى توخي الحذر الشديد,وسبائر الشخاص في هذا اليوم Leinefelde الخرين من زيارة
نظم مظاهرة مناهضة في Eichsfeld التحالف ضد اليمينيين في 14في السباعة Leinefelde ويدعو المواطنين والمناهضين للفاشية لذلك.
ونحن نعتبر هذا خطأ جسبيم وخطير ، ول سبيما بالنظر إلى أن التحالف ضد اليمينيين مهمش، وانه جلب في السبنوات الخيرة مواطنا الى الشارع 150 .ما ل يزيد عن
المظاهرة ل تسبتطيع وحدها حماية نفسبها وان الوصول الى المظاهرة و الرحيل خطر
لذلك ل ننصح بالذهاب الى هناك في هذا اليوم
ونوصي اليسباريين والجانب في المنطقة , البقاء في المنزل ننصح ايضا بأخذ الحيطة والحذر في الذهاب الى المظاهرة والعودة منها
من المحتمل مقابلة النازيين في محطة القطار والقرى المجاورة عند الذهاب للمظاهرة والعودة
انتبهوا على انفسبكم وخذوا قسبطا من الراحة واذهبوا الى Leinefelde/Eichsfeld اماكن اخرى حيث هي اجمل من

Warum wir Linke über den Islam nicht reden können

Vortrag und Diskussion mit Sama Maani

Wie kommt es, dass viele Linke die Ablehnung des Islam als „rassistisch“ wahrnehmen – nicht jedoch die Ablehnung des Christentums? Dass Ressentiments gegen Türken oder Araber „Islamophobie“, Ressentiment gegen christliche Nigerianer jedoch nicht „Christentumophobie“ genannt werden? Warum wurden die Demonstranten des arabischen Frühlings in erster Linie als „Moslems“ bezeichnet, die Demonstranten der Occupy-Bewegung aber nicht als „christlich“? Warum reden wir, wenn wir vorgeben über den Islam zu reden, über alles mögliche andere (Terrorismus, Migration, „Integration“) – nur nicht über den Islam? Und: Was hat unser (Nicht-)Reden über den Islam mit unserer eigenen Beziehung zur Religion zu tun?

Der Vortrag mit Sama Maani ist organisiert von Association Progrès und dem FSR SoWi – Fachschaftsrat Sozialwissenschaften Göttingen.

