Kein Applaus für Scheiße

Trotz aller Beteuerungen und vielfach gezündeter Nebelkerzen wurde die Partei der Demokratischen Union (PYD) im Jahre 2003 auf direktem Befehl der eigentlich in der Türkei beheimateten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gegründet. Sie ist damit der organisatorische Wurmfortsatz der separatistischen Terrororganisation. Die Filiale im Norden Syriens wird ferngesteuert aus dem Hauptquartier und hängt wie ihre Mutterpartei ideologisch dem Personenkult um Abdullah Öcalan an. Selbstverständlich ist die PYD, wie die PKK, eine straff organisierte Kaderpartei. Alle wichtigen Funktionen haben loyale Mitglieder inne (1).

Abdullah Öcalan, der selbsternannte Anführer aller Kurden, nicht nur jener die in der Türkei leben, zog sich in der Vergangenheit schon einmal erfolgreich nach Syrien zurück. Nachdem im Juli 1979 in der Türkei eine Verhaftungswelle gegen führende Kader der PKK einsetzte, flohen einige Mitglieder, unter anderem der spätere Vorsitzende Öcalan, in das südliche Nachbarland. Unter dem Schutz des Assad-Regimes lebte er in Damaskus und baute von dort aus die terroristischen Strukturen der Organisation auf.

Als Israel im Jahr 1982 seine Armee in den Libanon schickte, kämpfte die PKK Seite an Seite mit den Palästinensern. Der – wenn auch im Vergleich zu anderen Terrororganisationen relativ geringe – Blutzoll sorgte für eine enorme Aufwertung der zahlenmäßig eher kleinen Truppe. Zu dieser Zeit fand die Ausbildung der Kämpfer in der von Syrien kontrollierten libanesischen Bekaa-Ebene statt. Solange sie noch keine eigene Basis hatten, trainierten die Separatisten gemeinsam mit den ebenfalls in der Gegend stationierten palästinensischen Terroristen. Nicht weit entfernt drillte die Hizbollah ihre Mitglieder. Darüber hinaus ist die Ebene seit Jahrhunderten als Anbaugebiet für gutes Haschisch bekannt, einem weltweit beliebten Exportschlager mit dessen Schmuggel sich die schiitischen Terroristen zum Teil finanzieren. In den selben Zeitraum fällt auch die Zusammenarbeit der PKK-Führung mit den unterschiedlichen syrischen Geheimdiensten (2).

Laut Schätzung von Experten wurden zehntausende Kämpfer unter Beobachtung und Anleitung des assadschen Sicherheitsapparates ausgebildet. Ab 1986 in einem eigenen Camp, der so genannten ‚Mahsum-Korkmaz-Akademie‘. Dank der umfassenden Unterstützung konsolidierte sich die PKK zusehends und forcierte ihre Strategie der militärischen Nadelstiche im Nachbarland.

Gleichzeitig war die Organisation Mitte der Achtziger Jahre mit unzähligen Machtkämpfen und Säuberungswellen beschäftigt. Wie vom sowjetischen Original bekannt, wurden die ehemaligen Genossen zu Geständnissen gezwungen und aufgrund dieser erpressten Aussagen verurteilt und hingerichtet. Nach unterschiedlichen Schätzungen wurden zwischen 1000 und 2000 Menschen bei internen Disziplinierungsmaßnahmen ermordet.

Ein Vergleich: Bei Gefechten mit den türkischen Sicherheitskräften starben innerhalb von zwei Jahren (1984 bis 1985) insgesamt 128 Kämpfer der PKK. Allein bei einem einzigen Ereignis im Jahre 1987 wurden 68 führende Kader erhängt (3).

Der syrische Bürgerkrieg

Seitdem die Aufstände gegen Assad im März 2011 begonnen hatten und sich blitzschnell im ganzen Land verbreiteten, war das Assad Regime auf die Hilfe der PKK/PYD angewiesen. Sie waren nicht mehr in der Lage, die kurdische Bevölkerung zu unterdrücken, weil das Regime mit anderen syrischen Gebieten beschäftigt war.(1)

Als der Aufstand in Syrien 2012 militärisch eskalierte, handelte die Regierung ein Abkommen mit der PYD aus. Die Partei sollte die politische, militärische und wirtschaftliche Verwaltung über die nordöstlichen Kantone übernehmen und gleichzeitig für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen. Das bedeutete konkret die Unterdrückung jeglicher Opposition. Neuralgische Punkte, wie zum Beispiel der Flughafen in Qamischli, blieben aber weiterhin in den Händen der regierungstreuen Truppen.

Die ideologische Legitimierung ihrer Herrschaft bildete die so genannte „Autonome Demokratische Selbstverwaltung“, kurz: der „demokratische Konföderalismus“. Eine beabsichtigte Irreführung vor allem für die im Westen beheimatete Unterstützerszene. Die zahlreichen neu aufgebauten lokalen Gremien dienen nicht etwa der Umsetzung der weltweit gepriesenen Basisdemokratie, sondern einer umfassenden Kontrolle der Bevölkerung. Anstatt transparente demokratische Strukturen aufzubauen, bestimmen loyale Autoritäten in den Kantonen die politische Entscheidungsprozesse.

Organisationen und Parteien die kritisch gegenüber dem Assad-Regime beziehungsweise der PYD eingestellt waren und sind, wurden weder in die neu strukturierte Verwaltung der kurdischen Gebiete noch in das Parlament eingebunden. Demonstrationen gegen die neuen Machthaber sind verboten. Unabhängige Journalisten, Aktivisten und Mitglieder oppositioneller Vereinigungen wurden entführt und gefoltert. Seit 2012 sind mindestens 30 politische Kritiker der PYD ermordet worden.

Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Humans Rights Watch berichteten in den letzten Jahren über die Schreckensherrschaft der neuen Lieblinge der internationalen Solidaritätsbewegung. Doch kaum jemand interessiert sich für die Berichte von Zwangsrekrutierungen, die Tatsache, dass Kindersoldaten in den Reihen der YPG kämpfen oder über die Vertreibung von ganzen Dorfbevölkerungen (4).