05.05.2017 | 18:00 Uhr | T 01, Platz der Göttinger Sieben 2

Die Erben Dimitrovs

Antifaschismus im Südwesten

Blickt man auf die Berufsrevolutionäre im Südwesten, stellt man einen politischen Stillstand fest, der sich nur durch eine hartnäckige, narzisstische Ignoranz erklären lässt. Das immergleiche Gerede von der „revolutionären Perspektive“, die es zu schaffen gelte, versetzt jeden, der so viel Langeweile nicht gewohnt ist, direkt in ein Wachkoma. Homepages und blogsport-Seiten verbreiten die frohe Kunde der Revolution, die jedoch nur ein trauriger Abklatsch alter Leninzitate ist und deren Pathos den inhaltslosen Tatendrang preisgibt, dem sich die roten Revolutionäre mit Haut und Haaren verschrieben haben. Zentral für den Stillstand der südwestdeutschen Antifa ist – und das ist ganz bestimmt kein Alleinstellungsmerkmal – die ungebrochene Liebe zur Dimitrov-These.
Bekanntlich stellte Georgi Dimitrov 1935 auf dem VII. Weltkongress der Komintern eine Faschismusanalyse vor, die damals schon nicht zutraf. Darin wird der Faschismus als „die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ (1) beschrieben. Wenn die bürgerliche Demokratie im Kapitalismus in die Krise gerät, suche sich die herrschende Bourgeoisie „immer mehr ihre Rettung im Faschismus, um die schlimmsten Ausplünderungsmaßnahmen gegen die Werktätigen durchzuführen“ (2). Alle Ursachen des Faschismus werden auf den Kapitalismus reduziert und die konkreten Auswirkungen treffen primär die „werktätigen Massen in Deutschland“ (3). Die These Dimitrovs empfing die linke Internationale wie Moses die Zehn Gebote. In Stein gemeißelt gehört sie heute noch zum Elend linker Theoriebildung. Wer seinen antifaschistischen Tatendrang begründet wissen will, schaut entweder direkt in die Zehn Gebote Dimitrovs oder sucht sich einen beliebigen Antifablog im Ländle aus. Wir lernen beispielsweise bei der Antifaschistischen Aktion Aufbau Stuttgart: „Faschismus bedeutet – materiell betrachtet – eine extreme Steigerung kapitalistischer Phänomene, wie Ausbeutung, Unterdrückung, Leistungszwang usw. und erfüllt Funktionen, die dem kapitalistischen System insbesondere in Zeiten tief greifender Krisen sehr nützlich sind – wie die Zerschlagung von Gewerkschaften und links oppositionellen Strukturen, die in eben solchen Krisenzeiten eine hohe gesellschaftliche Relevanz entwickeln können.“ Folgerichtig wird der Nationalsozialismus im nächsten Abschnitt relativiert und auf das beschränkt, was in der DDR zum Gründungsmythos gehörte: „Das beste Beispiel ist der Nationalsozialismus, also die spezifisch deutsche Ausprägung des Faschismus, innerhalb dessen als erstes alle oppositionellen politischen Kräfte verboten wurden, folglich die Opposition in die Illegalität gehen musste. Die ersten, die in Arbeits- und Konzentrationslagern gefoltert und ermordet wurden, waren KommunistInnen, SozialistInnen und sonstige politische WiderständlerInnen.“ (4) Auch in Villingen-Schwenningen ist der Zeiger stehen geblieben. In ihrer Gründungserklärung findet sich eine „Knappe Analyse“ zum Faschismus, die keine Wünsche offen lässt: „Wir begreifen den Faschismus als Ideologie, die die extremste und reaktionärste Form der Klassengesellschaft darstellt. Der Faschismus als Staatsform stellt keinen grundsätzlichen Bruch mit der bürgerlichen Gesellschaftsordnung dar, vielmehr greift er dort vorhandene Versatzstücke wie Rassismus, Sozialchauvinismus und Nationalismus auf und treibt sie ins Extreme.“ (5) Die Antifa in Freiburg spricht vom Staat als fiesem Gegenspieler, der die liebe „revolutionäre Perspektive“ verunmögliche, weshalb „der bürgerliche Staat auch immer wieder mit faschistischen Bewegungen zusammen“ arbeite um „die Gefahr einer revolutionären Umwälzung von links“ (6) zu vermeiden.
Wo man die Mythen der warenförmigen Gesellschaft nicht zur Aufklärung treibt, verkommt die Kapitalismuskritik zu einer Regression, die bekämpft werden muss. Das personifizierte Kapital gab „Antikapitalisten“ jeder Couleur schon seitjeher Anlass zum Pogrom. (7) Antifaschisten, die den Faschismus noch im 21. Jahrhundert allen Ernstes als eine vom Staat bzw. der Bourgeoisie eingesetzte Macht zur Abwehr ihrer nichtigen „revolutionären Perspektive“ auffassen, sind als unverbesserliche Narzissten zu denunzieren. Einer Analyse nachzuhängen, die nicht nur falsch, sondern auch regressiv ist, birgt nicht selten die Gefahr selbst zur Regression zu werden. So verwundert es nicht, dass auch die braunen Kameraden des „Antikapitalistischen Kollektivs“ eine ähnliche Analyse bereithalten. Sie planen „umfassend gegen die Symptome und die kapitalistische Bedrohung an sich vorzugehen. Wir wollen die Komplexität dieses Systems aus Unterdrückung, Ausbeutung und Zerstörung nicht nur benennen, sondern uns den einzelnen Protagonisten und Akteure aktiv entgegen stellen.“ (8)
Theoretisch steht die rote Antifa im Südwesten mit einem Fuß in der Querfront – ihr Dasein und Wirken ist nur noch Selbstzweck. Damit ist der süddeutsche Antifaschismus vor allem eins: deutsch.

Antideutsche Aktion Baden

(1)http://www.marxists.org/deutsch/referenz/dimitroff/1935/bericht/ch1.htm#s1
(2)Ebd.
(3)Ebd.
(4)https://www.antifa-stuttgart.org/standpunkte/
(5)https://antifavs.noblogs.org/grundungserklarung/
(6)http://www.antifaschistische-linke.de/PDF/2011-12-10-flugblatt.pdf
(7) Vgl. Scheit, Gerhard: Verborgener Staat, lebendiges Geld. Zur Dramaturgie des Antisemitismus, Freiburg 2006, S. 14: „Für den Antisemitismus ist das Moment der Verkörperung eine Schlüsselfrage. Mögen seiner Phantasie nun Gottesmörder oder Wucherer, schöne Jüdinnen oder ewigen Juden, Ritualmörder oder raffende Kapitalisten entspringen – sie ist stets vom selben Wunsch besessen: das Unheimliche des abstrakt gewordenen Reichtums, das ‚sich selbst vermehrende‘ Geld, zu personifizieren.“
(8)http://www.antikap.org/?page_id=22

Straight to Hell!

Weg mit den braunen Zonen! Weg mit der AfD!

Demonstration an Himmelfahrt (Donnerstag, 5. Mai 2016),
15:00 Uhr in Bornhagen/Thüringen.

Bornhagen ist ein Nest im Thüringischen Eichsfeld. Dort wohnt nicht nur der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, die wohl unangenehmste Gestalt der an unangenehmen Gestalten nicht gerade armen Führungsriege der Partei. Bornhagen steht vielmehr pars pro toto für die Dutzenden Käffer, in denen die Alternative Futterneid, Enthemmung und Wutbürgertum heißt. Vermiesen wir dem Thüringer AfD-Häuptling und seinem Wahlvolk durch unsere bloße Anwesenheit ihr Himmelfahrtsvergnügen und sagen: Go straight to Hell!

Spätestens seit den letzten Landtagswahlen sind sich alle einig. Selbst diejenigen, die angesichts von Pegida, der Nazi-Riots von Freital oder Heidenau noch von einem ostzonalen Problem sprachen, glauben seit dem Einmarsch der AfD in die Landtage von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt zu wissen: Der wutbürgerliche Anti-Establishment-Gestus, der seinen organisatorischen Ausdruck in der Truppe um Frauke Petry, Alexander Gauland und Björn Höcke gefunden haben, ist ein gesamtdeutsches Phänomen. In der Tat zeigen die Wahlergebnisse von bis zu 15 Prozent im Westen, dass die AfD auch dort über eine große Anhängerschaft verfügt. Dennoch basiert die Rede von einem gesamtdeutschen Phänomen oder, direkt damit verbunden, einem flächendeckenden rassistischen Normalzustand vielfach auf einem interessierten Missverständnis. Vor allem den Vertretern des etablierten ostdeutschen Politbetriebes – von den ehemaligen Blockflöten bis zur Linkspartei – ist daran gelegen, die Amokläufe der Landeskinder/Ost zu verharmlosen, indem sie diese mit den Vorgängen jenseits der ehemaligen Zonengrenze aufwiegen.

Die Ossis des Westens

In letzter Konsequenz ist die Rede von den gesamtdeutschen Phänomenen AfD ein Angriff auf die Unterscheidungsfähigkeit, die zu den zentralen Voraussetzungen von Erkenntnis und Kritik gehört. Allen Angleichungen zum Trotz gibt es im Hinblick auf die Alternative für Deutschland nämlich ein dreifaches Gefälle: Die Partei ist eher – und darauf liegt die Betonung – ein Ost- als ein Westphänomen, sie findet ihre Wähler eher im ländlichen und mittelstädtischen Raum als in den Ballungszentren und sie ist eher in abgewirtschafteten als in boomenden Regionen erfolgreich.