Mythos und Wahrheit

Ein häufig bemühtes Argument für die kurdische Selbstverwaltung durch die PYD ist der angebliche Schutz von religiösen und ethnischen Minderheiten. Ganz konkret dagegen spricht das Verhalten der YPG im Oktober 2015 in der Gegend von Tall Abyad. Amnesty International berichtete damals: „Mit der mutwilligen Zerstörung von Häusern, in einigen Fällen dem Niederbrennen ganzer Dörfer und der Vertreibung von Bewohnern ohne militärische Rechtfertigung missbraucht die Autonomieverwaltung ihre Macht und verstößt gegen internationales humanitäres Recht; solche Angriffe sind Kriegsverbrechen gleichzusetzen(5). Die betroffenen Dörfer waren größtenteils arabisch dominiert. Ihre Vertreibung wurde mit einer angeblichen Kollaboration mit dem Islamischen Staat (IS) gerechtfertigt, aber ein Beweis wurde nicht geliefert.

Abstrakt muss diese Minderheitenpolitik, „das Mosaik von Volksgruppen(5) wie es ein arabischer Bewohner von Manbidsch wohlwollend bezeichnet, als Ethnopluralismus auf lokaler Ebene denunzieren werden. Anstatt das Individuum zu schützen – vor der Unbill des Stammeswesen sowie religiösen Vorschriften – zementiert die PYD genau diese archaischen Verhältnisse und verleiht ihnen teilweise noch mehr Macht als zuvor. Als Vertreter der Minderheiten (seien es Armenier, Araber, Turkmenen oder Tscherkessen) werden die althergebrachten Autoritäten anerkannt und somit auch die überkommenen Traditionen, die angeblich durch die fortschrittliche Politik der PYD Stück für Stück zurückgedrängt werden.

Gerade die gesellschaftliche Rolle der Frau wird als Prunkstück der syrisch-kurdischen Emanzipationsbewegung hervorgehoben, nur leider entspricht das eher den Phantasievorstellungen westlicher Männer als der Realität. Frauen arbeiten zumeist in eigenständigen politischen und militärischen Strukturen. Die Trennung zwischen Frau und Mann wird strickt eingehalten. Eine Zusammenarbeit über Geschlechtergrenzen hinweg gibt es nur auf höchster Parteiebene. In den entscheidenden Gremien sind aber die Männer bestimmend, also im Hauptquartier und beim Militär.

Schwangerschaften innerhalb der militärischen Strukturen sind nicht erlaubt und führen zu harten Bestrafungen. Liebesbeziehungen werden ebenfalls nicht gern gesehen. Auch das angebliche Verbot der Polygamie ist nur eine Schimäre. Gegenüber der taz berichtet eine Mitarbeiterin der Organisation Kongra Star, dass wegen des „Mangels an jungen Männern“ einige Frauen sich auch auf eine Ehe mit bereits verheirateten Männern einlassen würden: „Wenn alle Beteiligten einverstanden sind, kann der Richter dieses Recht ausnahmsweise gewähren“(5).

Die vielfach gefeierten Fraueneinheiten der kurdischen Befreiungsbewegung sind für die einzelnen Kombattanten zumeist nur der Ausweg aus archaischen Zwangsverhältnissen. Anstatt als Teenager innerhalb der bäuerlichen Gemeinschaft zwangsverheiratet zu werden, fliehen sie direkt in die Arme einer Terrororganisation. Die dann erfolgende Indoktrination ist bestialisch: „Märtyrer zu sein ist das Beste, was es gibt. Angst ist etwas für eure westlichen Frauen in ihren Küchen(6), diktierte eine Kommandantin der YPG dem Journalisten Wes Enzinna ins Mikrofon. Junge Frauen die sich als Selbstmordattentäterin ‚opfern‘, werden hierzulande als Märtyrerinnen gefeiert, obwohl dies doch eigentlich den ideologischen Vorgaben widerspricht, wonach der Islamische Staat den menschlichen Leib verachtend als Waffe bereitwillig einsetzt, während die YPG doch zum Schutz der unzähligen bedrängten Menschen nur ihre Verteidigung organisiert.

Einen Märtyrerkult, egal welcher Art, gilt es nicht zu idealisieren, sondern zu kritisieren. Doch solche Widersprüche werden von den europäischen Unterstützern geflissentlich ignoriert, die wackeren Kämpferinnen gegen den Islamischen Staat (oder derzeit gegen die türkische Invasion) werden trotz alledem wie Postergirls im Internet herumgereicht.

Lunatic Fringe

Die jetzige Führung der PKK steht dem Iran nah und der Iran ist der Hauptunterstützer des syrischen Regimes. Daher war es der PKK/PYD möglich, ein Verbündeter von Assad zu sein.(1)

Im April des vergangenen Jahres erklärten zwei Kommandanten der Hisbollah, dass sie in der Vergangenheit mit der YPG mehrfach zusammengearbeitet hatten. Das Assad-Regime stritt zwar jegliche Absprachen mit der kurdischen Parteimiliz ab, die Hisbollah-Kommandanten erklärten jedoch, dass sie sich direkt mit der YPG „abgestimmt hatten, als diese in Nordsyrien gegen den Islamischen Staat vorgingen und sich Kämpfe mit syrischen Rebellen lieferten(7).

Nachdem die türkischen Armee vor wenigen Wochen im Kanton Afrin mit einem massiven Truppeneinsatz eindrang, kämpfte die YPG gemeinsam mit vom Iran finanzierten schiitischen Milizen und der Unterstützung durch die US-amerikanischen Truppen vor Ort. Diese ungewöhnliche Allianz wurde alsbald von Kämpfern der Hizbollah verstärkt. Der lachende Dritte im Bunde ist mal wieder der syrische Diktator Baschar Al-Assad.

Seine Truppen schießen gerade Ost-Ghouta sturmreif, rücken in Idlib gegen die mit der Türkei verbündeten jihadistischen Milizen vor und besetzen gemeinsam mit der YPG Stellungen in Afrin. Spätestens jetzt sollte klar sein: Der Aufstand gegen das ba’athistische Terrorregime droht nicht zu scheitern, er ist gescheitert. Die antiimperialistische Allianz Iran-Russland-Syrien-Hizbollah hat in weiten Teilen des Landes militärisch die Oberhand gewonnen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis in der Arabischen Republik wieder jene Friedhofsruhe einkehrt, wie vor dem März 2011.

Den Freunden der kurdischen Sache sollte klar sein, dass die wie auch immer gearteten Autonomiebestrebungen nicht nur von der Türkei mit Vehemenz abgelehnt werden. Der Norden Syriens gehört nach Ansicht Assads untrennbar zu seinem Machtbereich. Spätestens wenn die letzten von sunnitischen Aufständischen gehaltenen Gebiete durch regierungstreue Milizen erobert werden, ist das Experiment demokratischer Konförderalismus in akuter Gefahr. Eines steht aber jetzt schon fest: die perfide Strategie der syrischen Machthaber und ihrer Verbündeten ist aufgegangen; divide et impera.

Antideutsche Aktion Berlin [ADAB] im März 2018

Anmerkungen:

(1)Aktuell werden die Entscheidungen von den PKK-Funktionären getroffen und die PYD führt sie lediglich aus. Die Befehlshaber und Entscheidungsträger in den kurdischen Gebieten in Syrien sind die Funktionäre der PKK. Darüber haben bereits viele westliche Journalisten berichtet, die vor Ort waren. Die Fotos von Öcalan hängen in den kurdischen Gebieten in Syrien überall.“ Jian Omar im Gespräch mit Arin Jaafar, Huffington Post, 03.11.2017

(2) Der syrische Geheimdienst konnte nicht nur auf den Erfahrungsschatz des Nazis Alois Brunner zurückgreifen, sondern wurde später auch durch Mitarbeiter der Staatssicherheit geschult.

(3)Die Geschichte der Arbeiterpartei Kurdistans“, Wikipedia und „Hinrichtungen in den Reihen der PKK“ von Helmut Oberdiek

(4)Amnesty International wirft Kurden Vertreibung vor“, ZEIT Online, 13.10.2015

(5)Demokratische Enklave in Nordsyrien“, Mireille Court, Erstveröffentlichung in Le Monde diplomatique, auf deutsch in der taz, 15.09.2017

(6)Utopia im Krieg“, Wes Enzinna, Philosophie Magazin Nr. 3/2016

(7)Syrien: Kurdische Partei kooperiert mit Hisbollah“, Thomas von der Osten-Sacken, Mena Watch, 03.04.2017

Mythos und Wahrheit – Zur Kritik der linken Kurdistan-Solidarität

„Seitdem die Aufstände gegen Assad im März 2011 begonnen hatten und sich blitzschnell im ganzen Land verbreiteten, war das Assad-Regime auf die Hilfe der PKK/PYD angewiesen. Sie waren nicht mehr in der Lage, die kurdische Bevölkerung zu unterdrücken, weil das Regime mit anderen syrischen Gebieten beschäftigt war“, sagte Jian Omar im November vergangenen Jahres im Interview mit der Huffington Post. Gefragt nach der Rolle der Partei der Demokratischen Union (PYD) im syrischen Bürgerkrieg, antwortete der in Berlin lebende Politikwissenschaftler, Pressesprecher der syrischen Oppositionspartei Kurdische Zukunftsbewegung in Syrien und Mitglied des kurdischen Nationalrates:„Aktuell werden die Entscheidungen von den PKK-Funktionären getroffen und die PYD führt sie lediglich aus. Die Befehlshaber und Entscheidungsträger in den kurdischen Gebieten in Syrien sind die Funktionäre der PKK. Darüber haben bereits viele westliche Journalisten berichtet, die vor Ort waren. Die Fotos von Öcalan hängen in den kurdischen Gebieten in Syrien überall.“

Als der Aufstand in Syrien 2012 militärisch eskalierte, handelte die Regierung ein Abkommen mit der PYD aus. Die Partei sollte die politische, militärische und wirtschaftliche Verwaltung über die nordöstlichen Kantone übernehmen und gleichzeitig für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen. Das bedeutete konkret die Unterdrückung jeglicher Opposition. Neuralgische Punkte, wie zum Beispiel der Flughafen in Qamischli, blieben aber weiterhin in den Händen der regierungstreuen Truppen.

Die ideologische Legitimierung ihrer Herrschaft bildete die so genannte „Autonome Demokratische Selbstverwaltung“, kurz, „demokratischer Konföderalismus“. Das ist eine beabsichtigte Irreführung vor allem für die im Westen beheimatete Unterstützerszene.

Die zahlreichen neu aufgebauten lokalen Gremien dienen nicht etwa der Umsetzung der weltweit gepriesenen Basisdemokratie, sondern einer umfassenden Kontrolle der Bevölkerung. Anstatt transparente demokratische Strukturen aufzubauen, bestimmen loyale Autoritäten in den Kantonen die politische Entscheidungsprozesse.

Organisationen und Parteien, die kritisch gegenüber dem Assad-Regime beziehungsweise der PYD eingestellt waren und sind, wurden weder in die neu strukturierte Verwaltung der kurdischen Gebiete noch in das Parlament eingebunden. Demonstrationen gegen die neuen Machthaber sind verboten. Unabhängige Journalisten, Aktivisten und Mitglieder oppositioneller Vereinigungen wurden entführt und gefoltert. Seit 2012 sind mindestens 30 politische Kritiker der PYD ermordet worden.

Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Humans Rights Watch berichteten in den vergangenen Jahren über die Schreckensherrschaft der neuen Lieblinge der internationalen Solidaritätsbewegung. Doch kaum jemand interessiert sich für die Berichte von Zwangsrekrutierungen, die Tatsache, dass Kindersoldaten in den Reihen der YPG kämpfen oder über die Vertreibung von ganzen Dorfbevölkerungen.

Ein häufig bemühtes Argument für die kurdische Selbstverwaltung durch die PYD ist der angebliche Schutz von religiösen und ethnischen Minderheiten.

Konkret dagegen spricht das Verhalten der YPG im Oktober 2015 in der Gegend von Tall Abyad. Amnesty International berichtete damals in Le Monde diplomatique: „Mit der mutwilligen Zerstörung von Häusern, in einigen Fällen dem Niederbrennen ganzer Dörfer und der Vertreibung von Bewohnern ohne militärische Rechtfertigung missbraucht die Autonomieverwaltung ihre Macht und verstößt gegen internationales humanitäres Recht; solche Angriffe sind Kriegsverbrechen gleichzusetzen“. Die betroffenen Dörfer waren größtenteils arabisch dominiert.

Ihre Vertreibung wurde mit einer angeblichen Kollaboration mit dem Islamischen Staat (IS) gerechtfertigt, aber ein Beweis wurde nicht geliefert.