Der Aufstieg der AfD im Westen geht nicht zuletzt darauf zurück, dass als Folge von Deindustrialisierung, dem Ende des Wohlfahrtsstaates, Arbeitslosigkeit und Prekarisierung auch dort in einigen Regionen ein Sozialtypus entstanden ist, dessen Vertreter wissenschaftlich exakt als Gefühlszonis bezeichnet werden können. Seiner Herausbildung kam eine Veränderung der öffentlichen Meinung entgegen: Gilt der qualifizierte Ausländer inzwischen als Bereicherung der Gesellschaft, sorgen die Angewohnheiten und Verhaltensweisen der vielbeschworenen Modernisierungsverlierer überall für Spott. Das ist nicht nur ein Signal an die bereits Abgehängten, sondern auch an den traditionellen, vom Abstieg bedrohten Mittelstand, der aufgrund fehlender Fremdsprachenkenntnisse und Computerskills befürchten muss auf der Strecke zu bleiben. Wie ihre Gesinnungsgenossen im Osten sehnen sich die Zornis des Westens nach dem traditionellen Volksstaat zurück, der vor den Anforderungen des internationalen Marktes beschützt und zumindest teilweise von der Sorge um den Verkauf der Ware Arbeitskraft befreit. Sie kämpfen gegen die drohende oder bereits stattgefundene Deklassierung und für eine staatliche Sozialpolitik, bei der wieder der Geburtsort darüber entscheidet, wer bei der Verteilung der Staatskohle bevorzugt wird.

Das ist auch der Dreh- und Angelpunkt ihrer regelmäßigen Bezüge auf die Nation. Die emotionale Bindung ans Vaterland ist weniger über die Nationalhymne vermittelt, die auch der herkömmliche AfDler kaum noch kennt, als über die alte D-Mark. Sie ist zum Symbol dessen geworden, was sich längst ins Zentrum des Nationalbewusstseins geschoben hat: das Sozialsystem (Krankenversicherung, Rentensystem, Arbeitslosengeld usw.), das inzwischen ebenso zur Disposition steht wie vor einigen Jahren die alte Währung. Das aufgedrehte Deutschland-Gedudel der AfD heißt weniger, dass man fürs Vaterland endlich wieder in den Schützengraben kriechen will, sondern dass sich Abstammung wieder lohnen soll.

Modell Islam

Dass sich diese Sehnsucht regelmäßig in Warnungen vor einer Islamisierung ausdrückt, mag zunächst willkürlich erscheinen. Und tatsächlich waren die einschlägigen Anti-Islam-Parolen von AfD und Co. stets auch Chiffren für ordinäre Ausländerfeindlichkeit. Das gilt nicht zuletzt für das seit Jahren von Parteienforschern beschworene „rechtsextreme Wählerpotential“, das die AfD überall abgreifen konnte. Trotzdem ist es kein Zufall, dass der Islam zum Symbol für die Krise des Etatismus wurde. Denn im Zuge der Umgestaltung des Wohlfahrtsstaates wurden zahlreiche Behördenaufgaben an gesellschaftliche und private Initiativen delegiert. So erhielt etwa die Familie als Betriebs- und Bedarfsgemeinschaft neue Bedeutung. Insbesondere in den Regionen, die der AfD und ihrer inoffiziellen Vorfeldorganisation Pegida als Vorhöfe zur Hölle gelten, in Kreuzberg, im Ruhrpott usw., gewannen auf den Feldern, die der Staat bei seinem Rückzug aufgab, islamische Institutionen und Communities an Boden.

Der Islam stellt die praktischen Mittel und das ideologische Rüstzeug bereit, um das Elend zu verwalten, für die sich der Staat nicht mehr verantwortlich fühlt. Krankenversicherung, Arbeitslosenunterstützung, Altersvorsorge? Das alles hat die Sippe zu gewähren. Religiöse Vorschriften, patriarchale Strukturen und Zwangsbindungen verbürgen die Haftung der einzelnen Mitglieder füreinander, Familiengerichte und Brüderverbände übernehmen den Job von Justiz und Polizei. Auch wenn hierzulande gezögert wird, islamischen Gangs auch offiziell staatliche Aufgaben zu übertragen, zeichnet sich ab, was z.B. in britischen Großstädten längst klare Konturen gewonnen hat: Um Kosten bei Integration und Verwaltung zu sparen, nimmt der Staat die integrierende Kraft islamischer Institutionen in Beschlag. So vollzog sich der Aufstieg des Islams zur Ideologie der Entrechteten europaweit nicht nur parallel zum Niedergang des Sozialstaates, sondern zwischen beiden Entwicklungen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang.