Abstrakt muss diese Minderheitenpolitik, ein „Mosaik von Volksgruppen“, wie arabischer Bewohner von Manbidsch im Artikel zitiert wird, als Ethnopluralismus auf lokaler Ebene denunzieren werden. Anstatt das Individuum zu schützen – vor der Unbill des Stammeswesen sowie religiösen Vorschriften – zementiert die PYD genau diese archaischen Verhältnisse und verleiht ihnen teilweise noch mehr Macht als zuvor. Als Vertreter der Minderheiten (seien es Armenier, Araber, Turkmenen oder Tscherkessen) werden die althergebrachten Autoritäten anerkannt und somit auch die überkommenen Traditionen, die angeblich durch die fortschrittliche Politik der PYD Stück für Stück zurückgedrängt werden.

Gerade die gesellschaftliche Rolle von Frauen wird als Prunkstück der syrisch-kurdischen Emanzipationsbewegung hervorgehoben, nur leider entspricht dies eher den Phantasievorstellungen westlicher Männer als der Realität. Frauen arbeiten zumeist in eigenständigen politischen und militärischen Strukturen. Die Geschlechtertrennung wird strikt eingehalten. Eine Zusammenarbeit über Geschlechtergrenzen hinweg gibt es nur auf höchster Parteiebene. In den entscheidenden Gremien sind aber die Männer bestimmend, also im Hauptquartier und beim Militär.

Schwangerschaften innerhalb der militärischen Strukturen sind nicht erlaubt und führen zu harten Bestrafungen. Liebesbeziehungen werden ebenfalls nicht gern gesehen. Auch das angebliche Verbot der Polygamie ist nur eine Schimäre. Eine Mitarbeiterin der Organisation Kongra Star berichtet, dass wegen des „Mangels an jungen Männern“ einige Frauen sich auch auf eine Ehe mit bereits verheirateten Männern einlassen würden: „Wenn alle Beteiligten einverstanden sind, kann der Richter dieses Recht ausnahmsweise gewähren“.

Die vielfach gefeierten Fraueneinheiten der kurdischen Befreiungsbewegung sind für die einzelnen Kombattanten zumeist nur der Ausweg aus archaischen Zwangsverhältnissen. Anstatt als Teenager innerhalb der bäuerlichen Gemeinschaft zwangsverheiratet zu werden, fliehen sie direkt in die Arme einer Terrororganisation. Die dann erfolgende Indoktrination ist brutal: „Märtyrer zu sein ist das Beste, was es gibt. Angst ist etwas für eure westlichen Frauen in ihren Küchen“, diktierte eine Kommandantin der YPG dem Journalisten Wes Enzinna ins Mikrofon. Junge Frauen die sich als Selbstmordattentäterin „opfern“, werden hierzulande als Märtyrerinnen gefeiert, obwohl dies doch eigentlich den ideologischen Vorgaben widerspricht, wonach der Islamische Staat den menschlichen Leib verachtend als Waffe bereitwillig einsetzt, während die YPG doch zum Schutz der unzähligen bedrängten Menschen nur ihre Verteidigung organisiert.

Einen Märtyrerkult, egal welcher Art, gilt es nicht zu idealisieren, sondern zu kritisieren. Doch solche Widersprüche werden von den europäischen Unterstützern geflissentlich ignoriert, die wackeren Kämpferinnen gegen den Islamischen Staat (oder derzeit gegen die türkische Invasion) werden trotz alledem wie Postergirls im Internet herumgereicht.

Im April des vergangenen Jahres erklärten zwei Kommandanten der Hisbollah, dass sie in der Vergangenheit mit der YPG mehrfach zusammengearbeitet hatten. Das Assad-Regime stritt zwar jegliche Absprachen mit der kurdischen Parteimiliz ab, die Hisbollah-Kommandanten erklärten jedoch, dass sie sich direkt mit der YPG „abgestimmt hatten, als diese in Nordsyrien gegen den Islamischen Staat vorgingen und sich Kämpfe mit syrischen Rebellen lieferten“.

Nachdem die türkischen Armee vor wenigen Wochen im Kanton Afrin mit einem massiven Truppeneinsatz eindrang, kämpfte die YPG gemeinsam mit vom Iran finanzierten schiitischen Milizen und der Unterstützung durch die US-amerikanischen Truppen vor Ort. Diese ungewöhnliche Allianz wurde alsbald von Kämpfern der Hizbollah verstärkt. Der lachende Dritte im Bunde ist mal wieder der syrische Diktator.

Seine Truppen schießen gerade Ost-Ghouta sturmreif, rücken in Idlib gegen die mit der Türkei verbündeten jihadistischen Milizen vor und besetzen gemeinsam mit der YPG Stellungen in Afrin. Spätestens jetzt sollte klar sein: Der Aufstand gegen das ba‘athistische Terrorregime droht nicht zu scheitern, er ist gescheitert. Die antiimperialistische Allianz Iran-Russland-Syrien-Hizbollah hat in weiten Teilen des Landes militärisch die Oberhand gewonnen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis in der Arabischen Republik wieder jene Friedhofsruhe einkehrt, wie vor dem März 2011.

Den Freunden der kurdischen Sache sollte klar sein, dass die wie auch immer gearteten Autonomiebestrebungen nicht nur von der Türkei mit Vehemenz abgelehnt werden. Der Norden Syriens gehört nach Ansicht Assads untrennbar zu seinem Machtbereich.

Spätestens wenn die letzten von sunnitischen Aufständischen gehaltenen Gebiete durch regierungstreue Milizen erobert werden, ist das Experiment demokratischer Konförderalismus in akuter Gefahr.

Eines steht aber jetzt schon fest: die perfide Strategie der syrischen Machthaber und ihrer Verbündeten ist aufgegangen: divide et impera.

Syriens Stellvertreter im Krieg.

Keine Bühne für Todenhöfer!

Am 14. November 2016 empfängt der Verleger und Chefredakteur der Wochenzeitung »Der Freitag«, Jakob Augstein, den bekanntesten Propagandisten der mörderischen Assad-Diktatur in Deutschland, Jürgen Todenhöfer, zum Gespräch. Und der öffentlich-rechtliche Sender Radio Eins überträgt das Gespräch unter dem Motto „Syrien, der ewige Stellvertreter-Krieg?“ auch noch im Radio.

Erst vor einigen Wochen wurde von syrischen Aktivisten aufgedeckt, dass der sogenannte Terrorexperte Jürgen Todenhöfer aus Sympathie für Syriens Machthaber Baschar al-Assad ein Interview mit einem Kommandeur der jihadistischen Organisation Jabhat Al Nusra inszeniert hatte. So berichtete nicht nur die syrische Online-Zeitung Zaman al-Wasl, dass der Interviewpartner Todenhöfers ein Fake sei. Abu al-Ezz ist weder Kommandeur der al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front, noch gehörte er zu ihrer Nachfolgeorganisation, Fatah al-Scham. Dieses unglaubliche Malheur ändert aber nichts an seinem Status als Experte.

Selbstverständlich. Die deutsche Öffentlichkeit nahm seinen angeblichen Coup begierig auf. In dem Interview bestätigte der angebliche Kommandeur nämlich alle Vorurteile gegenüber den USA und den sunnitischen Staaten, die heutzutage in großen Teilen der deutschen Gesellschaft gepflegt werden.

Lautsprecher deutscher Sehnsüchte.

Jürgen Todenhöfer ist im besten Sinne des Wortes ein deutscher Nahost-Experte. Er ist ständig vor Ort, hat aber keinerlei Ahnung von der Materie und wird deshalb von den deutschen Medien geliebt. Er ist der Lautsprecher deutscher Sehnsüchte.

Noch im Juni 2014 behauptete Jürgen Todenhöfer, dass der IS „nur scheinbar die alles überragende Rolle“ spiele, hauptsächlich werde der „Aufstand“ von dem „Nationalen, Panarabischen und Islamischen Widerstand“ angeführt, einer „säkularen Koalition mehrerer Gruppen, die schon mit großem Erfolg gegen die US-Armee gekämpft“ (1) hatte. Beinahe ehrfürchtig sprach er vor zwei Jahren von den „Dschihadisten aus aller Welt“, die sich dem IS anschließen und „wegen ihres Todesmuts und ihrer Härte, Furcht und Schrecken“ in dem Bündnis geachtet werden.

Ein Jahr später behauptete der allseits zitierte Experte, dass „der IS die gefährlichste Terrorarmee“ ist, „die die moderne Geschichte gesehen hat“ (2). Kein Wort verlor er mehr über die angeblichen ehemaligen Bündnispartner des Islamischen Staates, die sich innerhalb eines Jahres in Luft aufgelöst hatten. Und das, obwohl der so genannte „Nationale Widerstand“ laut Todenhöfer „in Mossul mit über 20.000 Mann präsent und von der Bevölkerung getragen“ (1) wurde.

Zuletzt irrlichterte Todenhöfer mit seiner Dokumentation »Inside IS« durch die Lande. Selbst bürgerliche Medien warfen ihm „Selbstdarstellung und die kritiklose Veröffentlichung der Ideologie des Islamischen Staats vor“. Seine Kritik richte sich „in erster Linie gegen den Westen im Allgemeinen und die USA im Besonderen“ (3). In der Dokumentation werden „immer wieder Propaganda-Aufnahmen des Islamischen Staats unkommentiert und unreflektiert eingeschnitten“, bemängelte nicht nur der Merkur.

Des Wahnsinns kecke Beute

Wer ernsthaft eine Lösung „für die nicht endenden Konflikte und das Leid der Syrer“ sucht, braucht bei Todenhöfer nicht anzufragen. Sein Interesse liegt in der Vermarktung seiner Publikationen, der Apologet des Terrors bietet keine Analyse zu dem aktuellen Geschehen in Syrien, sondern einzig und allein Ressentiments, die seine Anhänger inbrünstig aufsaugen. Er widerspricht sich am laufenden Bande, was seinen Fans deshalb nicht auffällt, weil sie den Verursacher allen Leides auf der Welt schon längst kennen: die USA.

Todenhöfer trifft mit seinen Aussagen hervorragend den Gemütszustand eines gewissen Teils der deutschen Gesellschaft, die zwischen Pazifismus und offener Kumpanei mit der Barbarei schwankt. Wer ernsthaft einen solchen Apologeten der anti-westlichen Propaganda einlädt, hat sich die Eingangsfrage der Veranstaltung „Doch wer ist der Böse im Syrienkrieg?“ längst beantwortet. Der RBB als öffentlich-rechtliche Medienanstalt muss des Wahnsinns kecke Beute sein, wenn er solch eine Propaganda-Show überträgt.

Wir fordern den RBB auf, die Übertragung des »radioeins und Freitag Salons« am 14. November vom Äther zu nehmen. Eine Ausstrahlung widerspricht allen Regeln des Journalismus und des öffentlich-rechtlichen Anspruches an sein Programm.

Antideutsche Aktion Berlin im November 2016

Anmerkungen:

(1) Terrororganisation ISIS „Nur scheinbar die größte Rolle“, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.06.2014
(2) Todenhöfer: „IS ist die gefährlichste Terrorarmee der Welt“, Deutsche Welle, 24.04.2015
(3) „Inside IS“: Daran krankt der Film von Jürgen Todenhöfer, Merkur, 13.07.2016

Once upon a time…

Sei mißtrauisch gegen den, der behauptet, daß man entweder nur dem großen Ganzen oder überhaupt nicht helfen könne. Es ist die Lebenslüge derer, die in Wirklichkeit nicht helfen wollen und die sich vor der Verpflichtung im einzelnen bestimmten Fall auf die große Theorie herausreden. Sie rationalisieren ihre Unmenschlichkeit.“ Max Horkheimer

Jede Subkultur ventiliert ihre eigenen Mythen. Diese urbanen Märchen sind der moderne Kitt, der die zumeist wild zusammengewürfelte Mischpoke beieinander hält. Gerade ideologische Subkulturen brauchen diese gefährlichen Halbwahrheiten, um den eigenen Zusammenhalt zu stärken. Leider sind darunter auch nicht wenige Personen, die sich den Kritikern der deutschen Verhältnisse zugehörig fühlen. Eines der beliebtesten antideutschen Märchen derzeit ist, dass im Nahen Osten nach der Befreiung von den despotischen Alleinherrschern, die Barbarei in Form der bis dato oppositionellen Islamisten Einzug hält. Und am Ende für Israel alles viel schlimmer wird.