Der Otto-Normal-AfDler ist so stark auf den Islam fixiert, weil er für ihn Wunsch- und Angstbild in einem ist. Er sehnt sich auf der einen Seite nach dem Aufgehen des Einzelnen in der Gemeinschaft, dem Bedeutungszuwachs der Familie, traditionellen Rollenbildern und der Erlaubnis zum Losschlagen. Die Feindschaft gegen die Anhänger des Propheten geht in AfD-Kreisen insofern oft auf Neid zurück – die Umma ist die ersehnte Volksgemeinschaft. Auf der anderen Seite wird der Rückzug des traditionellen Wohlfahrtsstaates, der den Aufstieg des Islams zur Instanz großstädtischer Elendsverwaltung beförderte, hingegen befürchtet: Die islamischen Communities erinnern den bedrängten Mittelstand und die bereits Abgehängten auch an ihr eigenes Schicksal.

Besonderheit West

Neben den tatsächlichen oder halluzinierten Weltmarktverlierern spricht die Partei im Westen jedoch noch eine weitere Klientel an. Wenn es die dortigen Gefühlszonis nicht gäbe, könnte man den Eindruck gewinnen, dass unter dem Namen AfD in den alten und in den neuen Bundesländern zwei verschiedene Vereine auftreten, die um zwei unterschiedliche Wählergruppen werben. Denn trotz des Rückzugs von Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel aus der Partei ist der wirtschaftsliberale Flügel im Westen noch stark vertreten. Mehr noch: Seine Vertreter scheinen dort die Alphahähne innerhalb der AfD zu sein.

Die wirtschaftsliberale Fraktion spricht ein Publikum an, das es in der Zone kaum gibt: die traditionellen Wohlstandschauvinisten. Aus diesem Grund ging die AfD in Ost und West auch mit unterschiedlichen, teils gegenläufigen Parolen auf Wählersuche. So dürften die Forderungen nach der Abschaffung des gesetzlichen Mindestlohnes und der Senkung des Hartz-IV-Satzes, mit dem die Partei im Westen hausieren ging, beim AfD-Volk/Ost auf Ablehnung stoßen. Im weniger proletarischen Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz dürften sie der Partei dagegen einige Stimmen eingebracht haben. Das traditionelle, in beiden Ländern stark vertretene Mini- und Kleinunternehmertum ist von Saisonarbeitern, billigen Zulieferern usw. abhängig. Bei ihm hat sich der Traum vom starken Staat, der seine Interessen wahrt, vielfach mit dem Wunsch verbunden, nicht von den Ansprüchen des Prekariats belästigt zu werden.

Kurz: Sieht man von Neonazis und anderen klinischen Fällen, den Chem-Trail-Spezialisten, Spiritisten und weiteren Irren, ab, die sich von der AfD dies- und jenseits der Zonengrenze angesprochen fühlen, dann herrscht unter ihren Wählern im Osten die Sehnsucht nach einer Art – im Wortsinn – nationalem Sozialismus vor, der sein Vorbild in einer autoritäreren Version der sozialdemokratischen Rundumfürsorge der Ära Schmidt hat. Für ihre westlichen Wähler gibt die Partei dagegen eine Reinkarnation des Nationalliberalismus der Bismarck-Ära.

Epizentrum Ost

Weil es diesen Sozialtypus im Osten kaum gibt, die Zahl der tatsächlichen oder halluzinierten Weltmarktverlierer dort wesentlich größer ist und die Linkspartei mit ihrer Propaganda für einen autoritären Sozialismus und ihrem „Belogen-und-Betrogen“-Gejammer den Boden für die AfD bereitet hat, befindet sich die größte Fanbase der Partei auch weiterhin dort. So wurden die Wahlergebnisse, die die AfD in den alten Bundesländern erzielen konnte, in Sachsen-Anhalt noch einmal um mindestens zehn Prozent übertroffen. Umfragen bestätigen diesen Trend: Auch die Bewohner der anderen Zonenländer würden ihre Westverwandtschaft deutlich übertrumpfen, wenn man in den nächsten Wochen Demokratieoffensive spielen und sie an die Wahlurnen lassen würde.