Diese „Israeluntergangsstimmung“ entbehrt nicht jeglicher Grundlage. Wie es aber bei Untergangsstimmungen so üblich ist, ist sie völlig überzogen. Das israelische Militär und die Geheimdienste beobachten die Umbrüchen im Nahen Osten sehr genau. Davon sollte man getrost ausgehen. Ihr Hauptaugenmerk richtet die israelische Administration auf eine mögliche iranische Atombombe und darüber hinaus auf das mögliche Freisetzen des syrischen Giftgases. Diese beiden Schreckenszenarien waren aber schon vor dem Aufbegehren der Opposition im Nahen Osten eine ernsthafte Gefahr für das Land und seine Verbündeten. Die Scharmützel auf der Sinai-Halbinsel sind dagegen keine Bedrohung für die Existenz Israels, zumal die ägyptischen Sicherheitskräfte nun verstärkt gegen die dort angesiedelten salafistischen Banden vorgehen. Mehr noch, dass die Hizbollah derzeit kein Entlastungsangriff auf Israel ausführt, obwohl es ihren syrischen und iranischen Verbündeten schon allein propagandistisch gut ins Konzept passen würde, zeigt deutlich, dass auch diese antiisraelische Terrororganisation gerade alle Hände voll zu tun hat, die eigene Machtbasis abzusichern.

Eine andere antiisraelische Terrororganisation, die Hamas, hat sich gleich ganz von der Achse des Widerstandes gelöst. Damit wurde ein möglicher Angriff Israels auf die iranischen Atomanlagen erheblich erleichtert. Die sunnitischen Länder, die der Hamas-Auslandsführung die Aufnahme gewährten, sind bekanntlich keine Freunde einer schiitischen Atombombe. Weshalb nun die Hamas gezwungen ist, jegliche Vergeltungsmaßnahmen als Reaktion auf eine Intervention Israels im Iran, in ihrem Herrschaftsbereich tunlichst zu unterbinden.

Weg mit dem Baath-Regime!

Scheinheilig werden die EU- und UN-Programme und Initiativen damit begründet, daß Terror doch wohl dem Elend und der Aussichtslosigkeit entstamme. Die Frage, warum tatsächliches Elend nicht zum Sturz der alteingessenen Eliten führt, sondern dazu, daß amerikanische Journalisten, nicht-moslemischen Ärzten und mindergläubigen Fellachen die Kehle durchgeschnitten wird, interessiert das soziale Europa nicht.“ Redaktion Bahamas

Aus der Enttäuschung heraus, dass im Irak, beinahe zehn Jahre nach dem die amerikanischen Armee mit ihren Alliierten den Despoten Saddam Hussein in die Knie zwang, kaum größere Fortschritte gemacht wurden, zeigen heutzutage viele ehemalige Freunde dieses amerikanischen Krieges den heutigen Aufständischen gegen die alteingessenen Eliten die kalte Schulter. Größer kann ein Verrat kaum sein. Nach dem Sturz eines autoritären Regimes gibt es fast immer eine Phase des Übergangs in der gerade die radikalsten gesellschaftlichen Elemente ihren Anspruch auf die Macht geltend machen. Das es wohl mehr Zeit braucht, damit in einer heterogenen Bevölkerung die Fliehkräfte der auseinander treibenden Zwangskollektiven jeglicher Art überwunden sind, zeigt sich sehr deutlich im Irak. Dies ist vielleicht enttäuschend, deutet aber auch daraufhin, dass die Prognosen vor zehn Jahre leider etwas zu optimistisch waren.

Allerdings man muss kein ausgewiesener Nah-Ost-Experte sein, um zu wissen, dass mit jedem weiteren Tag Bürgerkrieg in Syrien die Jihadisten mehr Einfluss innerhalb der äußerst heterogenen Oppositionsbewegung erlangen. Doch trotz der Tatsache, dass Saudi-Arabien und Katar zweistellige Millionenbeträge an die reaktionärsten Teile der syrischen Opposition überweisen und immer mehr Jihadisten in das Land einsickern, ist die Behauptung der Gruppe Melange: „Niemand kann wirklich sagen, wer „jene Oppositionelle […], die sich für eine demokratische und zwischen den Religionen vermittelnde Zukunft einsetzen“ sein sollen, oder ob es solche Gruppierungen überhaupt gibt“ (1) eine dreiste Lüge. Es genügt dazu nur ein kurzer Blick, auf die Berichte der von adopt a revolution unterstützen zivilen Lokalkomitees.

Der zweite Einwurf aus Hamburg, dass von Despoten befreite Länder, wie zum Beispiel Tunesien, nicht als erste Amtshandlung die offizielle Anerkennung Israels forcieren, ist wahrscheinlich einem autochthonen Glashaus entsprungen. Transformationsprozesse hin zu einer bürgerlichen Gesellschaft, die sogar aus freien Stücken Israel wohlgesonnen ist, sind, wenn sie nicht sogar unmöglich sind, äußerst langwierig. Das sollten jedem seltsam bekannt vorkommen. Den Ausgang eines Volksbegehren in der Bundesrepublik Deutschland, ob man Israel überhaupt U-Boote liefern sollte, möchte niemand, der noch ganz bei Verstand ist, erleben.

Und unter all den schlechten Nachrichten aus dem Nahen Osten, gibt es auch erfreuliche: So wurde in diesem arabischen Frühling die erste Zeitung der Schwulen und Lesben in Tunesien veröffentlicht. Bei den Wahlen in Libyen durften radikale Salafisten gar nicht erst antreten und die Islamisten steckten eine bittere Wahlniederlage ein. In Ägypten wehren sich Liberale und Linke mit Händen und Füßen gegen eine schleichende Islamisierung ihres Landes. Und dann gibt es ja noch Benghazi.

Bleiben wir realistisch…

Ich will einfach diese Typen hier nicht mehr sehen, die mich, auf afghanische Art gekleidet, anhalten und mir Befehle erteilen. Ich möchte hier Menschen in regulärer Uniform.“ Omar Muhammed aus Benghazi (2)

Als am 21. September 2012 überall in den internationale Medien darüber berichtet wurde wie sich mehrere zehntausend Libyer kurzer Hand der lokalen salafistischen Milizen entledigt hatten, blieb es hierzulande erstaunlich ruhig. Moslems, die sich offensichtlich militant den Jihadisten entgegenstellen, das passt hinten und vorne nicht in das gern kultivierte Weltbild. Die Forderung der Demonstranten endlich das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen, schmeckte vielen deutschen Linken wohl nicht. Aber wieso wurde dieser Aufstand gegen die salafistischen Rackets innerhalb jener Kreise, für die der historische Materialismus kein Buch mit sieben Siegeln ist, nicht als ein möglicher Schritt in Richtung eines zukünftigen bürgerlichen Rechtsstaat gewertet?

In Anbetracht der eigenen Ohnmacht ist es nicht leicht, im Strudel der Ereignisse den Kopf über Wasser zu halten. Aber aufgrund aller Schwierigkeiten nicht das (Un)Mögliche zu versuchen, den wenigen fortschrittlichen Kräften im Nahen Osten unter die Arme zu greifen, kommt einer freiwilligen Kapitulation vor den elenden Verhältnissen gleich. Deshalb rufen wir dazu auf, wenigstens den berühmten Tropfen auf den heißen Stein zu ermöglichen, also Geld für die Komitees des zivilen Widerstandes an adopt a revolution zu spenden.

Anmerkungen:

(1) Gruppe Melange, „Once more, with feeling“
(2) taz, 23. September 2012, „Aufruhr gegen Salafisten“

Antideutsche Aktion Berlin (ADAB) im Oktober 2012

Die Taz lügt

Deutsch-Linke diskutieren über Syrien“ so übertitelt die taz in ihrer heutigen Ausgabe einen Bericht von unserer Veranstaltung „Damaszener Frühling. Wohin führt der Aufstand in Syrien?“. Eine direkte Antwort auf diese Injurie wurde der Redaktion zugesand:

„Mit ein wenig Recherche wäre Ihnen aufgefallen, dass die Veranstaltung „Damaszener Frühling. Wohin führt der Aufstand in Syrien?“ von unserer Gruppe, der Antideutschen Aktion Berlin, in Zusammenarbeit mit der linken Wochenzeitung Jungle World veranstaltet wurde. Einhergehend mit dieser Erkenntnis wäre uns als Veranstalter, den Referenten sowie natürlich auch den anwesenden Teilnehmern wohl die widerwärtige Bezeichnung als „Deutsch-Linke“ erspart geblieben.“

Free Syria From Assad!

Im März des vergangenen Jahres hatten Kinder in der südsyrischen Stadt Daraa den im Arabischen Frühling in Tunesien und Ägypten verwendeten Slogan „Das Volk will den Sturz des Regimes“ an mehrere Wände geschrieben. Die Kinder wurden verhaftet und gefoltert. Daraufhin forderte die Teilnehmer auf der ersten großen Demonstration in Daraa die Freilassung dieser Kinder. Eine weitere Demonstration am Freitag, den 18. März, wurde von Sicherheitskräften gewaltsam angegriffen, mindestens vier Menschen verloren ihr Leben. Bei den Begräbnissen der Toten wurde am Tag darauf ein weiterer Mensch von den syrischen Sicherheitskräften getötet. Die Proteste griffen im Weiteren auf andere Städte in Syrien über.

Über ein Jahr, zwei Beobachtermissionen, zehntausende Flüchtlinge, abertausende Verhaftungen und beinahe 10.000 Tote später verhandelt die internationale Weltgemeinschaft nach wie vor mit dem syrischen Diktatur Baschar al-Assad über ein Ende der Gewalt. Das Ergebnis ist immer dasselbe. Assad verkündet ein oder zwei Reförmchen und lässt dort wo gerade die internationalen Beobachter ihre Runde drehen die Waffen schweigen. Überall sonst in Syrien gehen die Sicherheitskräfte weiterhin brutal gegen die Opposition vor. Business as usual.

Natürlich kann man einerseits sagen, dass durch Revolutionen alles nur noch schlimmer geworden ist. Die französische Revolution hat der Menschheit den Nationalismus und die allgemeine Wehrpflicht gebracht. Letztere hat es möglich gemacht, dass die Gemetzel in den beiden Weltkriegen alle vorangegangenen in den Schatten stellten. Und ohne Demokratie kein NS-Regime. Andererseits: Niemand weiß, was uns geblüht hätte ohne die Französische Revolution.

Auf jeden Fall kann man von Menschen nicht verlangen, dass sie sich mit der Despotie und den Folterkellern eines Mubarak-Regimes abfinden sollen. Sie haben das volle Recht, es mit Gewalt zu stürzen, ohne zu bedenken, was nachher kommt. Und vielleicht kommt es bei Ihnen ja nicht so schlimm, wie es bei uns gekommen ist.“ (1)

Falsches Spiel mit Kofi Annan?
Oder: Falscher Spieler Kofi Annan?

Als Repräsentant der internationalen Weltgemeinschaft ruhen viele Hoffnungen auf Kofi Annan und sein diplomatisches Geschick. Doch um diesem Ziel überhaupt näher zu kommen, fehlt Annan ein wichtiger Baustein: Die ernstzunehmenden Androhung von militärischer Gewalt. Auf die völlig berechtigte Frage von Elie Wiesel im April 2012 „Wie kann es sein, dass Assad noch immer an der Macht ist?“ antwortet der amerikanische Präsident Barack Obama mit rhetorischen Finessen, aber nicht mit militärischen Drohungen. Zwar sei es ein „zentraler Bestandteil des nationalen Sicherheitsinteresses und der moralischen Verantwortung der Vereinigten Staaten, Völkermord und Massentötungen zu verhindern“, aber dies bedeute nicht, dass „wir jedes Mal militärisch eingreifen, wenn irgendwo in der Welt Unrecht geschieht“ (2). Eine Bankrotterklärung die ihresgleichen sucht.

Kofi Annan ist somit auf die Einsicht des Assad-Clans angewiesen. Doch darauf kann er, wie auch alle anderen Unterhändler bisher, lange warten. Solange der Assad-Clan sich auf die Unterstützung des Iran, Teile der irakischen Führung und die Hizbollah verlassen kann, gibt es keine ernstzunehmende militärische Gefahr durch die Aufständischen. Auch die Millionen aus dem arabisch-sunnitischen Dreieck reichen bei Weitem nicht dazu aus, um aus der Freien Syrischen Armee (FSA) eine schlagkräftige Truppe zu formen, die imstande wäre Assads Schergen auch nur ansatzweise Paroli zu bieten.