Dieser Unterschied wird noch offenkundiger, wenn man das unterschiedliche Klima betrachtet, in dem die AfD in Ost und West agiert. Die Rede ist von den Handfestigkeiten, mit denen Nazis und andere Wutbürger in den letzten Monaten gegen Ausländer vorgegangen sind: Brandanschläge, deren Täter heimlich und nachts kommen, gibt es auch im Westen. Ansonsten kommt der Protest gegen Asylbewerberheime dort in der Regel jedoch zivilgesellschaftlich mit Bürgerinitiative und Unterschriftensammlung daher. Die Volksaufläufe, Krawalle und Blockadeaktionen sind hingegen fast ausschließlich ostzonale Phänomene. Setzt man die Bevölkerungszahl, den Anteil von Ausländern und die Zahl von Übergriffen zueinander ins Verhältnis, dann gilt zudem immer noch: Für einen Syrer ist es mindestens siebenmal gefährlicher, eine Diskothek in Guben als eine in Gießen zu besuchen.

Warum Bornhagen?

Es würde sich also eigentlich überall in der Ostzone – und in einigen Regionen des Westens dazu – anbieten, gegen die AfD zu demonstrieren. Dass wir uns dennoch für Bornhagen im thüringischen Eichsfeld entschieden haben, hat zwei Gründe: Zum einen lebt jemand in dem 300-Seelen-Kaff, der zu den wohl unangenehmsten Gestalten der Partei gehört: der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke, der erst vor einigen Monaten mit der Rede von einem „afrikanischen Ausbreitungstyp“ für Aufmerksamkeit sorgte. Zum anderen haben wir uns für Bornhagen entschieden, weil es gute Gründe dafür gibt, dass sich der im Westen aufgewachsene Höcke dort so wohl fühlen kann, dass er aus Hessen, wo er im Schuldienst tätig war, dorthin übersiedeln konnte: Der Ort ist so etwas wie das idealtypische AfD-Nest: Es liegt eher im Osten als im Westen, ist eher Dorf als Großstadt und eher abgehängt als prosperierend. Wohl auch deshalb erreichte die Partei dort schon zu einem Zeitpunkt, als sie noch in den Kinderschuhen steckte, erstaunliche Wahlergebnisse. Bei den letzten Thüringer Landtagswahlen im September 2014, also noch vor der Flüchtlingskrise, erzielte die AfD in Bornhagen mit 36,5 Prozent ihr absolutes Rekordergebnis.

Seit Höckes Zuzug und dem Aufstieg der AfD haben im Eichsfeld zudem militante Nazis, zu denen Höcke eine eher kreative Abgrenzungspolitik pflegt, an Stärke gewonnen. Für die wenigen Andersdenkenden der Region, mit denen wir uns ausdrücklich solidarisieren, ist es in diesem nie sehr wirtlichen Landstrich damit noch schwerer geworden. Es gibt insofern genügend Gründe, um in Bornhagen zu protestieren. Umso verwunderlicher ist es, dass bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, Höcke in seinem Heimatort auf den Zahn zu fühlen. Das ist auch der Grund für unsere Demonstration: Weil es sonst keiner tut, haben wir uns entschlossen, unsere Elfenbeintürme und Hartz-IV-finanzierten Großstadtvillen ausnahmsweise einmal zu verlassen, nach Bornhagen zu fahren und dem Björn zu zeigen, was eine Höcke ist. Vermiesen wir den AfD-Dörflern genau den Tag, an dem sie mal wieder so ausgelassen sein wollen wie sonst wohl nur dann, wenn jemand als Sau durch den Ort getrieben wird. Vermiesen wir ihnen durch unsere bloße Anwesenheit Christi Himmelfahrt!

Antideutsche Aktion Berlin (ADAB), Antifaschistische Gruppen Halle, Association Progrès Eichsfeld im April 2016

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