Problem PKK.

Neben Alawiten, Sunniten und Christen gibt es vor allem im Norden von Syrien viele Kurden. Vor über einem Jahrzehnt unterstützte das Regime in Damaskus noch die Kämpfer der PKK und versteckte ihren damaligen Anführer Abdullah Öcalan. Zugunsten verbesserter Beziehungen zur Türkei brach Syrien diesen Kontakt ab und schränkte die Rechte von syrischen Kurden extrem ein. Nachdem auch in den kurdischen Gebieten einige Demonstrationen gegen Assad organisiert wurden, gab die syrische Regierung bekannt, dass Kurden, ab sofort ein Recht auf Arbeit hätten und das diejenigen Kurden innerhalb Syriens, welche bisher über keinerlei Staatsbürgerschaft verfügen, die syrische erhalten sollten.

Gleichzeitig übernahm der syrische Zweig der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die Partei der Demokratischen Union (PYD), sukzessive die Macht in den syrisch-kurdischen Gebieten. Die PYD unterdrückt regimekritische Demonstrationen und im Gegenzug konnte sie ihre Stützpunkte im Norden weiter ausbauen. In einem von al-Jazeera veröffentlichten internen Dokument der syrischen Ba’ath-Partei heißt es, „dass die Unterdrückung von Protesten in den kurdischen Gebieten nicht durch reguläre Sicherheitskräfte, sondern in Koordination mit der PKK geschehen solle“. (3)

Mit Sicherheit keine Freiheit.

Der türkischen Regierung, die mit den syrischen Muslimbrüdern freundschaftlich verbunden ist, bereitet die Schaffung einer stabilen Rückzugsbasis der PKK größte Bauchschmerzen und handfeste militärische Probleme. Der israelischen Regierung ist ein bekannter Feind selbstverständlich auch lieber als ein kaum einzuschätzendes Chaos in Syrien. Und die Angst vor einem Bürgerkrieg in Syrien haben alle involvierten politischen Akteure bis auf Al Kaida und dem Assad-Clan. Während letztere vor allem aus einem religiös motivierten Bürgerkrieg ihre Legitimation als syrische Erbdiktatoren ziehen, kann Al Kaida jegliche gegen die derzeitigen arabischen Herrscher gerichtete Propaganda gut gebrauchen.

Eine Ausweitung des Konfliktes zu einem Bürgerkrieg führt langfristig dazu, dass anstatt den zivilen, städtischen Organisatoren des friedlichen Protest, nunmehr die militärischen Kader, seien sie nun aus der syrischen Armee desertiert oder aus Solidarität mit ihren syrischen Stammes- und Religionsbrüdern aus dem irakischen Grenzland eingesickert, das Heft in die Hand nehmen. Da es sich meist um erfahrene Kämpfer handelt, kann man davon ausgehen, dass sie schon vorher im Nahen Osten an bewaffneten Auseinandersetzung beteiligt waren. Im besten Fall in Libyen, im schlechtesten im Irak oder Afghanistan.

Der syrische Bürgerkrieg:
Self fulfilling prophecy

Die Motivation dieser Milizionäre ist eine völlig andere, als die der Mehrzahl der Demonstranten. Aber eine Annäherung dieser beiden recht unterschiedlichen Parteien wird mit jedem Tag, an dem das Morden des Assad-Clans weiter anhält, realistischer. Rache, gerade die Rache an den als Gewinner des Systems identifizierten Alawiten wird mit jedem Massaker bedeutender für die Aufständischen. Vor allem für die Sunniten. Während die Stadtgebiete in denen sie leben vom syrischen Militär und anderen Pro-Assad-Banden abgeriegelt und beschossen werden, keine Strom- oder Wasserversorgung mehr vorhanden ist, können keine zwei Kilometer weiter Menschen alawitischen Glaubens halbwegs normal ihr Leben führen.

Gleichzeitig werden auch die Christen und Kurden protegiert um deren Eingreifen in den Aufstand zu Gunsten der Assad-Gegner zu verhindern. Dieser Versuch die Aufständischen zu isolieren, indem man ethnische und religiöse Spannungen noch weiter schürt, führt geradewegs in den seit langem von Assad prophezeiten Bürgerkrieg.

Solidarität ist eine Waffe!

Eine Phrase schafft niemals Veränderung. Aber in ihr steckt auch immer ein wahrer Kern. Die Aufständischen in Syrien brauchen die Unterstützung aus dem Ausland. Bisher werden sie hauptsächlich von syrischen Exilanten, sunnitischen Organisationen und einigen arabischen Staaten unterstützt. Diese verfolgen mit der Hilfe selbstverständlich ihre eigenen, recht unterschiedlichen Ziele. Von einer Destabilisierung Assads, über die langfristige Etablierung der sunnitischen Mehrheit in einer neuen Regierung bis hin zu einem langfristigem Machtvakuum welches von Al-Kaida-Anhängern als Operationsbasis genutzt werden kann, reichen die Vorstellungen derjenigen die derzeit die Opposition, bzw. bestimmte Teile davon unterstützen. Für uns kann dies nur bedeuten, genau jene Oppositionelle zu unterstützen, die sich für eine demokratische und zwischen den Religionen vermittelnde Zukunft einsetzen.

Das hämische Feixen aus den Palästen in Damaskus über die Hilflosigkeit der UNO und des Westens ist kaum zu überhören. Man müsste schon mehr als nur taub sein! Für uns ist es deshalb wichtig, anstatt sich mit der Kritik an den Verhältnissen im Speziellen in Syrien und im Allgemeinen an der UNO und seinen wichtigsten Akteuren zu begnügen, endlich konkret denjenigen zu helfen – soweit dies uns möglich ist – die seit Monaten aus gutem Grund gegen die Schergen Assads auf die Straße gehen.

Anmerkungen:

(1) Wolfgang Pohrt, Kapitalismus Forever. Über Krise, Krieg, Revolution, Evolution, Christentum und Islam. Critica. Diabolis. 197. Edition. TIAMAT
(2) FAZ, 25.April 2012, „Scharfe Kritik Annans an Assad“
(3) Jungle World, 12. April 2012, „Auf Seiten der Sieger“

Antideutsche Aktion Berlin (ADAB) im Mai 2012